Herzmythen im Check: Schadet Fernsehen wirklich dem Herzen?

Manche trinken Rotwein, um ihr Herz zu stärken. Andere verzichten auf Kaffee, um es nicht zu belasten. Und langes Fernsehen soll angeblich aufs Herz schlagen. Rund um die Herzgesundheit kursieren sehr viele Mythen. Welche stimmen? Und welche kann man getrost vergessen?

Von Kerstin Kropac

 

04.08.2023

Bildquelle (Bild oben): iStock / Dusan Ladjevic 

Wenn es um die Herzgesundheit geht, herrscht oft große Unsicherheit. Und beim Besuch in der kardiologischen Praxis ist häufig nicht genug Zeit, um alle Fragen zu stellen. Deshalb klärt Herzmedizin.de über populäre Herzmythen auf – was ist Fakt und was ist Irrtum?

Mythos: Wer vorbeugend Aspirin einnimmt, schützt sich vor einem Herzinfarkt

Fakt ist: Aspirin (Acetylsalicylsäure oder ASS) wirkt blutverdünnend und kann so der Entstehung von Gerinnseln vorbeugen. „Deshalb hat man lange Zeit gedacht, dass eine tägliche Einnahme auch gesunde Menschen vor einem Herzinfarkt schützen könnte“, sagt Dr. Heribert Brück, Kardiologe in Erkelenz. „Mittlerweile empfiehlt man das wegen der möglichen Nebenwirkungen aber nicht mehr.“ Mit einer regelmäßigen Aspirin-Einnahme steigt auch das Risiko für innere Blutungen. „Patientinnen und Patienten, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten oder einen Stent eingesetzt bekommen haben, sollten dagegen zwingend Aspirin oder ein vergleichbares Präparat einnehmen, um die Herzgefäße durchgängig zu halten“, sagt der Kardiologe. Bei diesen Patientengruppen überwiegt der Nutzen der Einnahme das mögliche Risiko.

Mythos: Menschen mit einer Herzschwäche müssen sich schonen

Fakt ist: Früher riet man Patientinnen und Patienten mit einer Herzschwäche, sich zu schonen, aber aktuelle Studien zeigen: Selbst Menschen mit einer fortgeschrittenen Herzmuskelschwäche können durch Bewegung ihre Leistungsfähigkeit um bis zu 25 Prozent verbessern und sogar Krankenhausaufenthalte verhindern. „Je nach Ausprägung der Krankheit können die Betroffenen spazieren gehen, walken, Fahrrad fahren, vielleicht auch Wassergymnastik machen oder schwimmen“, sagt Kardiologe Dr. Brück. „Allerdings sollte sich keiner überfordern. Ideal sind Herzsportgruppen unter ärztlicher Betreuung.“ Wichtig zu wissen: Man sollte regelmäßig trainieren – spätestens nach vier Wochen ist der positive Effekt sonst wieder verpufft.

 

Mythos: Nur Ältere können eine Herzschwäche entwickeln

Fakt ist: Die Herzschwäche betrifft vor allem ältere Menschen – das bedeutet aber nicht, dass nur die Älteren diese Krankheit bekommen. „Junge können beispielsweise nach einer überstandenen Herzmuskelentzündung oder nach einem Herzinfarkt eine Herzschwäche entwickeln“, sagt Dr. Brück. „Daher muss man auch bei jungen Patientinnen und Patienten immer an eine Herzschwäche denken, wenn sie über Beschwerden wie Leistungsschwäche oder Luftnot klagen.“ Im Alter steigt die Wahrscheinlichkeit einer Herzschwäche. Studien zeigen: Bei den 75- bis 85-jährigen Männern erkranken jedes Jahr 20 Prozent daran, bei den 95-Jährigen ist bereits jeder Zweite betroffen.

 

Mythos: Die Ehefrau ist der beste Schutz fürs Männerherz

Fakt ist: Laut Studien hängt es vom Zustand der Ehe ab, ob eine Frau ein guter Schutz fürs Männerherz ist. Verheiratete sterben zwar seltener am Herzinfarkt als Singles – das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Unglückliche Ehen erhöhen aber das Risiko für Herzkrankheiten – und das ebenfalls bei beiden Geschlechtern. „Statistisch lässt sich die Aussage, dass Ehefrauen der beste Schutz für Männerherzen sind, also nicht sicher untermauern“, sagt Dr. Brück. „Was wir in der Praxis aber erleben, ist, dass Frauen häufiger Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Und wenn man einen Mann fragt: ‚Was führt sie denn zu uns?‘, dann heißt es oft: ‚Meine Frau schickt mich.‘ Dadurch ist dann wahrscheinlich doch ein gewisser Schutzfaktor gegeben.“

