Pollenallergie: Kann Heuschnupfen gefährlich fürs Herz werden?

Heuschnupfen ist auf dem Vormarsch. Etwa jeder dritte Mensch in Deutschland entwickelt im Laufe seines Lebens eine Pollenallergie. Was vielen Betroffenen nicht bewusst ist: Neben Atemwegen und Immunsystem wird auch das Herz-Kreislauf-System belastet. Worauf es ankommt, wenn die Pollenflugsaison beginnt.

Von Doreen Pelz

 

22.04.2024


Bildquelle (Bild oben): iStock/Zbynek Pospisil

Die Nase läuft, die Augen tränen – Heuschnupfen kann ganz schön lästig sein, aber gefährlich? Tatsächlich ist eine Pollenallergie für Herzpatientinnen und -patienten im Extremfall keine Kleinigkeit. Doch niemand sollte unterschätzen, wie belastend Heuschnupfen auch für ein gesundes Herz sein kann. Denn eine Allergie ist eine übersteigerte Antwort des Immunsystems auf einen normalerweise harmlosen Stoff aus der Umwelt. Heuschnupfen ist die häufigste allergische Erkrankung in den industrialisierten Ländern. In Deutschland hat jeder siebte Erwachsene eine Pollenallergie.  Etwa 30 Prozent der Heuschnupfenpatientinnen und -patienten entwickeln im Laufe von zehn Jahren ein Pollenasthma. Die frühblühenden Bäume, wie Hasel, Erle und Birke, sowie Gräser belasten die Allergiker im Frühjahr und Sommer erheblich. Da sich durch den Klimawandel auch der Beginn der Blüte vieler Pflanzen verschiebt, beginnt die Allergiezeit auch immer häufiger.

 

Heuschnupfen: Was sind Ursachen und Symptome?

Bei Heuschnupfen missinterpretieren die Abwehrkräfte die Pollen als einen Erreger und reagieren wie bei einer Erkältung mit Niesen oder laufender Nase. Viele Menschen entwickeln die Allergie erst im Laufe ihres Leben. Warum Heuschnupfen auftritt, ist noch nicht geklärt. Die Forschung geht aber auch davon aus, dass durch zu hohe hygienische Standards das Immunsystem unterfordert ist. Und dann einfach falsch auf die harmlosen Pollen reagiert. Der Körper schüttet vermehrt das Hormon Histamin und andere Botenstoffe aus. 

 

Die häufigsten Symptome sind:

 

  • Niesen und Schnupfen
  • Juckreiz in Nase und Rachen
  • Juckreiz und Rötung der Augen

 

Folge- oder Begleiterkrankungen:

 

  • Nasennebenhöhlenentzündung
  • Allergisches Asthma
  • Entzündungen der Ohren
  • Kreuzallergien mit anderen Pflanzen oder Lebensmitteln

Wie beeinflusst Heuschnupfen die Herzgesundheit?

Wird ein allergischer Schnupfen nicht rechtzeitig erkannt und ausreichend behandelt, kann es zum sogenannten Etagenwechsel kommen. Das heißt, die Erkrankung setzt sich weiter unten in den Atemwegen fest. Im Fall der Lunge. Bei Asthma bronchiale – auch Bronchialasthma genannt – handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Atemwegserkrankung. Und das hat für die Patientinnen und Patienten zwei Folgen:

 

  1. Die Bronchien werden überempfindlich. Es kann zeitweise zu einer Bronchienverengung kommen. Asthmatiker leiden unter wechselnder Atemnot oder wechselndem Reizhusten.
  2. Die Reinigungs- und Abwehrfunktion kann eingeschränkt sein und somit kann die Infektneigung zunehmen Asthmatiker haben öfter Infekte als Gesunde. Und das kann auch das Herz-Kreislauf-System (kardiovaskulär) beeinflussen.

 

Kardiovaskuläre Erkrankungen treten aufgrund gemeinsamer Risikofaktoren bei Patienten mit Asthma bronchiale häufig auf. Denn Herz und Lunge arbeiten nicht nur eng zusammen, sondern liegen auch nah beieinander. Erkrankungen der Atemwege können somit die rechte Herzhälfte schwächen. Weil diese Seite des Herzens mehr Kraft zum Pumpen des Bluts aufwenden muss. Außerdem kann eine Kombination aus körperlicher Belastung und einem geschwächten Immunsystem auch zu einer Herzmuskelentzündung entwickeln.

 

Auch das durch den Heuschnupfen ausgeschüttete Histamin kann Auswirkungen auf das Herz haben. Durch das Hormon weiten sich Herzkranzgefäße. Wird zu viel Histamin ausgeschüttet, dann spricht man von einer Histaminintoleranz, kann das zu Extrasystolen, also Herzrasen oder Herzstolpern führen.

 

Kanadische Forscher haben außerdem nachgewiesen, dass Pollen auch kardiovaskuläre Probleme, z. B. Herzinfarkte auslösen können. In der Studie wurde ein Zusammenhang zwischen einer hohen Pollenbelastung und Infarkten anhand von Patientenzahlen aufgezeigt. Der Wissenschaft ist auch bei Allergien gegen Lebensmittel, Insektenstiche und Medikamente bekannt, dass allergische Reaktion einen Myokardinfarkt auslösen können. Das Phänomen wird als Kounis-Syndrom bezeichnet.

