Experience makes outcomes – auch im kardiogenen Schock und insbesondere bei MCS

 

ESC Congress 2025 | MCS-Studie: Auf dem ESC-Kongress 2025 stellte PD Dr. Benedikt Schrage (UKE Hamburg) eine retrospektive Analyse mit etwa 220.000 Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock in Deutschland vor, welche zeitgleich publiziert wurde1,2. Kliniken mit höheren Fallzahlen erzielten deutlich bessere Überlebensraten, insbesondere bei mechanischer Kreislaufunterstützung (MCS). Allerdings erreichen nur wenige Häuser in Deutschland die Zahl behandelter Fälle, ab denen das Mortalitätsoutcome verbessert ist.

 

PD Dr. Alexander Dietl und Prof. Lars Maier vom Universitätsklinikum Regensburg berichten.

Von:

PD Dr. Alexander Dietl

Universitätsklinikum Regensburg

 

Prof. Lars Maier

Rubrikleiter Intensiv- und Notfallmedizin

 

 

 

10.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Songquan Deng / Shutterstock.com

Hintergrund 

 

Die Erfahrung behandelnder Zentren mit einem Krankheitsbild, konkret die Zahl behandelter Patientinnen und Patienten, verbessert das Outcome, etwa bei der PCI von Hebungsinfarkten oder der TAVI.3,4  Dies führt unweigerlich zu dem vom G-BA angestoßenen Prozess von Mindestzahlen, nicht nur im Bereich der Herzmedizin. Ob dies auch für die Behandlung des kardiogenen Schocks und insbesondere die Anwendung mechanischer Kreislaufunterstützungssysteme gilt, wird durchaus kontrovers diskutiert. Erst 2024 berichtete eine australisch-neuseeländische Arbeitsgruppe, dass größere ECMO-Zentren kein besseres Outcome aufweisen als kleinere.5 Frühere Publikationen hatten sogar eine höhere Mortalität in „High-Volume“-Zentren beschrieben – möglicherweise, weil dort schwerer erkrankte Patientinnen und Patienten behandelt werden.6 Zur Situation in Deutschland lagen bisher kaum Daten vor. Diese Lücke schloss die beim ESC 2025 von PD Dr. Benedikt Schrage vorgestellte Studie. 

Die Daten

 

Die Analyse basiert auf Daten des statistischen Bundesamtes zu Diagnosen, Prozeduren, Demographie und intrahospitaler Mortalität stationärer Patientinnen und Patienten zwischen 2017 und 2021 in Deutschland. In diesem Zeitraum wurden 220.223 Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock in 1.232 Krankenhäusern behandelt. Die Mortalität während des Krankenhausaufenthaltes war hoch und lag 2021 bei 61 %.

Das Drittel der Krankenhäuser mit den höchsten Fallzahlen wies in adjustierten Cox-Regressionsmodellen eine signifikant niedrigere Mortalität auf als Einrichtungen mit geringerer Patientenzahl (HR=0,92; 95%KI [0,91; 0,94]; p<0,001). Cubic-Spline-Analysen deuteten auf einen möglichen Cut-off von 90 Fällen pro Jahr für ein besseres Überleben hin. Nur etwa 10 % der deutschen Krankenhäuser erreichen diese Fallzahl und 90 % liegen darunter. Wäre ein solcher Schwellenwert verbindlich, müsste etwa die Hälfte aller Patientinnen und Patienten von kleineren in größere Zentren verlegt werden, was derzeit gesundheitspolitisch angedacht wird.

435 Krankenhäuser setzten im Untersuchungszeitraum mechanische Kreislaufunterstützungssysteme ein (VA-ECMO, IABP und/oder Mikroaxialpumpe/Impella). Die Anwendung stieg über die Jahre ein wenig von 11 % in 2017 auf 14 % im Jahr 2021. Die Mortalität bei Einsatz mechanischer Kreislaufunterstützung betrug 63 %. Das Drittel der Kliniken mit den höchsten Fallzahlen konnte hier ein um deutliche 20 % niedrigeres Sterberisiko vorweisen als die übrigen Zweidrittel der Häuser (HR=0,80; 95%KI [0,76; 0,84]; p<0,001). Cubic-Spline-Kurven legten einen Cut-off von 25 jährlichen Fällen für eine besseres innerklinisches Überleben nahe. 86 % der deutschen Kliniken erreichen diese Zahl nicht, versorgen aber mehr als die Hälfte aller Patientinnen und Patienten (53 %).

Überlegungen zur Interpretation der Studie

 

Für die Bewertung der Ergebnisse sind wichtige Limitationen zu beachten. Es handelt sich um eine retrospektive Analyse eines Routinedatensatzes, nicht um eine randomisierte Interventionsstudie. Auch wenn die Ergebnisse dafürsprechen, lässt sich daraus nicht eindeutig ableiten, dass eine Verlegung in Zentren bessere Outcomes bewirkt. Hierfür wären prospektive Studien erforderlich.


Zudem enthält der Datensatz primär abrechnungsrelevante Variablen, jedoch kaum klinische Informationen zu Schweregrad, Therapiestrategien oder Verlauf. Darauf konnte nicht adjustiert werden. Kritisch diskutiert werden kann auch die Zusammenfassung technisch sehr unterschiedlicher Systeme (Impella, VA-ECMO, IABP). Darüber hinaus zeigte die DanGer-Shock-Studie, dass das 6-Monats-Überleben eine relevante Kenngröße ist6 – hierzu kann die vorliegende Arbeit nichts beitragen.


