Antikoagulations-Therapie: So wirken Gerinnungshemmer bei Vorhofflimmern

Gerinnungshemmer spielen eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Schlaganfällen durch Vorhofflimmern. Sie verringern die Blutgerinnung und verhindern so die Bildung gefährlicher Blutgerinnsel. Doch wie steht es um die Nebenwirkungen der Blutverdünner? Und welche Alternative gibt es zur Antikoagulation?

Von Amina Linke

 

21.06.2024


Bildquelle (Bild oben): Adobe Stock/nito

Antikoagulation: Warum Blutverdünner bei Vorhofflimmern wichtig sind

Bei Vorhofflimmern können Blutgerinnsel und damit verbunden Schlaganfälle entstehen. Immerhin bis zu 30 % aller Hirninfarkte werden durch die Folgen von Vorhofflimmern verursacht. Der Grund: Bei Vorhofflimmern schlägt das Herz unregelmäßig und oft sehr schnell. Durch dieses elektrische Chaos fehlt die effektive mechanischen Entleerung der Vorhöfe. „Besonders im linken Herzohr – eine Ausstülpung am Vorhof – ist der Blutfluss dann schlecht“, erklärt Prof. Dr. Deneke, Chefarzt der Rhythmologie am Klinikum Nürnberg. „Bildet sich hier ein Blutgerinnsel und gelangt in den Blutkreislauf Richtung Gehirn, kann es dort in einer Arterie stecken bleiben und einen ischämischen Schlaganfall auslösen.“ Das Gehirn wird nicht mehr mit ausreichend Blut und Sauerstoff versorgt, woraufhin Gehirngewebe abstirbt (Hirninfarkt).

 

Eine Antikoagulationstherapie mit blutverdünnenden Medikamenten ist deshalb häufig notwendig, um das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern zu reduzieren, so Prof. Dr. Deneke. Doch steigt mit der Einnahme von Antikoagulation-Medikamenten nicht wiederum das Blutungsrisiko? 

Antikoagulationstherapie: Abwägen der Risiken

Eine Antikoagulationstherapie kann das Risiko von Blutungen erhöhen, weshalb Mediziner und Medizinerinnen meist folgende Instrumente zur Risikobewertung heranziehen:

 

  • CHA2DS2-VASc-Score zur Ermittlung des Schlaganfallrisiko  
  • HAS-BLED-Score zur Ermittlung des Blutungsrisiko

 

Beide Scores basieren auf Risikofaktoren, denen Punkte zugeordnet werden – zum Beispiel Bluthochdruck (1 Punkt), Alter ≥ 75 Jahre (2 Punkte) oder Diabetes mellitus (1 Punkt). Die Punkte ergeben summiert dann einen Risikowert, der als Entscheidungshilfe dient, ob eine Medikamentengabe zur Schlaganfall-Prävention ratsam ist. Je höher der CHA2DS2-VASc-Score ist, desto wichtiger ist die Einnahme von Gerinnungshemmern. „Der individuelle Score ändert sich dabei im Laufe des Lebens nicht in die Richtung, dass das Schlaganfallrisiko niedriger wird,“ sagt Deneke. „Im Gegenteil: Das Risiko wird allein schon aufgrund des Alters eher höher.“ Somit ändere sich auch die Notwendigkeit einer Antikoagulationstherapie nach einer effektiven Katheterbehandlung nur sehr begrenzt. Zur Notwendigkeit der Antikoagulation nach einer Vorhofflimmer-Ablation laufen gerade mehrere Studien.

 

Also „einmal Gerinnungshemmer, immer Gerinnungshemmer“? – genau das bereitet vielen Patienten und Patientinnen allerdings Sorge.

Welche Nebenwirkungen haben Blutverdünner?

„Natürlich geht mit der Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten ein potenzielles Risiko einher, dass es zu Blutungskomplikationen kommen kann“, sagt Prof. Dr. Deneke. „Viele Betroffene beklagen sich zum Beispiel über vermehrt blaue Flecke.“  Zu relevanten Blutungskomplikationen wie gastrointestinale Blutungen, also Blutungen im Magen-Darm-Bereich, und Gehirnblutungen komme es allerdings extrem selten. Zudem seien die neuen Antikoagulation-Medikamente viel effizienter und leichter einzunehmen im Vergleich zum Marcumar, so Deneke. „Die Werte müssen nicht mehr durch regelmäßige Blutabnahme kontrolliert werden – einmal festgesetzt verändert sich die Dosis für die Prävention von thromboembolischen Ereignissen beim Vorhofflimmern in der Regel nicht.“ 

Welche Antikoagulation-Medikamente gibt es und wie wirken die Blutverdünner?

