Unterschiede zum Mann: Diese Herzstudien sollte jede Frau kennen

Übergewicht, Wechseljahre, Fehlgeburt – Faktoren wie diese können die Herzgesundheit von Frauen deutlich beeinflussen. Die meisten Frauen sind sich der speziellen Risiken für ihr Herz jedoch kaum bewusst. Auf welche Risikofaktoren sie achten sollten und warum Medikamente und Pille eine Rolle für die weibliche Herzgesundheit spielen.

Von Kerstin Kropac

 

07.11.2023

 

Bildquelle (Bild oben): iStock/Riska

Viele wissen inzwischen, dass der weibliche Herzinfarkt andere Symptome zeigen kann als der Herzinfarkt beim Mann. Manche wissen auch, dass Frauenherzen kleiner sind und schneller schlagen. Aber kaum jemand weiß, was das für Frauen bedeutet. Die Gendermedizinerin Dr. Ute Seeland hat für Herzmedizin.de elf Untersuchungen zusammengestellt, die jede Frau kennen sollte – für eine bessere Herzgesundheit.

 

Studie 1: Es sterben mehr Frauen als Männer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Laut der Todesursachenstatistik von 2021 sind insgesamt 340.619 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorben – davon waren 47 Prozent Männer und 53 Prozent Frauen. „Trotzdem wird das noch immer anders wahrgenommen“, sagt Dr. Seeland. „Vor einigen Jahren hat Forsa eine Umfrage durchgeführt. Dafür sind über 1.000 Frauen gefragt worden: ‚Haben Frauen oder Männer ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen?‘ Etwa drei Viertel der Frauen vermuteten, dass Männer das höhere Risiko hätten. Dann wurde gefragt: ‚Was ist die Haupttodesursache von Frauen in Deutschland?‘ Da kam eindeutig als Antwort: ‚Krebs.‘“ Tatsächlich ist es bei beiden Fragen umgekehrt: Frauen haben ein höheres Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Dafür sterben mehr Männer als Frauen an Krebs. „Diese falsche Wahrnehmung führt dazu, dass Frauen ihr Herzrisiko unterschätzen“, sagt die Gendermedizinerin. Das kann zur Folge haben, dass Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen, Symptome falsch gedeutet und eine verordnete Therapie nicht konsequent umgesetzt wird.

 

Studie 2: Erhöhter Taillenumfang kann Hinweis auf Herzschwäche sein

Ein erhöhter Taillenumfang kann laut einer Studie auf eine Herzschwäche hinweisen. „Bei postmenopausalen Frauen – also nach dem Eintritt der Wechseljahre – wäre es hilfreich, wenn Hausärztinnen und Hausärzte den Taillenumfang und die Pulswellengeschwindigkeit ihrer Patientinnen messen würden“, sagt Dr. Seeland. „Denn bei abweichenden Messungen ist die Wahrscheinlichkeit einer diastolischen Herzinsuffizienz erhöht. Dann sollten die Frauen an eine kardiologische Praxis überwiesen werden.“ Gerade Frauen mit sehr viel Bauchfett sind gefährdet, diese besondere Form der Herzschwäche zu entwickeln. Dann pumpt das Herz zwar noch kräftig, die Dehnbarkeit des Herzens ist aber so stark eingeschränkt, dass trotzdem nicht ausreichend Blut durch den Körper transportiert werden kann. Laut Studien gilt ein Bauchumfang von mehr als 88 cm als Übergewicht.

 

Studie 3: Übergewicht ist für Frauenherzen besonders gefährlich

Für die sogenannte Framingham Heart Study wird die Bevölkerung der amerikanischen Stadt Framingham seit 1948 systematisch untersucht. Es geht darum, herauszufinden, welche Risikofaktoren das Entstehen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) und Artherosklerose besonders stark begünstigen. Dafür werden die Menschen – mittlerweile in der dritten Generation – systematisch untersucht: Wer raucht? Wie hoch sind Cholesterin-, Blutdruck- und Blutzuckerwerte? Und: Wie hoch ist das Gewicht? „Dabei hat man festgestellt: Das Risiko einer KHK ist bei Männern mit Übergewicht um 46 Prozent erhöht. Bei Frauen ist das Risiko sogar 64 Prozent höher“, berichtet Dr. Seeland. Das heißt: Für Frauen ist es für die Herzgesundheit noch viel wichtiger, Übergewicht zu vermeiden.