Bemerkenswert ist allerdings die hohe Zahl an Krankenhäusern mit mechanischer Kreislaufunterstützung in Deutschland. Während im Vereinigten Königreich nur wenige hochspezialisierte Zentren mit sehr hohen Fallzahlen Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock behandeln, waren es in Deutschland 435 Häuser. Lediglich 60 von ihnen erreichen den ohnehin niedrigen Schwellenwert von 25 Fällen jährlich, der in dieser Analyse mit besserem Überleben assoziiert war. Möglicherweise werden die vorliegenden Ergebnisse die Diskussion über Mindestzahlen durch den G-BA unterstützen.

Fazit: „Wissen ist das Kind der Erfahrung“

 

Leonardo da Vinci schrieb: „Wissen ist das Kind der Erfahrung.“ Die vorgestellte Studie legt nahe, dass dies auch für die Behandlung des kardiogenen Schocks gilt – insbesondere in Fällen, die eine mechanische Kreislaufunterstützung erfordern. Der Schock ist durch eine komplexe Pathophysiologie geprägt:

 

Multiorganbeteiligung, systemische Inflammation und Gerinnungsaktivierung erfordern eine hochdifferenzierte Intensivtherapie mit abgestimmten Strategien zu Beatmung, Katecholamintherapie, Devicewahl, Unloading, Antikoagulation, Infektionsmanagement, Weaning und Physiotherapie.8,9 Hinzu kommt die Notwendigkeit enger interdisziplinärer Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachdisziplinen, welche – selbstverständlich nicht ausschließlich - Intensivmedizin, Kardiologie, Herz-, Gefäß- und Viszeralchirurgie, Kardiotechnik, Radiologie und Transfusionsmedizin einschließt.

 

Gut eingespielte Teams, strukturierte Abläufe sowie die Anbindung an Forschung und Netzwerke sind essenziell. Vor diesem Hintergrund erscheinen die besseren Ergebnisse von Zentren mit höheren Fallzahlen plausibel. Sie decken sich mit internationalen Registerdaten der ELSO und entsprechen auch unsere Erfahrung in Regensburg.10 „Experience makes outcomes“ gilt offenbar auch für die Therapie des kardiogenen Schocks – wenngleich weitere Analysen notwendig sind, um diesen Zusammenhang weiter zu überprüfen.

Zur Person

PD Dr. Alexander Dietl

PD Dr. Alexander Dietl ist als Oberarzt mit Schwerpunkt Intensivmedizin in der Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Regensburg tätig. Als Leiter der Arbeitsgruppe Metabolism in Heart Failure liegt sein Hauptforschungsinteresse in der Analyse mitochondrialer Funktionen in der akuten Herzinsuffizienz und deren Rolle für die kardiale Erholung.

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Zur Person

Prof. Lars Maier

Prof. Lars Maier ist seit 2014 als Direktor und W3-Professor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin und als Leiter der Arbeitsgruppen im Bereich Experimentelle Kardiologie am Universitätsklinikum Regensburg tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Herzinsuffizienz und koronare Herzerkrankungen. 

Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Referenzen

  1. Schrage B. Centralization of CS care and MCS use. Late Breaking Clinical Science: optimal management of cardiogenic shock, 31.08.2025, Madrid, ESC 2025
  2. Dettling, A. et al. Higher hospital volume is associated with lower mortality for patients with cardiogenic shock and mechanical circulatory support. European journal of heart failure; 10.1002/ejhf.70025 (2025).
  3. Kontos, M. C. et al. Lower hospital volume is associated with higher in-hospital mortality in patients undergoing primary percutaneous coronary intervention for ST-segment-elevation myocardial infarction: A report from the NCDR. Circulation. Cardiovascular quality and outcomes 6, 659–667; 10.1161/CIRCOUTCOMES.113.000233 (2013).
  4. Badheka, A. O. et al. Effect of Hospital Volume on Outcomes of Transcatheter Aortic Valve Implantation. The American journal of cardiology 116, 587–594; 10.1016/j.amjcard.2015.05.019 (2015).
  5. Ertugrul, A. D. et al. Hospital-level volume in extracorporeal membrane oxygenation cases and death or disability at 6 months. Critical care and resuscitation : journal of the Australasian Academy of Critical Care Medicine 26, 262–270; 10.1016/j.ccrj.2024.08.006 (2024).
  6. Bailey, K. L. et al. National trends in volume-outcome relationships for extracorporeal membrane oxygenation. The Journal of surgical research 231, 421–427; 10.1016/j.jss.2018.07.012 (2018).
  7. Møller, J. E. et al. Microaxial Flow Pump or Standard Care in Infarct-Related Cardiogenic Shock. The New England journal of medicine 390, 1382–1393; 10.1056/NEJMoa2312572 (2024).
  8. Møller, J. E. et al. Cardiogenic shock: diagnosis, phenotyping and management. Intensive care medicine 51, 1651–1663; 10.1007/s00134-025-08049-y (2025).
  9. Møller, J. E., Thiele, H., Morrow, D., Kjærgaard, J. & Hassager, C. Mechanical circulatory support: when, how, and for whom. European heart journal 46, 1480–1492; 10.1093/eurheartj/ehae925 (2025).
  10. Barbaro, R. P. et al. Association of hospital-level volume of extracorporeal membrane oxygenation cases and mortality. Analysis of the extracorporeal life support organization registry. American journal of respiratory and critical care medicine 191, 894–901; 10.1164/rccm.201409-1634OC (2015).

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