Dr. Heribert Brück Dr. Heribert Brück, niedergelassener Kardiologe aus Erkelenz und Sprecher des Bundesverbandes niedergelassener Kardiologen (BNK). Bildquelle: privat

Mythos: Herzstechen ist gefährlich

Fakt ist: Ein Stechen im Brustkorb ist in den meisten Fällen ganz harmlos. „Tatsächlich kommen regelmäßig besorgte Patientinnen und Patienten zu uns in die Praxis und klagen über ein Stechen in der Brust. Aber in über 90 Prozent der Fälle hat das gar nichts mit dem Herz zu tun“, sagt der Kardiologe. Die häufigste Ursache ist ein orthopädisches Problem wie eine Muskelverspannung, die dann auf das Herz projiziert wird.

 

Mythos: Der Herzmuskel kann einen Muskelkater bekommen

Fakt ist: Einen Muskelkater, wie man ihn beispielsweise aus Armen oder Beinen kennt, gibt es im Herzen nicht. Diese typischen Schmerzen treten ausschließlich bei der Überbeanspruchung von Skelettmuskulatur auf, die für willentlich ausgeführte Bewegungen zuständig ist. Diese Muskulatur ist quergestreift, sie besteht aus verschiedenen Muskelfasern. Man geht davon aus, dass der Muskelkaterschmerz durch sehr kleine Muskelfaserrisse ausgelöst wird. „Der Herzmuskel hat dagegen eine Struktur, die dafür geschaffen ist, ohne Unterbrechung zu arbeiten – und ohne Muskelkater“, erklärt Dr. Brück.

 

Mythos: Das Herz kann vor Kummer brechen

Fakt ist: Wenn Kummer das Herz überfordert, kann der Herzmuskel wie gelähmt sein! Dann pumpt er kaum noch Blut und bläht sich auf wie ein Ballon – im schlimmsten Fall kann dieses sogenannte Broken-Heart-Syndrom sogar zum Tod führen. Die Symptome sind fast identisch mit denen eines Herzinfarktes. „Dann werden die Leute in die Notaufnahme eingeliefert – und erst bei der Herzkatheteruntersuchung stellt man fest, dass – anders als beim Herzinfarkt – kein Herzkranzgefäß verschlossen ist“, sagt Dr. Brück. „Auslöser eines Broken-Heart- oder auch Takotsubo-Syndroms ist emotionaler Stress, beispielsweise durch den Tod eines nahen Angehörigen oder eines Hundes. Bei einem meiner Patienten war es ein Einbruch, der das Syndrom ausgelöst hat“, sagt Dr. Brück. Was genau dabei im Herz passiert, weiß man noch nicht. Man vermutet, dass die Stresshormone eine Rolle spielen.

 

Mythos: Jeder Herzinfarkt tut weh

Fakt ist: „Bemerkbar macht sich ein Herzinfarkt durch länger als fünf Minuten anhaltende starke Schmerzen im Brustbereich, die häufig auch in andere Regionen ausstrahlen, zum Beispiel in die Arme, den Kiefer oder den Oberbauch“, sagt Dr. Brück. „Diese Schmerzen sind eher dumpf. Die Betroffenen spüren ein starkes Druckgefühl oder Brennen, viele sprechen von einem Vernichtungsschmerz.“ Dann sollte sofort der Notruf 112 gerufen werden! „Es gibt aber auch Patientinnen und Patienten, die keine oder kaum Schmerzen haben – dort wird der Herzinfarkt manchmal erst sehr viel später durch Zufall entdeckt“, sagt der Kardiologe. „Und Frauen zeigen häufig Grippe-ähnliche Symptome. Da gilt: Lieber einmal zu häufig den Notruf wählen – als einmal zu wenig.“

 

Mythos: Nach einem Herzinfarkt dürfen Betroffene keinen Sex mehr haben

Fakt ist: Viele Patientinnen und Patienten haben große Angst, nach einem Herzinfarkt oder mit einer diagnostizierten Herzschwäche Sex zu haben. „Aber da wird die Belastung überschätzt – der Puls steigt beim Sex nicht so stark an, dass es gefährlich werden könnte“, sagt Dr. Brück. „Meist erkläre ich meinen Patientinnen und Patienten etwas salopp: Wer ein Stockwerk hochgehen kann, der hat auch beim Sex keine Probleme zu erwarten.“

 