 

Studie 4: Eine Fehlgeburt kann spätere Schlaganfälle ankündigen

„Die Zeit der Schwangerschaft ist immer eine Art Testphase der arteriellen Gefäßgesundheit bei Frauen“, sagt Dr. Seeland. So sind beispielsweise wiederholte Fehlgeburten ein Hinweis auf ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko: Studien zeigen, dass Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, ein um 11 Prozent höheres Risiko für einen nicht tödlichen Schlaganfall haben. Unfruchtbarkeit ist mit einem erhöhten Risiko von 14 Prozent für nicht tödliche Schlaganfälle verbunden. „Ich frage meine Patientinnen daher immer nach ihren Schwangerschaften und weise auf das erhöhte Risiko für nicht tödliche Schlaganfälle – da liegt das Durchschnittsalter bei 63 Jahren – und tödliche Schlaganfälle – Durchschnittsalter: 71 Jahre – hin, um das Bewusstsein für diese gefährliche Krankheit zu schärfen.“ In Deutschland sterben mehr Frauen an einem Schlaganfall als Männer. „Mögliche Ursachen sind hormonelle Schwankungen und Stressreaktionen, die auf die Endothelschicht weiblicher Gefäße wirken – da ist derzeit aber noch sehr viel Forschung nötig“, sagt die Gendermedizinerin.

 

Studie 5: Hohes Risiko einer koronaren Herzkrankheit nach Frühgeburt

Schwangerschaftskomplikationen scheinen bei betroffenen Müttern auch das Langzeitrisiko für eine koronare Herzkrankheit zu erhöhen. Forschende aus Toronto haben Frauen ohne bekannte Herzkrankheiten neun Jahre nach dem Auftreten einer sogenannten Präeklampsie untersucht. Eine Präeklampsie ist eine Krankheit, die unter anderem für einen gefährlichen Blutdruckanstieg während der Schwangerschaft sorgt. Das Ergebnis: Doppelt so viele dieser Frauen entwickelten eine koronare Herzkrankheit (KHK) im Vergleich zu Frauen ohne Präeklampsie. Hatten die Frauen zudem eine Frühgeburt erlitten, war ihr Risiko für eine KHK sogar etwa dreimal höher. „Außerdem sorgt eine Präeklampsie für ein mindestens dreifach erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall“, sagt Dr. Seeland. „Und das gilt nicht nur für die Zeit unmittelbar danach – auch das Langzeitrisiko ist im Vergleich zu Frauen mit einer komplikationslosen Schwangerschaft erhöht.“

 

Studie 6: Frauen haben höheres Risiko von Organschäden durch Bluthochdruck

Studien zeigen, dass Frauen ein größeres Risiko haben, dass die Organe durch einen hohen Blutdruck Schaden nehmen. „Frauen haben lange Zeit ihres Lebens niedrigere Blutdruckwerte als Männer“, sagt Dr. Seeland. Während Männer häufig schon vor dem 60. Lebensjahr einen Bluthochdruck entwickeln, betrifft das Frauen meist später: Erst ab einem Alter von 65 Jahren leiden genauso viele Frauen daran wie Männer. „Der altersbedingte Anstieg fällt bei Frauen also steiler aus“, sagt Dr. Seeland. „In der Folge ihres Bluthochdrucks entwickeln sie häufiger eine Herzschwäche oder erleiden sogar ein schweres Ereignis – wie einen Schlaganfall. Umso wichtiger ist es, einen erhöhten Blutdruck mit Medikamenten zu normalisieren.“ Wichtig zu wissen: „Die arterielle Gefäßsteifigkeit der großen Körperarterie, der Aorta, gilt als guter Prädiktor der Herz-Kreislauf-Gesundheit“, erklärt Dr. Seeland. „Eine steifere Gefäßwand führt zu einer schnelleren Pulswellengeschwindigkeit (PWV) und damit zur Erhöhung des Blutdrucks – und die PWV kann gemessen werden.“

