Jeder Zweite über 40 hat ein erhöhtes Herzinfarktrisiko

Bei vielen Menschen sind die Herzkranzarterien verengt. Doch weil sich oft keine Symptome zeigen, wissen nur wenige davon. Eine dänische Studie zeigt jetzt: Jeder zweite Erwachsene mittleren Alters ist davon betroffen und hat dadurch ein erhöhtes Herzinfarktrisiko. Prof. Stephan Baldus erklärt, wieso es so wichtig ist, diese Risikopatienten zu identifizieren und mit welchem Verfahren dies in Zukunft noch besser gelingen könnte. 

Von Jana Kolbe

 

03.11.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock/I going to make a greatest artwork as I can, by my head, my hand and by my mind

Laut einer aktuellen dänischen Studie hat rund die Hälfte der Erwachsenen über 40 Jahren ein erhöhtes Herzinfarktrisiko durch verengte Arterien, obwohl sie keine Symptome haben. Zehn Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten über mehrere Jahre hinweg sogar ein Risiko, das neunfach erhöht war. Zu dem Ergebnis kam eine Kohortenstudie der Copenhagen General Population Study, nachdem sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer CT-Angiographie (CTA), also einer Röntgen-Diagnostik der Herzkranzarterien, unterzogen hatten. Analysiert wurden die Ergebnisse von 9.533 Personen ab 40 Jahren, die als symptomfrei galten und keine bekannte Arterienverkalkung der Herzgefäße (ischämische Herzerkrankung) hatten.

 

Prof. Stephan Baldus, Klinikdirektor des Herzzentrums an der Uniklinik Köln, ordnet ein: „Die Studie zeigt zum einen, dass bei vielen Menschen eine Verengung der Herzkranzgefäße vorliegt, obwohl keine Symptome auftreten. Zum anderen zeigt sie auch, dass das Risiko für einen Herzinfarkt davon abhängt, wie ausgeprägt die Verengungen bereits sind – sowohl in Anzahl als auch Schweregrad dieser Engstellen.“

 

Forscher unterschieden nach zwei Kriterien

Um das Risiko für einen Herzinfarkt zu ermitteln, unterteilten die dänischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Teilnehmer nach verschiedenen Kriterien.

 

  • Kriterium 1: Sie untersuchten, wie stark die Arterien und Gefäße bereits verengt waren. Personen, bei denen mindestens 50 Prozent des Gefäßvolumens verengt waren, wurden als obstruktiv eingestuft. Dazu zählten 10 Prozent der gesamten Teilnehmergruppe. Personen, die eine Verengung des Gefäßvolumens von weniger als 50 Prozent hatten, wurden als nichtobstruktiv eingestuft. Dazu zählten 36 Prozent.
  • Kriterium 2: Die Forscher untersuchten anhand des CTAs auch, wie viele Bereiche des gesamten Gefäßbaums der Herzkranzgefäße von den Verengungen betroffen waren. Der Koronarbaum wird durch die größten Arterien des Herzens gebildet und in 15 Bereiche unterteilt. Waren mehr als ein Drittel der Koronararterien betroffen, wurde die Erkrankung als „ausgedehnt“ eingestuft (10,5 Prozent der Teilnehmer), bei unter einem Drittel als „nicht ausgedehnt“ (35,8 Prozent der Teilnehmer).

 

Risiko für Tod nach Herzinfarkt bei einigen um das Dreifache erhöht

Über einen Zeitraum von durchschnittlich 3,5 Jahren kam es in der Studie zu 71 Herzinfarkten und 193 Todesfällen. Das Risiko für einen Herzinfarkt war im Vergleich zu Personen ohne Verengung der Herzkranzgefäße deutlich erhöht. Das Risiko für Tod infolge eines Herzinfarkts war bei Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit ausgedehnter und obstruktiver Erkrankung sogar um das Dreifache erhöht!

 

Prof. Baldus erklärt: „Die Studie zeigt, dass Personen, deren Arterienverengungen stark ausgeprägt und gleichzeitig ausgedehnt waren, ein bis zu zwölffach erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt haben. Aber auch Personen, die höhergradige Verengungen geringerer Ausdehnung hatten, wiesen ein signifikant höheres Risiko für Herzinfarkte im Vergleich zu Menschen ohne Verengung auf.“

 

Mittels Herz-CT könnten Risikopatienten künftig besser identifiziert werden

Bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wäre das erhöhte Risiko für den Herzinfarkt im Alltag gar nicht aufgefallen, da sie keine Symptome hatten und deshalb keine CTA-Untersuchung stattgefunden hätte. „Die Studie zeigt, dass man durch CTA-Untersuchungen Risikopatienten früh identifizieren kann. Diese Gruppe erreichen wir momentan kaum, weil sie keine Symptome haben. Entscheidend ist, dass Kardiologinnen und Kardiologen diese Befundung vornehmen und dann auch die Therapiestrategie für die Patientinnen und Patienten festlegt“, erklärt Prof. Baldus.

 

Bisher ist eine flächendeckende Früherkennungsuntersuchung mittels CTA aus Kosten- und Kapazitätsgründen noch nicht realistisch. Dennoch zeigt die Studie, welches Potenzial es gibt, um die Früherkennung von Herzkreislauf-Erkrankungen zu verbessern. „Wenn wir diese Patientengruppe, die keine Symptome hat, künftig aufgrund von vorliegenden Risikofaktoren frühzeitig identifizieren, könnte man mithilfe einer CTA den Verdacht abklären und direkt mit einer Therapie beginnen, damit die Verengung der Arterien nicht weiter fortschreitet. Langfristig könnte das dazu führen, dass mehr Herzinfarkte und Tode vermieden werden. Für eine korrekte Indikationsstellung zur CTA und für die Befundung und Therapieentscheidung müssen Kardiologinnen und Kardiologen in Zukunft zentral in diese Untersuchung eingebunden sein“, sagt der Mediziner.

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