Bei der Antikoagulationstherapie gibt es mehrere Arten von Gerinnungshemmern, die verwendet werden können. Hier ist eine Übersicht der gängigen Blutverdünner und wie sie wirken:

... wie zum Beispiel Warfarin (Coumadin) oder Phenprocoumon (Marcumar).

Wirkmechanismus:

Sie hemmen die Wirkung von Vitamin K, das für die Synthese von bestimmten Gerinnungsfaktoren notwendig ist.



Monitoring:

Erfordert regelmäßige Bluttests (INR – International Normalized Ratio), um die richtige Dosierung zu überwachen und das Blutungsrisiko zu minimieren.

... wie Dabigatran (Pradaxa), Rivaroxaban (Xarelto), Apixaban (Eliquis) oder Edoxaban (Lixiana).

 

Wirkmechanismus:

Dabigatran: Direkter Thrombininhibitor, verhindert die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin.

Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban: Faktor-Xa-Inhibitoren, hemmen den Faktor Xa im Gerinnungssystem, was die Bildung von Thrombin und somit die Gerinnselbildung reduziert.



Vorteile:
Feste Dosierung ohne regelmäßige Blutuntersuchungen (im Vergleich zu VKAs) und schneller Wirkungseintritt.

Heparine wie Unfraktioniertes Heparin (UFH) und Niedermolekulares Heparin (NMH) wie Enoxaparin (Clexane) oder Dalteparin (Fragmin).


Wirkmechanismus:
Verstärken die Wirkung von Antithrombin, einem natürlichen Gerinnungshemmer, der unter anderem die Aktivität von Thrombin blockiert.

Niedermolekulare Heparine haben dabei eine gezieltere Wirkung und eine längere Halbwertszeit – es bleibt also länger im Körper, bevor es abgebaut oder ausgeschieden wird –  als unfraktioniertes Heparin.



Anwendung:
Wird oft bei der initialen Behandlung oder in Situationen verwendet, in denen eine schnelle Antikoagulation erforderlich ist (z.B. vor Operationen).

... wie Acetylsalicylsäure (Aspirin) oder Clopidogrel (Plavix)

Wirkmechanismus:
Aspirin hemmt die Cyclooxygenase (COX-1), was die Produktion von Thromboxan A2 reduziert und somit die Thrombozytenaggregation hemmt.
Clopidogrel blockiert den ADP-Rezeptor auf Thrombozyten, was die Thrombozytenaggregation hemmt.

 

 

Anwendung:

Thrombozytenaggregationshemmer werden in bestimmten Fällen zusätzlich zur Antikoagulationstherapie verwendet, insbesondere bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit.

Welche Kriterien spielen bei der Wahl der Gerinnungshemmer eine Rolle?

Die Wahl des geeigneten Antikoagulations-Medikaments hängt von verschiedenen Faktoren ab:

 

  • Schweregrad und Art des Vorhofflimmerns
  • Vorhandensein anderer gesundheitlicher Probleme (z.B. Nierenfunktion, Leberfunktion)
  • Alter des Patienten
  • Risiko von Blutungen
  • Patientenvorlieben

Zusammen mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin wird für jeden Patienten und jede Patientin eine geeignete Antikoagulationstherapie unter Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren und Bedürfnisse aufgestellt.

 

Doch was ist mit Patienten und Patientinnen, bei denen eine medikamentöse Behandlung mit Blutverdünnern zu Komplikationen führen könnte? 

Gibt es eine Alternative zur Antikoagulationstherapie?

Für Menschen mit Vorhofflimmern und hohem Schlaganfallrisiko, für die aber Blutverdünner nicht in Frage kommen, kann ein Vorhofohrverschluss eine Option sein.

 

„Dabei wird quasi ein Schirmchen in das linke Herzohr mittels eines Herzkatheters eingesetzt, um zu verhindern, dass sich dort Blutgerinnsel bilden“, erklärt Prof. Dr. Deneke. „Das Herzohr wächst im Anschluss zu und wird so vom Blutfluss ausgeschlossen.“

 

Das Verfahren sei zwar relativ risikoarm, wie bei jedem Eingriff am Herzen könne es aber auch hier zu Blutungskomplikationen kommen, so Deneke. „Vor jeder Intervention erfolgt aber ein Nutzen-Risiko-Abwägen und wenn der Nutzen nicht höher wäre, würde man die entsprechende Intervention nicht machen.“

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