Dr. Ute Seeland Dr. Ute Seeland, Gendermedizinerin der Deutschen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin (DGesGM) und Past-Sprecherin der AG28-Gendermedizin in der Kardiologie der DGK. Bildquelle: privat

Studie 7: Herz-Medikamente wirken bei Frauen anders als bei Männern

„Einnahme-Empfehlungen richten sich in der Regel nach Untersuchungen an männlichen Testpersonen“, sagt Dr. Seeland. „Und das ist ein Problem, denn Frauen sind keine kleinen Männer. Ihr Stoffwechsel ist anders und auch die Magen-Darm-Passage und die Fettverteilung unterscheiden sich.“ Eine häufige Folge: Es zeigen sich Probleme in der Medikamenten-Verträglichkeit. ACE-Hemmer zum Beispiel, wichtige Blutdrucksenker, verursachen Reizhusten als Nebenwirkung – bei Frauen deutlich öfter als bei Männern. Bestimmte Calciumantagonisten können bei Frauen im Vergleich zu Männern häufiger zu Beinödemen führen. „Diese Kenntnis ist wichtig, damit nicht Diuretika, Arzneimittel, die Wasser ausschwemmen, verordnet werden ­– denn die helfen nicht gegen die Beinschwellung“, erklärt die Gendermedizinerin. Verschiedene Studien legen nahe, dass zudem die Dosierungsempfehlungen für Frauen oft zu hoch sind. „Nehmen wir als Beispiel Betablocker, die über das Enzym CYP2D6 verstoffwechselt werden. Mit ihnen werden Bluthochdruck, Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen behandelt. Hier kommen Frauen häufig mit einer niedrigeren Dosis aus, als die Leitlinien empfehlen“, sagt Dr. Seeland. „Gerade bei Medikamenten, die von einigen CYP-Leberenzymen verstoffwechselt werden, deren Aktivität sich bei den Geschlechtern deutlich unterscheidet, sehen wir die größten Probleme mit unerwünschten Nebenwirkungen. Über mathematische Modellierungen konnten amerikanische Kollegen beispielsweise zeigen, dass 50 mg Metoprolol – ein CYP2D6-Betablocker – bei Frauen die gleiche Wirkung erzielen wie 100 mg bei Männern.“ Deshalb hält Dr. Seeland Dosis-Anpassungen bei den Medikamenten für dringend notwendig.

 

Studie 8: Stress schadet dem weiblichen Herz mehr als dem männlichen

Seelische Belastungen lassen den Stresshormonspiegel im Blut ansteigen. „Die Stresshormone können bewirken, dass sich feine Herzkranzgefäße so stark verengen (Mikrospasmen), dass kein Blut mehr hindurchfließen kann“, sagt Dr. Seeland. „Und weil die Gefäße von Frauen etwas kleiner und empfindlicher sind als die der Männer, neigen sie eher zu Herzproblemen, die mit solchen Mikrospasmen zusammenhängen.“ Dazu kommt, dass Frauen offenbar anfälliger für psychische Stressfaktoren sind als Männer. Vor allem soziale Stressauslöser erhöhen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So geht zum Beispiel Stress am Arbeitsplatz und im Privatleben mit einem deutlichen Anstieg der koronaren Herzkrankheit (KHK) einher – Herzinfarkte und Schlaganfälle können die Folge sein. „Neue Daten deuten darauf hin, dass auch junge Frauen überproportional anfällig für die negativen Auswirkungen von Stress auf das Herz-Kreislaufsystem sind“, sagt die Gendermedizinerin. „Das gilt sowohl für die Entstehung als auch für die Prognose einer KHK.“

