Xylit-Studie: So gefährlich kann der Zuckerersatz fürs Herz sein

Xylit gilt als gesunde Alternative zu Zucker und ist vielen auch als Mittel gegen Karies bekannt. Doch nun legt eine Studie offen: Der Birkenzucker kann gefährlich fürs Herz sein. Der Konsum des Zuckerersatz soll mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden sein – und Xylit ist nicht der einzige bedenkliche Zuckerersatzstoff.

Von Amina Linke

 

24.06.2024


Bildquelle (Bild oben): Adobe Stock/Lumixera

Was ist Xylit überhaupt und wo kommt der Zuckerersatz vor?

Xylit, auch als Birkenzucker bekannt, ist ein Zuckeralkohol, der als Zuckeraustauschstoff verwendet wird. Xylit hat eine ähnliche Süße wie Haushaltszucker (Saccharose), enthält jedoch an die 40 Prozent weniger Kalorien. Xylit kommt auch in Früchten und Gemüse vor und kann in geringen Mengen vom menschlichen Körper produziert werden – weshalb es gern als „natürlicher Süßstoff“ angepriesen wird. Dabei ist es nicht natürlicher als andere Zuckerersatzstoffe auch, wird es doch in großen Massen industriell in einem aufwendigen chemischen Verfahren hergestellt – was Xylit zudem teurer als normalen Zucker macht.

 

Xylit ist außerdem dafür bekannt, dass es das Risiko von Karies reduzieren soll, da es von den oralen Bakterien nicht fermentiert wird. Zudem hat Xylit einen niedrigen glykämischen Index (GI von etwa 7). Es beeinflusst den Blutzuckerspiegel weniger stark als der übliche Haushaltszucker und wird deshalb oft Menschen mit Diabetes oder solchen, die ihren Blutzuckerspiegel kontrollieren möchten, empfohlen.

Der Zusatzstoff Xylit mit der Bezeichnung E967 ist von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zugelassen und für folgende Lebensmittel erlaubt:

 

  • Tafelsüße
  • kalorienreduzierte und Produkte ohne Zuckerzusatz wie zum Beispiel Milch- und Schokoladenprodukte, Backwaren, Konfitüren und Brotaufstriche
  • zuckerfreie Kaugummis
  • Soßen
  • Senf
  • diätetische und glutenfreie Lebensmittel
  • Nahrungsergänzungsmittel

Wie wirkt sich Xylit auf die Herzgesundheit aus?

Ein internationales Forschungsteam um den deutschen Herzexperten Dr. med. Marco Witkowski, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité in Berlin, hat jüngst herausgefunden, dass Xylit weitaus gesundheitsschädigender sein kann als bisher in Fachkreisen angenommen. Der Verdacht, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Zuckerersatzstoffen und kardiovaskulären Ereignissen gibt, ist nicht neu – jedoch bis dato wenig erforscht worden. Witkowski konnte nun in einer mehrjährigen Studie aufzeigen, dass das Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse bei hohen Xylit-Werten im Blut fast um 60 Prozent erhöht war. Dazu wurden Blutproben von über 3.000 Herz-Kreislauf-Patientinnen und -Patienten analysiert und die Forschungsteilnehmenden über drei Jahre beobachtet. Patientinnen und Patienten mit hohen Xylit-Werten erlitten in diesem Zeitraum signifikant häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als diejenigen mit einer niedrigen Xylit-Konzentration im Blut. Die Forschenden konnten zudem auch bei herzgesunden Menschen aufzeigen, dass Xylit prothrombotisch, also gerinnungsfördernd, ist – genauso wie Erythrit.

 

Was ist Erythrit? Der Zuckeraustauschstoff ähnelt in seiner chemischen Zusammensetzung Xylit und wird oft Light-Getränken und Kaugummis zugesetzt. Genauso wie Xylit soll Erythrit ebenfalls das Thrombose- und Infarktrisiko erhöhen. Das hatte Witkowski bereits 2023 in einer im „Nature Medicine“-Magazin veröffentlichten Studie gezeigt, für die er nun von der Deutschen Herzstiftung ausgezeichnet worden ist.

 

Schon der regelmäßige Konsum von mehr als zwei Litern künstlich gesüßter Getränke pro Woche kann das Risiko einer Herzerkrankung signifikant erhöhen. Xylit und Erythrit wirken sich dabei auf die Blutplättchen aus – sie machen sie reaktiver. Lagern sich diese zusammen oder schließen sich an eine bestehende Plaque an, können Blutgerinnsel entstehen, die wiederum Herzkranzgefäße verschließen und somit zu einem Herzinfarkt führen können.

 

Zwar bedarf es noch weiterer Forschung, doch die aktuelle Studie weist nicht nur auf mögliche Risiken der beiden Zuckerersatzstoffe hin, sondern zeigt vor allem laut Wittkowski auch, „dass Süßstoffe nicht unbedingt die harmlose Zuckeralternative sind, für die sie oft gehalten werden“. Besonders bei Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken und Diabetikern, die ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse haben, könne der Konsum von Xylit und Erythrit zusätzliche Gesundheitsgefahren bergen. Welche Zuckerersatzstoffe noch bedenklich sind und ob gleich die ganze Gruppe der Zuckeralkohole gesundheitsschädigend ist, dafür bedarf es nun weiterer Untersuchungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat als Reaktion auf die negativen Studienergebnisse allerdings bereits einen neuen Leitfaden zu Süßstoffen veröffentlicht, in dem von dem Konsum der Zuckeralternativen abgeraten wird.

Welche Nebenwirkungen hat Xylit noch?

Zuckeralkohole können vom Körper nicht gut aufgenommen werden und gelangen in den Dickdarm. Dort können sie in größeren Mengen zu Verdauungsproblemen wie Blähungen oder Durchfall führen. Xylit kann also abführend wirken, weshalb Lebensmittel mit mehr als zehn Prozent Xylit-Anteil mit folgendem Hinweis gekennzeichnet werden müssen: „Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken.“

 

Achtung: Xylit bewirkt bei Hunden eine schnelle Ausschüttung von Insulin, was zu einem lebensbedrohlichen Abfall des Blutzuckerspiegels führen kann. Schon geringe Mengen reichen bei den Tieren aus, um schwere gesundheitliche Schäden zu verursachen.

Welche gesunden Alternativen gibt es zu Xylit?

Generell sollte der Konsum von Süßstoffen und Zuckerersatzstoffen überdacht beziehungsweise in Grenzen gehalten werden – wie beim Haushaltszucker auch. Eine abwechslungsreiche und gesunde Ernährung gepaart mit regelmäßiger Bewegung steigert nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern unterstützt auch die Herzgesundheit. Experten sind sich einig, dass so Risikofaktoren wie Übergewicht und Bluthochdruck gut kontrolliert werden können beziehungsweise gar nicht erst entstehen. Wer dennoch ab und zu mal etwas Süßes essen möchte, greift lieber zu einem Stück dunkler Schokolade als gleich zu einer ganzen Vollmilchtafel mit Zuckerersatz – das ist auch für vulnerable Personengruppen wie Menschen mit erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko und Diabetiker auf lange Sicht besser.

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