Welche Brustschmerzen weisen auf Herzprobleme hin?

Wenn die Brust schmerzt, denkt jeder zuerst an einen Herzinfarkt. Das ist gut so! Die Schmerzen können aber auch auf verschiedene andere lebensbedrohliche Erkrankungen hinweisen, so dass unklare Brustbeschwerden dringend ärztlich abgeklärt werden sollten. Bei welchen Symptomen man den Notruf wählen sollte und wann der Schmerz eher ein Fall für Hausärztin oder Hausarzt ist.

Von Kerstin Kropac

 

03.11.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock/bilja247

Brustschmerzen können ein Zeichen für Herzkrankheiten sein – bis hin zu einem Infarkt. Es wird aber davon ausgegangen, dass Brustschmerzen nur in 20 bis 25 Prozent der Fälle durch eine Herzkrankheit verursacht werden. Ein Grund zur Entwarnung ist das keinesfalls, denn auch andere Erkrankungen, die für Brustschmerzen sorgen, können kritisch sein. Deshalb sollten Brustschmerzen immer von einer Ärztin oder einem Arzt abgeklärt werden. Denn für den Laien ist nicht erkennbar: Ist ein Brustschmerz lebensbedrohlich oder nicht?

 

Für eine sichere Diagnose sind bei unklaren Brustschmerzen viele verschiedene Schritte nötig – wie die Anamneseerhebung, die körperliche Untersuchung und die Wahl der apparativen Verfahren. „Leider erleben wir immer wieder Menschen, die mit einer kardialen Erkrankung oder sogar einem Herzinfarkt viel zu spät zu uns kommen, weil sie erst Google befragen oder ihre neue Smartwatch, anstatt einfach schnell den Notruf zu wählen“, berichtet Prof. Elsässer, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin am Klinikum Oldenburg.

 

Wann deutet ein Brustschmerz auf einen Herzinfarkt hin?

Beim akuten Koronarsyndrom, also der lebensbedrohlichen Phase einer koronaren Herzkrankheit, kann der Brustschmerz plötzlich und aus dem vollkommenen Wohlbefinden auftreten. Oft wird er als vernichtend beschrieben. Der Schmerz kann in den Arm, Bauch, Rücken und Hals ausstrahlen. Und das Entscheidende: er bleibt. „Besteht dieser Schmerz länger als 20 Minuten, muss man immer an einen Herzinfarkt denken“, sagt Prof. Elsässer. „Dann darf man sich nicht ins Bett legen und abwarten. Möglicherweise ist das Herzkranzgefäß nicht nur eingeengt, sondern verschlossen – und wenn ein Herzmuskel länger als sechs Stunden nicht durchblutet wird, stirbt er ab.“ Das Problem: Ist Herzmuskelgewebe erst einmal abgestorben, bildet es sich nicht wieder neu. Deshalb sollten Betroffene in einer solchen Situation sofort reagieren und unbedingt den Notruf wählen! Wichtig zu wissen: Frauen können bei einem Herzinfarkt auch nur Bauch- oder Rückenschmerzen haben oder über Atemnot klagen.

 

Wann handelt es sich bei Brustschmerz um eine Angina Pectoris?

„Bei Durchblutungsstörungen des Herzens tritt ein typischer Brustschmerz auf“, erklärt Prof. Elsässer. „Wir nennen diese Symptomatik Angina Pectoris – und unterscheiden zwischen stabil und instabil.“ Bei der stabilen Angina Pectoris spüren Betroffene dieses Symptom bei körperlichen Belastungen. „Dann kann der Schmerz in der Mitte der Brust oder linksseitig sitzen, er kann in den linken Arm, in den Bauch, Hals oder Rücken ausstrahlen“, erklärt der Kardiologe. Entscheidend ist: Lässt er in Ruhe wieder nach? Dann sollte man in der Folgezeit darauf achten, ob diese Symptomatik bei gleichbleibender Belastung reproduzierbar ist. „Tritt er jedes Mal auf, wenn ich zwei Stockwerke Treppen steige, ist es wahrscheinlich, dass dieser Schmerz die Folge einer Durchblutungsstörung des Herzens ist, verursacht durch eine relevante Verengung der Herzkranzgefäße. Nimmt die Symptomatik zu, schmerzt es beispielsweise schon nach dem ersten Stockwerk oder sogar in Ruhe, kann man davon ausgehen, dass die Situation instabil ist.“ Als grobe Faustregel wurde früher gelehrt: Ist ein Gefäß zu 75 Prozent eingeengt, tritt der Schmerz unter Belastung auf. Ab 95 Prozent kommt es auch in Ruhe zu Beschwerden. Es sollte unbedingt eine Kardiologin oder ein Kardiologe aufgesucht werden.