 

Studie 9: Die Pille kann den Blutdruck erhöhen

Bei etwa einem Drittel der Frauen, die mit der Pille verhüten, zeigt sich eine Erhöhung des systolischen Blutdrucks, also des Drucks, mit dem die linke Herzkammer das sauerstoffreiche Blut in den Körper pumpt. Ein Anstieg von bis zu 8 mmHg kann toleriert werden, wenn keine anderen Risikofaktoren vorliegen, die den Blutdruck weiter erhöhen können – wie zum Beispiel Übergewicht. Im Vergleich zu Frauen ohne Pilleneinnahme kann sich zudem die Funktion der mittleren und kleinen arteriellen Gefäße verschlechtern. Gerade die feinen Gefäße, die den Blutdruck in der Peripherie des Körpers regulieren, können in ihrer Funktion eingeschränkt sein, weil sie versteifen. Diese Dysfunktion der mittleren und kleinen Arterien kann man über eine erweiterte Oberarmblutdruckmessmethode prüfen, indem der Augmentationsindex (AIx) bestimmt wird. „Leider weiß man noch nicht genau, wie es zu der Gefäßsteifigkeit kommt“, sagt die Gendermedizinerin. „Ursächlich könnte – unter anderem – eine reduzierte 17ß-Estradiolkonzentration sein.“ 17ß-Estradiol ist die chemische Variante des weiblichen Sexualhormons Östrogen. „Weitere Studien müssen zeigen, bei welchen Frauen die Einnahme der Pille möglicherweise mit einer Bluthochdruckentwicklung auch in späteren Lebensjahren einhergeht. Dann könnten wir Frauen noch umfassender über ihr mögliches Herzrisiko aufklären.“

 

Studie 10: Rauchen kann für Frauenherzen gefährlicher sein

„Frauen sind offenbar anfälliger für die schädigenden Einflüsse des Rauchens als Männer“, sagt Dr. Seeland. „Gleichzeitig zeigen sie größere Schwierigkeiten, das Rauchen aufzugeben.“ Studien zeigen, dass Raucherinnen ein um 25 Prozent höheres Risiko einer koronaren Herzkrankheit haben als Männer, die rauchen. Auch das Herzinfarkt-Risiko ist dadurch bei Frauen stärker erhöht als bei Männern. Rauchen hat einen negativen Einfluss auf die Funktion des Stickstoffmonoxids (NO) im Körper. Das wird von den Endothelzellen in den Wänden der Blutgefäße produziert und wirkt auf die glatten Gefäßmuskelzellen der Arterien, sodass diese sich erweitern können. Die Funktion von NO scheint bei weiblichen Gefäßen von größerer Bedeutung zu sein als bei männlichen. „Hier ist aber weitere Forschung erforderlich“, sagt die Gendermedizinerin.

 

Studie 11: Hohe Blutzuckerwerte bei Frauen sind besonders gefährlich für das Herz

Männer haben zwar generell ein höheres Risiko, an einem Diabetes zu erkranken. Dafür ist bei Frauen mit der Blutzuckerkrankheit die Gefahr größer, eine koronare Herzkrankheit (KHK) zu entwickeln oder an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben. „Das könnte zum Teil auch daran liegen, dass Frauen im Vergleich zu Männern zum Zeitpunkt der Diagnose einen höheren Body-Mass-Index (BMI) aufweisen. Überschüssige Glukose könnte zudem den östrogenbedingten Herzschutz vermindern“, erklärt Dr. Seeland. Ein weiterer wichtiger Punkt: Frauen mit Diabetes kommen früher in die Wechseljahre. „Und ein frühes – vor dem 45. Lebensjahr – oder verfrühtes Einsetzen der Menopause – vor dem 40. Geburtstag – gilt ebenfalls als Risikofaktor für schwere Herzereignisse bei Frauen.“ Deshalb sollten Frauen regelmäßig ihre Blutzuckerwerte checken und ihre Diabetes-Therapie immer der neuen Hormonlage anpassen.

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