 

Zur Expertin

Dr. med. Stephanie Könemann

Dr. med. Stephanie Könemann, Internistin und Oberärztin in der Klinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald. (Bildquelle: privat)

Bildquelle: privat

Risikogruppen: Für wen ist Heuschnupfen gefährlich?

„Patientinnen und Patienten mit einer Allergie haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines arteriellen Hypertonus (Bluthochdruck) und einer kardiovaskulären Erkrankung,“ erklärt Dr. med. Stephanie Könemann, Internistin und Oberärztin in der Klinik für Innere Medizin B, Universitätsmedizin Greifswald. Dr. Könemann leitet ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zu Stammzellen bei Herzinsuffizienz forschen. „Bei Allergiepatientinnen und -patienten sollten deshalb regelmäßige Blutdruckuntersuchungen und ein Screening auf Herzrhythmusstörungen durchgeführt werden.“ Außerdem bietet die Krankengeschichte (Anamnese) wichtige Anhaltspunkte, mit der der Verdacht auf einen Heuschnupfen geäußert werden kann, so Dr. Könemann. Hier spielt unter anderem die Familienanamnese eine entscheidende Rolle. „Allergische Erkrankungen in der Elterngeneration oder den Geschwistern macht das Vorliegen einer Allergie bei der Patientin oder dem Patienten wahrscheinlicher. Mit Hilfe eines Symptom-Tagebuches in dem Zeitpunkt, Dauer und Situation in der die Beschwerden auftreten, dokumentiert werden, kann der Verdacht auf einen Heuschnupfen bestärkt werden.“ Mittels Haut- und Labortests sowie gegebenenfalls Provokationstests kann das auslösende Allergen identifiziert werden. „Bei Verdacht auf Heuschnupfen wird dabei meist ein Pricktest durchgeführt. Sollten nach dem Hauttest Unklarheiten bleiben, können im Blut spezifische IgE-Antikörper gegen das identifizierte Allergen vorliegen.“ 

Prävention: Wie kann ich verhindern, dass ich Heuschnupfen entwickle?

Es gibt einige Maßnahmen, mit denen gerade im Kinder- und Jugendalter das Risiko für die Entwicklung eines Heuschnupfens reduziert werden kann. Aber auch nach dem Auftreten eines Heuschnupfens helfen einige Maßnahmen, um die Erkrankung im Zaum zu halten. „Aktiv- und Passivrauchen gehören zu den stärksten und leicht vermeidbaren Allergieauslösern, die die Entstehung und die Zunahme von Allergiebeschwerden begünstigen. Mit Nikotinverzicht reduzieren Sie ihr eigenes Risiko, insbesondere aber auch das Ihrer Kinder eine Allergie zu entwickeln deutlich,“ sagt Dr. Könemann von Universitätsklinik Greifswald. Auch Schadstoffe können für Allergien eine große Rolle spielen, die Forschung hat Zusammenhänge zu vermehrter Verkehrsbelastung festgestellt. Vor allem beim Lüften der Wohnräume kann das eine wichtige Rolle spielen. „Das Lüften sollte auf Zeiten mit geringem Verkehrsaufkommen reduziert werden, z.B. den frühen Morgen oder den späteren Abend vor dem Schlafengehen. Idealerweise sollten Fenster genutzt werden, die der Straßenseite abgewandt sind,“ so Könemann.

 

Weitere Tipps der Expertin:

 

  • Durch kurzes Stoßlüften gelangen weniger Pollen in die Wohnung. Steht das Fenster länger leicht offen, dringen mehr Allergene ein.
  • Bei starkem Pollenflug sollten Menschen mit Pollenallergie die Fenster von Haus und Auto möglichst geschlossen halten.
  • Da Pollenstaub sich am Boden und auf Möbeln ansammelt, sollte in der Pollensaison häufiger feucht gewischt werden.
  • Das Wechseln der Kleidung beim Betreten des Hauses kann die Pollenbelastung weiter reduzieren.
  • Das Waschen der Haare vor dem Schlafengehen kann bei schweren Allergien ebenfalls sinnvoll sein.
  • Damit Pollenfilter in Klimaanlagen Allergene reduzieren, ist das regelmäßige Wechseln der Filter notwendig.
  • Bei stärkeren Beschwerden kann auch eine Staubmaske helfen. 

Was ist die richtige Heuschnupfen-Medikation für herzkranke Menschen?

„Antihistaminika können zum Teil schwere Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod auslösen, insbesondere bei Patienten mit Vorerkrankungen des Herzens, aber auch bei einer Funktionseinschränkung der Niere oder der Leber. Die Gefahr kann auch durch eine Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, z.B. Antibiotika oder Antiarrhythmika, erhöht werden. Es ist wichtig, genau auf die empfohlenen Dosierungen zu achten und im Zweifel auch vor der Anwendung von rezeptfrei verfügbaren Medikamenten mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin Rücksprache zu halten,“ so die Empfehlung der Herzspezialistin.