Porträt von Prof. Albrecht Elsässer, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin – Kardiologie am Klinikum Oldenburg Prof. Albrecht Elsässer, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin – Kardiologie am Klinikum Oldenburg. Bildquelle: Universitätsmedizin Oldenburg

Kann Brustschmerz auch der Vorbote eines Herzinfarktes sein?

Patientinnen und Patienten schildern gelegentlich, dass sie schon Tage oder Wochen vor einem Herzinfarkt eine Brustenge und Atemnot gespürt hätten. „Viele berichten zum Beispiel, dass sie Tage vor ihrem Infarkt nachts mit Schmerzen aufgewacht wären. Die hätten sie aber für eine Verspannung gehalten und versucht weiterzuschlafen – und kurz darauf lagen sie dann mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus“, sagt Prof. Elsässer. „Solche Vorboten können sowohl in Ruhe als auch bei Belastung auftreten. Aber sie sind leider nicht eindeutig. Meist erkennt man erst im Nachhinein die Kausalkette.“ Bei den meisten Menschen kündigt sich der Herzinfarkt nicht an.

 

Wie fühlt sich ein Brustschmerz durch Herzprobleme an?

Wie sich der Schmerz anfühlt, hängt von seiner Ursache, aber auch von der individuellen Wahrnehmung ab. „Der akute Ereignisschmerz beim Herzinfarkt, der Vernichtungsschmerz, wird häufig als extrem drückend empfunden“, erklärt der Kardiologe. Viele Betroffene beschreiben ein Gefühl, als würde auf ihrer Brust ein Elefant sitzen oder ein Ring ihre Brust zuschnüren. Andere beschreiben den Schmerz als stechend und spitz, als hätte ihnen jemand ein Messer in den Brustkorb gerammt. „Die Wahrnehmung von Schmerz ist sehr unterschiedlich, insbesondere auch zwischen Mann und Frau. Aber – und das ist wichtig – in der Regel ist das ein eher großflächiger Schmerz und kein punktueller.“

 

Liegt beim sogenannten Vernichtungsschmerz immer ein Herzinfarkt vor?

„Neben dem Herzinfarkt können auch andere Akut-Erkrankungen einen Vernichtungsschmerz auslösen. So wird zum Beispiel der Schmerz bei Einrissen in der Hauptschlagader, einer sogenannten Aortendissektion, von Betroffenen als vernichtend beschrieben“, sagt Prof. Elsässer. Ein möglicher Auslöser einer Aortendissektion ist eine Blutdruckkrise. Bei gesunden Menschen liegt der Blutdruck in Ruhe bei etwa 120 bis 140 mmHg. Steigt dieser Wert innerhalb weniger Minuten oder Stunden auf Werte über 220 mmHg an – und kommt das immer wieder vor –, kann das lebensbedrohliche Auswirkungen haben. Auch hier gilt: Sofort den Notruf wählen!

 

Können auch andere Herzprobleme Brustschmerzen auslösen?

Es gibt verschiedene Herzprobleme, die zu Brustschmerzen führen können. „Ist zum Beispiel die Herzleistung als Folge einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) eingeschränkt, spüren die Patienten häufig eine Kombination verschiedener Symptome“, sagt Prof. Elsässer. „Also nicht nur die typische Angina Pectoris, sondern begleitend eine Atemnot, Leistungsminderung, Müdigkeit und das Gefühl von Erschöpfung.“ Auch bei Herzklappenfehlern, zum Beispiel einer Aortenstenose, einer Verengung der Aortenklappe, können Brustschmerzen auftreten – häufig verbunden mit Atemnot. Herzrhythmusstörungen können ebenfalls häufig zu solchen Beschwerden führen. „Das Symptom Brustschmerz deutet – wenn das Herz der Auslöser ist – meist auf eine Dysbalance zwischen dem Sauerstoffbedarf des Herzens und dem Sauerstoffangebot hin“, erklärt der Herzexperte.

 

Welche Schmerzen verursacht eine Herzmuskelentzündung?