Mythos: Rotwein schützt das Herz

Fakt ist: Eine französische Studie hat gezeigt, dass Rotwein die Herzinfarktrate senkt. „Diese französische Studie hat aber leider einige Schwächen. So wurde zum Beispiel nicht untersucht, ob der positive Effekt wirklich durch den Wein ausgelöst wird – oder ob die französischen Rotweintrinker insgesamt entspannter und dadurch herzgesünder leben“, erklärt Dr. Brück. Andere Untersuchungen kommen zu deutlich negativeren Ergebnissen: Demnach erhöht ein regelmäßiger Alkoholkonsum zum Beispiel das Risiko für Vorhofflimmern. „Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten einen sehr gemäßigten Genuss von Alkohol und regelmäßige alkoholfreie Tage“, sagt der Kardiologe.

 

Mythos: Das Herz schlägt schneller, wenn man verliebt ist

Fakt ist: Es ist egal, ob man sich über irgendetwas ärgert oder freut – der Körper reagiert immer gleich und erhöht die Herzfrequenz. „Man kann sagen, dass unser Herz bei jeder emotionalen Reaktion schneller schlägt“, sagt Dr. Brück. „Das zeigt sich auch in der Praxis: Selbst bei entspannten Patientinnen und Patienten sind Herzfrequenz und Blutdruck immer höher als zu Hause.“ Das ist aber vollkommen harmlos und möglicherweise ähnlich wie beim Sport. „Beim Sport wird die Herzfrequenz zum Beispiel auch erhöht. Trotzdem haben Sportlerinnen und Sportler am Ende des Tages weniger Herzschläge als Menschen, die keinen Sport treiben, weil ihr Grundpuls ruhiger ist“, erklärt der Herzmediziner.

 

Mythos: Fernsehen schadet dem Herzen

Fakt ist: Verschiedene Studien zeigen: Je länger man am Tag fernsieht, desto höher ist das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. In einer aktuellen Untersuchung kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass bei Menschen, die weniger als eine Stunde vor dem Fernseher verbringen, das Risiko besonders gering ist. Ab vier Stunden steigt es dagegen deutlich an. „Dieser Effekt lässt sich aber umkehren, indem man während seiner Lieblingsserie Sport treibt“, sagt Dr. Brück. „Vor meinem Fernseher steht zum Beispiel ein Crosstrainer – und das empfehle ich auch meinen Patientinnen und Patienten.“

 

Mythos: Herzkranke dürfen keinen Kaffee trinken

Fakt ist: Früher wurde Menschen mit Herzproblemen davon abgeraten, Kaffee zu trinken – heute weiß man: Wer schon immer zwei bis drei Tassen Kaffee am Tag getrunken hat, darf das weiterhin. Einige Studien zeigen sogar, dass der Konsum von drei bis fünf Tassen am Tag einen durchaus positiven Effekt auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben kann. „Wer es allerdings nicht gewohnt ist, Kaffee zu trinken, sollte vorsichtig sein“, sagt Dr. Brück. „Dann können durch den Koffein-Konsum Blutdruck und Herzfrequenz steigen.“

 

Mythos: Der Bauchumfang verrät das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Fakt ist: Für die Herzgesundheit ist tatsächlich der Bauchumfang aussagekräftiger als das Gewicht, da das Bauchfett sehr stoffwechselaktiv ist und Entzündungsreaktionen im Körper begünstigt. Gleichzeitig steigt auch das Risiko für eine Diabetes-Erkrankung und erhöhte Cholesterinwerte –eine weitere Belastung für das Herz. „Bei Männern gilt ab einem Umfang von 102 Zentimetern das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als stark erhöht. Bei Frauen ab 88 cm“, sagt Dr. Brück.

 

Mythos: Spaziergänge genügen, um das Herz zu schützen

Fakt ist: Kardiologen empfehlen vier- bis fünfmal pro Woche eine halbe Stunde Bewegung bei mittlerer Intensität – das heißt: Man muss sich nicht verausgaben! Als gutes Herz-Training gilt auch schnelles Spazieren. „Die Menschen sollten dabei auf das eigene Befinden achten: Sie sollten sich noch unterhalten können“, sagt Dr. Brück. In den USA wurden für eine Studie zwei Gruppen miteinander verglichen. Die eine ist jeden Tag etwa drei Kilometer spazieren gegangen. Die andere nicht. Das Ergebnis: Die Sterberate war bei den Nicht-Spazierern doppelt so hoch. „Ich sage meinen Patientinnen und Patienten immer: ‚Jede Art der Bewegung ist gut fürs Herz.‘ Hauptsache, man tut überhaupt etwas“, so der Kardiologe.

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