 

HNO- Ärzte raten Allergikern auch zur Hyposensibilisierung, daraus lassen sich für Herz keine Risikofaktoren erkennen. Die allergenspezifische Immuntherapie bekämpft den Heuschnupfen an seinen immunologischen Ursachen.

 

„Wer sich mit seinem Heuschnupfen genau auskennt und ungefähr weiß, wann welche Pollen fliegen, kann eine Woche vor dem ersten Pollenflug auch auf die Wirkstoffgruppe der Cromone zurückgreifen. Sie hemmen die Ausschüttung von Histamin aus bestimmten Immunzellen (Mastzellen) und beugen so allergischen Entzündungsreaktionen vor,“ sagt Dr. Stefanie Könemann „Für die Nasensprays oder Augentropfen sind keine kardialen Nebenwirkungen beschrieben.“

 

Vorsicht gilt dagegen bei den am stärksten wirkenden Glukokortikoiden, auch als Cortison bekannt. Bei Heuschnupfen werden sie oft ebenfalls als Nasenspray verschrieben. Sie wirken in erster Linie entzündungshemmend, lindern nachhaltig die laufende Nase und können auch bewirken, dass die Nasenschleimhäute abschwellen. Als Nebenwirkung können Nasenbluten, eine trockene Nase und Irritationen im Rachenbereich auftreten. Bei längerer Anwendung können die kardiovaskulären Risikofaktoren metabolisches Syndrom, Bluthochdruck, erhöhter Blutzuckerspiegel und Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte) vermehrt auftreten. Zusätzlich sind Wechselwirkungen mit Herzglykosiden, Antidiabetika, Antikoagulanzien und Effektoren des Cytochrom-P450 -Isoenzyms CYP3A4 zu beachten.

 

„Vorsicht ist auch bei den weit verbreiteten abschwellenden Nasentropfen oder -sprays mit Alpha-Sympathomimetika geboten. Patientinnen und Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit oder arteriellem Hypertonus (Bluthochdruck) sollten vor einer Anwendung mit ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin sprechen,“ rät Dr. Könemann.  

Forschung: Wie wird Heuschnupfen künftig behandelt?

Laut Cochrane-Analyse von 2018 weist die aktuelle Studienlage darauf hin, dass Patienten und Patientinnen mit einer Pollenallergie von Nasenspülungen mit Kochsalz profitieren. Die dürften auch bei kardiovaskulären Erkrankungen unproblematisch sein.

 

Kleinere Studien fanden auch positive Effekte von Filtern, die in der Nase getragen werden und Brillen mit gut abschließenden Gläsern. Umfangreiche Studien, ob diese Methoden zu einer Linderung der Symptome führen, sind notwendig.

 

Dr. Stefanie Könemann gibt außerdem einen weiteren Überblick über aktuelle Forschungen. „Zunehmend wird heute auch der Klimawandel als Einflussgröße für Allergien diskutiert, da sich durch ihn die Leidenszeit für Pollenallergiker verlängern könnte. Einige Pflanzen haben ihre Blütezeit aufgrund der gestiegenen Temperaturen erheblich ausgedehnt, sodass Pollenflug bereits im Januar oder gar im Dezember möglich ist. Bekanntestes Beispiel ist die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia, Aufrechtes Traubenkraut). Sie blüht zwischen August und dem ersten Frost. Jede Pflanze kann bis zu einer Milliarde Blütenpollen abgeben, und diese Pollen sind zudem deutlich aggressiver als der Blütenstaub heimischer Pflanzen. Schon eine Konzentration von mehr als zehn Pollenkörnern pro Kubikmeter Luft kann heftige allergische Reaktionen auslösen.“

 

Da immer mehr Menschen an Allergien leiden, rückt auch die Prophylaxe bei Studie immer mehr in den Fokus. So hat im März 2024 die Insel Borkum als erste ein ECARF (European Center for Allergy Research Foundation)-Zertifikat für Allergiefreundlichkeit erhalten. Dort, so ergaben Messungen, sind Pollenkonzentrationen durch den Nordseewind geringer als auf dem Festland zum Beispiel.

 

Die Kardiologin Könemann verweist außerdem noch auf Hinweise, dass das Kounis-Syndrom, der sogenannte allergische Myokardinfarkt, wie bei anderen Allergieformen, z.B. der Nahrungsmittelallergie auch beim Heuschnupfen eine Rolle spielen könnte. „Bei Patientinnen und Patienten, bei denen bereits eine koronare Herzkrankheit besteht, sind Plaque-Rupturen beschrieben, die zu einem akuten Herzinfarkt führen.“

 

Bei Vorerkrankungen des Herzens gilt es das Jucken der Nase und Augen in der Heuschnupfenzeit nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Werden Symptome nicht oder mit falschen Medikamenten behandelt, kann das zu schwerwiegenden Folgen für das Herz-Kreislauf-System führen. Außerdem gilt: Wird ein allergischer Husten chronisch, kann dieser das Herz schwächen.

Diese Seite teilen