Bei einer Herzmuskelentzündung klagen die Betroffenen über ein allgemeines körperliches Krankheitsgefühl. Sie fühlen sich kraftlos und erschöpft. „Die Schmerzen sind in der Regel eher diffus“, sagt Prof. Elsässer. „Der Druck, die sogenannte Angina Pectoris, kann zwar auftreten, weil auch bei einer Entzündung der Herzmuskel betroffen ist und die Zellen absterben können. Aber dieser Schmerz ist in der Regel bei Weitem nicht so massiv wie beispielsweise beim akuten Herzinfarkt.“

 

Welche Ursache hat ein Stechen in der Herzgegend?

Zeigt eine Patientin oder ein Patient mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte, umschriebene Stelle am Brustkorb und sagt: „Mir tut es genau hier weh – unabhängig von Belastungen“, dann weiß Prof. Elsässer: Das ist in der Regel kein Herzschmerz. Stattdessen kommt dieser Schmerz eher aus dem Bewegungsapparat oder von den Muskeln. „An den Rippen setzen eine Vielzahl von Muskeln an“, erklärt der Kardiologe. „Das sind zum Beispiel Brust-, Rücken-, Arm-, Hals- und Bauchmuskeln. Kommt es hier zu Beschwerden, kann sich das durchaus wie ein Stechen des Herzens anfühlen.“ Diese häufige Form der Brustschmerzen wird auch als Brustwandsyndrom bezeichnet.

 

Weist ein Druckgefühl in der Brust immer auf ein Herzproblem hin?

„Ein Druckgefühl im Brustraum kann verschiedene Ursachen haben“, sagt der Kardiologe. „Zum Beispiel kann ein Reflux, das Aufsteigen von Magensäure in die Speiseröhre, diese Schmerzen verursachen. Oder ein sogenanntes Divertikel, eine Ausstülpung in der Speiseröhre.“ Patientinnen und Patienten mit einer Entzündung in der Lunge können ebenfalls über Druck im Brustbereich klagen. „Das ist häufig ein permanenter Schmerz, der allerdings im gesamten Bereich des Brustkorbs auftreten kann, dabei muss man aber auch an eine Lungenembolie denken“, sagt Prof. Elsässer. 

Eine Tabelle zeigt die häufigsten Ursachen für Brustschmerzen. Ursachen des Brustschmerzes. Quelle: Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK Version 6

Kann man allein durch die Beschreibung des Schmerzes eine Diagnose stellen?

Jeder Mensch hat eine sehr subjektive Schmerzwahrnehmung und Schmerzinterpretation. „Wir erleben zum Beispiel Leute mit mittelstarken Schmerzen, die sich durch den Faktor Angst aber verstärken, sodass die Menschen ihn viel intensiver wahrnehmen“, sagt Prof. Elsässer. „Oder jemand war immer gesund und nimmt seinen Schmerz deshalb nicht ernst, sondern wartet darauf, dass er von allein wieder verschwindet – und dann stellt man irgendwann fest: Das ist ein Infarkt. Die Variationsbreite ist bei allen Menschen so unterschiedlich, dass wir uns nicht allein auf die Bewertung des Schmerzes verlassen dürfen, sondern vielmehr eine ausführliche Anamneseerhebung mit gezielten Fragen und eine körperliche Untersuchung durchführen sollten. Es gilt die Regel: 80 Prozent aller Diagnosen können durch die anamnestischen Angaben gestellt werden.“

 

Mit welchen Untersuchungen kann man bei Brustschmerzen die richtige Diagnose stellen?

„Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Es stellt sich ein Patient mit stabiler Angina-Pectoris-Symptomatik vor. Er ist Diabetiker und hat eine Fettstoffwechselstörung. Dazu kommt: Dieser Patient raucht, hat auch einen hohen Blutdruck und ist massiv übergewichtig. Beim Belastungs-EKG zeigt sich, dass die Brustschmerzen schon bei geringer Anstrengung auftreten. Und im Ultraschall sehen wir Wandbewegungsstörungen am Herzen“, sagt Prof. Elsässer. „Dann ist für uns klar: Dieser Patient hat eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels. Um die Genauigkeit der Diagnose zu steigern, kann man weitere Untersuchungen durchführen: zum Beispiel eine Stress-Echo-Kardiographie und ein Stress-MRT. „Da es sich aber um einen Hochrisikopatienten handelt, ist das entscheidende Diagnostikum die Herzkatheteruntersuchung, weil hierbei der Grad und die Struktur der Verengungen bestimmt werden kann. Ebenso die sogenannte hämodynamische Relevanz, also: Wie stark beeinflusst die Verengung den Blutfluss? Daraus ergibt sich dann das Therapiekonzept.“

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