Viele wissen inzwischen, dass der weibliche Herzinfarkt andere Symptome zeigen kann als der Herzinfarkt beim Mann. Manche wissen auch, dass Frauenherzen kleiner sind und schneller schlagen. Aber kaum jemand weiß, was das für Frauen bedeutet. Die Gendermedizinerin Dr. Ute Seeland hat für Herzmedizin.de elf Untersuchungen zusammengestellt, die jede Frau kennen sollte – für eine bessere Herzgesundheit.
Studie 1: Es sterben mehr Frauen als Männer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Laut der Todesursachenstatistik von 2021 sind insgesamt 340.619 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorben – davon waren 47 Prozent Männer und 53 Prozent Frauen. „Trotzdem wird das noch immer anders wahrgenommen“, sagt Dr. Seeland. „Vor einigen Jahren hat Forsa eine Umfrage durchgeführt. Dafür sind über 1.000 Frauen gefragt worden: ‚Haben Frauen oder Männer ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen?‘ Etwa drei Viertel der Frauen vermuteten, dass Männer das höhere Risiko hätten. Dann wurde gefragt: ‚Was ist die Haupttodesursache von Frauen in Deutschland?‘ Da kam eindeutig als Antwort: ‚Krebs.‘“ Tatsächlich ist es bei beiden Fragen umgekehrt: Frauen haben ein höheres Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Dafür sterben mehr Männer als Frauen an Krebs. „Diese falsche Wahrnehmung führt dazu, dass Frauen ihr Herzrisiko unterschätzen“, sagt die Gendermedizinerin. Das kann zur Folge haben, dass Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen, Symptome falsch gedeutet und eine verordnete Therapie nicht konsequent umgesetzt wird.
Studie 2: Erhöhter Taillenumfang kann Hinweis auf Herzschwäche sein
Ein erhöhter Taillenumfang kann laut einer Studie auf eine Herzschwäche hinweisen. „Bei postmenopausalen Frauen – also nach dem Eintritt der Wechseljahre – wäre es hilfreich, wenn Hausärztinnen und Hausärzte den Taillenumfang und die Pulswellengeschwindigkeit ihrer Patientinnen messen würden“, sagt Dr. Seeland. „Denn bei abweichenden Messungen ist die Wahrscheinlichkeit einer diastolischen Herzinsuffizienz erhöht. Dann sollten die Frauen an eine kardiologische Praxis überwiesen werden.“ Gerade Frauen mit sehr viel Bauchfett sind gefährdet, diese besondere Form der Herzschwäche zu entwickeln. Dann pumpt das Herz zwar noch kräftig, die Dehnbarkeit des Herzens ist aber so stark eingeschränkt, dass trotzdem nicht ausreichend Blut durch den Körper transportiert werden kann. Laut Studien gilt ein Bauchumfang von mehr als 88 cm als Übergewicht.
Studie 3: Übergewicht ist für Frauenherzen besonders gefährlich
Für die sogenannte Framingham Heart Study wird die Bevölkerung der amerikanischen Stadt Framingham seit 1948 systematisch untersucht. Es geht darum, herauszufinden, welche Risikofaktoren das Entstehen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) und Artherosklerose besonders stark begünstigen. Dafür werden die Menschen – mittlerweile in der dritten Generation – systematisch untersucht: Wer raucht? Wie hoch sind Cholesterin-, Blutdruck- und Blutzuckerwerte? Und: Wie hoch ist das Gewicht? „Dabei hat man festgestellt: Das Risiko einer KHK ist bei Männern mit Übergewicht um 46 Prozent erhöht. Bei Frauen ist das Risiko sogar 64 Prozent höher“, berichtet Dr. Seeland. Das heißt: Für Frauen ist es für die Herzgesundheit noch viel wichtiger, Übergewicht zu vermeiden.
Studie 4: Eine Fehlgeburt kann spätere Schlaganfälle ankündigen
„Die Zeit der Schwangerschaft ist immer eine Art Testphase der arteriellen Gefäßgesundheit bei Frauen“, sagt Dr. Seeland. So sind beispielsweise wiederholte Fehlgeburten ein Hinweis auf ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko: Studien zeigen, dass Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, ein um 11 Prozent höheres Risiko für einen nicht tödlichen Schlaganfall haben. Unfruchtbarkeit ist mit einem erhöhten Risiko von 14 Prozent für nicht tödliche Schlaganfälle verbunden. „Ich frage meine Patientinnen daher immer nach ihren Schwangerschaften und weise auf das erhöhte Risiko für nicht tödliche Schlaganfälle – da liegt das Durchschnittsalter bei 63 Jahren – und tödliche Schlaganfälle – Durchschnittsalter: 71 Jahre – hin, um das Bewusstsein für diese gefährliche Krankheit zu schärfen.“ In Deutschland sterben mehr Frauen an einem Schlaganfall als Männer. „Mögliche Ursachen sind hormonelle Schwankungen und Stressreaktionen, die auf die Endothelschicht weiblicher Gefäße wirken – da ist derzeit aber noch sehr viel Forschung nötig“, sagt die Gendermedizinerin.
Studie 5: Hohes Risiko einer koronaren Herzkrankheit nach Frühgeburt
Schwangerschaftskomplikationen scheinen bei betroffenen Müttern auch das Langzeitrisiko für eine koronare Herzkrankheit zu erhöhen. Forschende aus Toronto haben Frauen ohne bekannte Herzkrankheiten neun Jahre nach dem Auftreten einer sogenannten Präeklampsie untersucht. Eine Präeklampsie ist eine Krankheit, die unter anderem für einen gefährlichen Blutdruckanstieg während der Schwangerschaft sorgt. Das Ergebnis: Doppelt so viele dieser Frauen entwickelten eine koronare Herzkrankheit (KHK) im Vergleich zu Frauen ohne Präeklampsie. Hatten die Frauen zudem eine Frühgeburt erlitten, war ihr Risiko für eine KHK sogar etwa dreimal höher. „Außerdem sorgt eine Präeklampsie für ein mindestens dreifach erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall“, sagt Dr. Seeland. „Und das gilt nicht nur für die Zeit unmittelbar danach – auch das Langzeitrisiko ist im Vergleich zu Frauen mit einer komplikationslosen Schwangerschaft erhöht.“
Studie 6: Frauen haben höheres Risiko von Organschäden durch Bluthochdruck
Studien zeigen, dass Frauen ein größeres Risiko haben, dass die Organe durch einen hohen Blutdruck Schaden nehmen. „Frauen haben lange Zeit ihres Lebens niedrigere Blutdruckwerte als Männer“, sagt Dr. Seeland. Während Männer häufig schon vor dem 60. Lebensjahr einen Bluthochdruck entwickeln, betrifft das Frauen meist später: Erst ab einem Alter von 65 Jahren leiden genauso viele Frauen daran wie Männer. „Der altersbedingte Anstieg fällt bei Frauen also steiler aus“, sagt Dr. Seeland. „In der Folge ihres Bluthochdrucks entwickeln sie häufiger eine Herzschwäche oder erleiden sogar ein schweres Ereignis – wie einen Schlaganfall. Umso wichtiger ist es, einen erhöhten Blutdruck mit Medikamenten zu normalisieren.“ Wichtig zu wissen: „Die arterielle Gefäßsteifigkeit der großen Körperarterie, der Aorta, gilt als guter Prädiktor der Herz-Kreislauf-Gesundheit“, erklärt Dr. Seeland. „Eine steifere Gefäßwand führt zu einer schnelleren Pulswellengeschwindigkeit (PWV) und damit zur Erhöhung des Blutdrucks – und die PWV kann gemessen werden.“