Zahnprobleme können das Risiko erhöhen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Nicht nur deshalb ist die Zahngesundheit ein wichtiger Faktor, um gefährlichen Herzkrankheiten vorzubeugen.
Zahnprobleme können das Risiko erhöhen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Nicht nur deshalb ist die Zahngesundheit ein wichtiger Faktor, um gefährlichen Herzkrankheiten vorzubeugen.
Bildquelle (Bild oben): iStock / svetikd
Von Kerstin Kropac
22.06.2023
Es ist ein Zusammenhang, der auf den ersten Blick überrascht: Die schwedische PAROKRANK-Kohortenstudie hat gezeigt, dass Menschen mit einer bakteriellen Entzündung des Zahnhalteapparats (Parodontitis) ein fast doppelt so hohes Risiko haben, in den nächsten sechs Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, als Personen mit einer guten Zahngesundheit. Auch das Risiko für Bluthochdruck, Herzmuskelentzündungen und Herzklappenprobleme ist erhöht. Woran liegt das? Warum ist ein entzündungsfreier Mundraum so wichtig für das Herz?
Die klassischen Risikofaktoren für Herzinfarkte sind seit vielen Jahrzehnten bekannt: Dazu gehören Rauchen, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes, körperliche Inaktivität, familiäre Vorbelastung ... „Aber wir erleben auch immer wieder Menschen, die früh einen Herzinfarkt oder eine koronare Herzerkrankung erleiden, obwohl sie keine klassischen Risikofaktoren aufweisen“, sagt Prof. Sebastian Kerber, Chefarzt und Ärztlicher Direktor am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt. „Bei ihnen hat man festgestellt, dass sie häufig unter parodontalen Erkrankungen leiden, also unter chronischen Entzündungen des Zahnfleisches.“
„Manchmal haben wir junge Patientinnen und Patienten – das heißt für uns: vor dem 50. Lebensjahr – mit einer koronaren Herzkrankheit ohne die typischen Risikofaktoren wie Diabetes, Rauchen oder hohe LDL-Cholesterinwerte“, sagt Prof. Kerber. „Diesen Betroffenen empfehlen wir immer, einen speziellen Fettstoffwechselparameter – das LP(a) – zu bestimmen, der mit einer vorzeitigen Atherosklerose der Koronargefäße einhergeht. Außerdem raten wir dazu, sich auch zahnmedizinisch untersuchen zu lassen.“ In den USA gibt es sogar die Überlegung, ein Screening-Programm einzuführen, bei unklarem Herzinfarkt oder vorzeitiger, nicht erklärbarer koronarer Herzerkrankung den Zustand des Zahnhalteapparates zu erheben – so will man weitere Herzereignisse verhindern.
Eine Zahnentzündung kann nicht direkt einen Herzinfarkt auslösen, scheint aber die Entstehung der Atherosklerose – der Erkrankung, die zu Gefäßverschlüssen führt – zu begünstigen. „Derzeit geht man davon aus, dass die Entzündung im Zahnfleisch-Bereich startet und dann über Botenstoffe in den Herzkrankgefäßen die Neigung zur Plaquebildung erhöht – es entstehen also die gefürchteten Ablagerungen in den Gefäßen“, sagt Prof. Kerber. „Diese Ablagerungen – oder Plaques – haben genau wie die parodontalen Erkrankungen den Charakter einer chronischen Entzündung. Reißen die Plaques auf, bildet sich ein Blutgerinnsel, das Gefäß verstopft – und der Betroffene erleidet einen Herzinfarkt“, erklärt der Kardiologe.
Es konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass durch Entzündungen im Mundraum auch das Risiko für Bluthochdruck (Hypertonie) steigt. Außerdem wissen wir, dass Herzmuskelentzündungen durch Infektionen im Mund-Rachen-Raum negativ beeinflusst werden können. „Auch diesen Patientinnen und Patienten raten wir zum Zahncheck. Ebenso Patientinnen und Patienten mit Herzklappenfehlern“, sagt der Kardiologe.
„Bei gesunden Menschen ohne Klappenfehler werden Entzündungskeime aus dem Mundbereich vom Immunsystem eliminiert“, sagt Prof. Kerber. Hat eine Patientin oder ein Patient aber die raue Oberfläche einer veränderten Aorten- oder Mitralklappe, können sich dort leicht Keime anlagern und die Klappen zerstören. „Patientinnen und Patienten mit ausgeprägter Klappenveränderung sollten daher immer eine Antibiotika-Therapie bekommen, wenn ihnen ein Eingriff bevorsteht, bei dem es zu einer vermehrten Ausschwemmung von Bakterien kommt – zum Beispiel, wenn ein entzündeter Backenzahn gezogen wird“, sagt der Kardiologe. Diese vorbeugende Antibiotika-Therapie steht auch in den Leitlinien der DGK.
Bei Patientinnen oder Patienten, bei denen eine nicht einwandfrei funktionierende Herzklappe durch eine neue ersetzt werden soll, ist es wichtig, eventuell vorhandene Entzündungen im Mund-Rachen-Bereich vor dem Eingriff zu behandeln. „Wenn ich eine Klappe entferne, zirkuliert sehr viel Blut im Körper, sodass sich die Keime aus der Blutbahn leicht auf die neue Klappe setzen können“, sagt der Herzexperte. „Gerade biologische Klappen sind sehr anfällig dafür, dass sich dort Keime festsetzen. Deshalb schicken wir auch diese Patientinnen und Patienten in der Regel vor dem Klappen-Eingriff zu einer zahnärztlichen Untersuchung.“
Laut der Bundeszahnärztekammer haben in Deutschland etwa 10 Millionen Erwachsene eine schwere parodontale Erkrankung. Meist entwickelt sie sich schleichend und schmerzlos. „Wir erleben auch regelmäßig Patientinnen und Patienten mit stark entzündeten Zähnen ohne ausgeprägte Schmerzen“, sagt Prof. Kerber. „Um das Herz zu schützen, sollte man deshalb die zahnmedizinischen Kontrolluntersuchungen regelmäßig wahrnehmen – und das gilt ganz besonders für Menschen mit Herzproblemen.“