Das Broken-Heart-Syndrom ist eine Herzkrankheit, bei der Stress das Herz überfordert. Der Herzmuskel ist wie gelähmt, pumpt kaum noch Blut und bläht sich auf wie ein Ballon. Im schlimmsten Fall kann das – wie ein Herzinfarkt – zum Tod führen.
Das Broken-Heart-Syndrom ist eine Herzkrankheit, bei der Stress das Herz überfordert. Der Herzmuskel ist wie gelähmt, pumpt kaum noch Blut und bläht sich auf wie ein Ballon. Im schlimmsten Fall kann das – wie ein Herzinfarkt – zum Tod führen.
Von Kerstin Kropac
21.06.2023
Bildquelle (Bild oben): iStock / fizkes
Es ist eine Erkrankung, die erst seit wenigen Jahrzehnten bekannt ist: Beim Broken-Heart-Syndrom macht starker Stress das Herz krank. Der Herzmuskel bläht sich dabei auf wie ein Ballon. Eine Form, die japanische Ärzte an eine tönerne Tintenfischfalle erinnerte, die Takotsubo. Deshalb wird die Krankheit auch als Takotsubo-Kardiomyopathie bezeichnet. Vom Broken-Heart-Syndrom (auf Deutsch: Gebrochenes-Herz-Syndrom) sind zu etwa 90 Prozent Frauen nach den Wechseljahren betroffen.
Das Broken-Heart-Syndrom wird oft durch emotionale Situationen hervorgerufen. „Meist wird es durch negative emotionale Trigger ausgelöst – beispielsweise durch den Tod eines geliebten Menschen. Manchmal sind es aber auch freudige Ereignisse wie ein Tor beim Fußballspiel oder ein Jackpot-Gewinn“, erklärt Prof. Katrin Streckfuß-Bömeke, Leiterin der Arbeitsgruppe Molekulare Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Würzburg. „Neben diesen emotionalen Auslösern gibt es auch physische Stressoren, körperliche Auslöser – zum Beispiel starke Schmerzen, ein Armbruch, Schlaganfall oder eine Operation. Nur bei sehr wenigen Betroffenen findet man keinen konkreten Auslöser.“
Prof. Andreas Schuster, geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der Universität Göttingen, berichtet von einem Fall: „Zu uns kam einmal eine Krankenschwester, die recht jung war, aus einem benachbarten Krankenhaus. Sie hatte sich mit Kollegen gestritten und wurde uns zugewiesen mit Verdacht auf einen Herzinfarkt. Bei ihr haben wir das Takotsubo-Syndrom diagnostiziert“, berichtet Prof. Schuster. „Das war wirklich ein schwerer Verlauf, die Dame musste an die Herz-Lungen-Maschine. Letztlich hat sie es geschafft und sich wieder vollständig erholt. Aber das war auf Messers Schneide. Da denkt man schon: Das war eigentlich eine Lappalie, jeder hat mal einen Konflikt beim Arbeiten. Sie stand mitten im Leben, hatte Kinder. Und das hätte auch schiefgehen können. Da bin ich immer noch sehr dankbar, dass es so gut gelaufen ist. Man darf die Krankheit nicht unterschätzen.“
Wenn Stress das Herz überfordert, kann der Herzmuskel wie gelähmt sein. Er pumpt kaum noch und bläht sich an der Spitze wie ein Ballon auf. „Dadurch, dass die Herzspitze nicht mehr pumpt, kann sich das Blut in der Lunge stauen, wodurch die Patientinnen oder Patienten keine Luft mehr kriegen“, erklärt Prof. Schuster. „Es kann auch zu einem Schock kommen, an dem die Betroffenen sterben. Zudem können Rhythmusstörungen entstehen, die ein lebensbedrohliches Kammerflimmern auslösen können. Es gibt Patientinnen und Patienten, die so krank sind, dass man sie für eine gewisse Zeit an die Herz-Lungen-Maschine anschließen muss, bis sich das Syndrom zurückgebildet hat.“
Der Grund für die Überforderung des Herzens liegt darin, dass der Körper deutlich zu viel Stresshormon ausschüttet. Prof. Streckfuß-Bömeke: „Fest steht, dass die Stresshormon-Konzentration unmittelbar nach dem Takotsubo-Ereignis stark erhöht ist: 30-mal höher als bei Gesunden und auch zwei- bis viermal höher als bei Patientinnen oder Patienten nach einem Herzinfarkt.“ Warum das passiert, ist bislang unklar, so die Forscherin: „Wir müssen herausfinden, ob es eine Fehlfunktion des Gehirns ist, die zu einer viel zu hohen Adrenalin-Ausschüttung führt und somit das Hirn-Herz-Syndrom auslöst. Was genau passiert da?“
„Bislang gibt es keine spezifische Therapie“, sagt Prof. Schuster. „Deshalb behandeln wir die Patientinnen und Patienten wie nach einem Herzinfarkt: Sie kommen auf eine Überwachungsstation und wir kontrollieren, ob sich Komplikationen wie Rhythmusstörungen oder eine Herzschwäche entwickeln. Da die Herzleistung meist eingeschränkt ist, behandeln wir die Patientinnen und Patienten häufig mit Herzschwäche-Medikamenten.“
„Wir haben lange geglaubt, das Takotsubo-Syndrom sei eine harmlose Erkrankung, bei der sich die Funktionseinschränkung des Herzens nach kurzer Zeit wieder von allein zurückbildet. Doch mehrere Studien zeigen, dass die Sterblichkeit sogar höher sein kann als beim Herzinfarkt“, erklärt Prof. Schuster. „Beschrieben wurden jährliche Sterblichkeitsraten von 3,5 Prozent pro Jahr und über 20 Prozent der Betroffenen versterben innerhalb von zehn Jahren. Das ist schon erheblich.“
„Es kommt vor, dass gewisse Schädigungen am Herzen bestehen bleiben, die dann zu einer Funktionseinschränkung führen, wie zum Beispiel zu einer Herzschwäche“, sagt Prof. Schuster. „Bei vielen Patientinnen und Patienten, bei denen nicht emotionaler Stress der Auslöser war, sondern körperlicher Stress durch einen Unfall, eine Krebserkrankung oder eine neurologische Erkrankung spielt natürlich auch die Grunderkrankung eine Rolle. Zusätzlich zum Takotsubo-Syndrom. Deshalb sollten Betroffene auf jeden Fall neben regelmäßigen kardiologischen Verlaufskontrollen auch in Behandlung der auslösenden Grunderkrankungen bleiben.“
„Wir glauben, dass bei jedem Menschen etwas anderes zum Takotsubo-Syndrom führt“, sagt Prof. Streckfuß-Bömeke. „Man muss sich das wie ein Takotsubo-Puzzle vorstellen, dessen Teile wir noch nicht alle kennen. Wir vermuten, dass es eine genetische Veranlagung gibt und auch Vorerkrankungen eine Rolle spielen.“ Vieles sei aber noch unbekannt, so die Forscherin. „Die Krankheit wurde erst in den 1990er-Jahren überhaupt erkannt – und in ihrer Schwere auch lange unterschätzt. Da sind weiterhin Forschung und Studien nötig, um die Krankheit zu verstehen – und eine Behandlung zu entwickeln.“