Herpes-zoster-Impfung schützt vor Herzinfarkt und Demenz

 

Herpes zoster ist eine weit verbreitete Virusinfektion, an der rund jeder Zweite im Laufe seines Lebens erkrankt. Neben schmerzhaften Spätkomplikationen ist Herpes zoster auch mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Demenz assoziiert. Vor kurzem wurden insgesamt 4 große Kohortenstudien aus Wales, Australien und den USA veröffentlicht, die übereinstimmend zeigten, dass Herpes-zoster-Impfungen nicht nur vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen, sondern auch das Risiko für Demenz signifikant senken.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

 

08.05.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Ratana21 / Shutterstock.com

Hintergrund und Zielsetzung

 

Herpes zoster (HZ), allgemein als Gürtelrose bekannt, ist eine weit verbreitete Virusinfektion, die durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht wird. Nach der Erstinfektion mit dem Krankheitsbild der Windpocken wandern die Viren in die Nervenzellen der spinalen und kranialen Ganglien, wo sie vom Immunsystem nicht erkannt werden und lebenslang latent im Körper persistieren. In Deutschland weisen 95 % der Erwachsene eine VZV-Seroprävalenz auf und jeder Zweite, der das 85. Lebensjahr erreicht, erkrankt einmal während seiner Lebensspanne an Herpes zoster.1

Häufige Spätkomplikationen

 

Bei einer Schwächung des Immunsystems, z.B. durch den natürlichen Alterungsprozess, Stress oder eine Immunsuppression, kann es zur VZV-Reaktivierung kommen, wobei die Viren entlang der sensorischen Nerven zur Haut wandern und zum charakteristischen Bild des Zosters mit Erythemen und pustulösen Hautveränderungen führen. Neben bakteriellen Superinfektionen und dem Befall verschiedener Körperregionen gehört die postherpetische Neuralgie mit langanhaltenden und starken Schmerzen zu den häufigsten Spätkomplikationen, die sich in etwa 50 % der Fälle bei über-60-Jährigen entwickelt.

Risiko für MACE und Demenz erhöht

 

HZ ist nicht nur mit Spätkomplikationen, sondern auch mit einem zeitabhängig erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) assoziiert, wie Schlaganfall und Myokardinfarkt. Das MACE-Risiko ist durch HZ im ersten Monat um 80 % erhöht, in den ersten 3 Monaten um 43 % und nach einem Jahr um 20 %, bevor sich das Risiko nach 3 Jahren dem Ausgangsstatus angleicht. Darüber hinaus wird auch ein erhöhtes Demenzrisiko diskutiert, das auf neuroinflammatorische Prozesse und vaskuläre Schäden im Gehirn zurückzuführen ist.

HZ-Impfung senkt das kardiovaskuläre Risiko um 24 %

 

In einer aktuellen Kohortenstudie aus den USA wurden Daten von fast 5 Millionen Personen mit Diabetes (≥ 50 Jahre) im Zeitraum von 2006 bis 2022 analysiert, darunter 68.178 Personen mit einer HZ-Impfung (Lebend- oder Totimpfstoff).2 Nach Ausschluss von Personen mit MACE, Immunerkrankungen und HZ-Komplikationen vor 2006 umfasste die Impf-Kohorte 45.960 Personen (mittleres Alter 63,5 Jahre, 49,2 % Frauen), denen eine Kontroll-Kohorte ohne Impfung adjustiert nach Alter, Geschlecht, Ethnie, sozioökonomischem Status und Komorbidität zugeordnet wurde.

 

Der Vergleich des primären Endpunktes, MACE (definiert als erstes Auftreten von KHK oder Schlaganfall), ergab ein signifikantes um 24 % reduziertes MACE-Risiko in der Impf-Kohorte: HR 0,76 (0,72-0,79), p<0,001. Auch die Risiken für die 3 sekundären Endpunkte waren in der Impf-Kohorte signifikant niedriger: KHK HR 0,73, Schlaganfall HR 0,79 und Gesamtmortalität HR 0,54 (jeweils p<0,001). Die protektiven Effekte der HZ-Impfung wurden über alle Altersgruppen und Diabetesarten hinweg sowie für beide Geschlechter beobachtet.

Wales: HZ-Impfung senkt Demenz-Risiko

 

Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie aus Wales untersuchte, ob die HZ-Lebendimpfung das Demenz-Risiko reduziert.3 Dabei wurde die Tatsache genutzt, dass die HZ-Impfung in Wales, die im Jahr 2013 eingeführt wurde, nur bei Personen erfolgte, die nach dem 02.09.1933 geboren waren. Die Studienpopulation bestand insgesamt aus 282.541 Erwachsenen (zwischen 1.09.1925 und 01.09.1942 geboren). Die Impfquote betrug 0,01 % bei Personen, die vor dem 02.09.1933 geboren wurden, gegenüber 47,2 % bei denjenigen, die jünger waren.

 

Während der 7-jährigen Follow-up-Dauer senkte die HZ-Impfung das Risiko einer neuen Demenz-Diagnose signifikant um 3,5 %, was einer relativen Risiko-Reduktion von 20,0 % (95%KI [6,5;33,4]) entsprach. Die Reduktion des Demenz-Risikos war jedoch bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern.

Australien: Reduktion des Demenz-Risikos bestätigt

 

Eine australische Studie mit ähnlichem Design bestätigte jetzt die Daten aus Wales.4 In Australien wurde die HZ-Lebendimpfung im Jahr 2016 eingeführt, wobei nur Personen berechtigt waren, die nach dem 02.11.1936 geboren wurden. Der Vergleich von 2 adjustierten Kohorten mit jeweils mehr als 100.000 Personen (52,7 % Frauen und mittleres Alter 62,6 Jahre), die kurz vor bzw. nach dem Stichtag geboren wurden, ergab eine Senkung des Demenz-Risikos durch die Impfung um 1,8 % (95%KI [0,4;3,3]; p=0,01) über eine Follow-up-Dauer von 7,4 Jahren.

USA: Totimpfstoff besser als Lebendimpfstoff

 

In den USA wurde die HZ-Impfung im Jahr 2017 vom Lebendimpfstoff auf einen rekombinanten Totimpfstoff umgestellt. In einer Studie wurde das Demenzrisiko nach Lebend- vs. Totimpfung über 6 Jahre anhand von 2 adjustierten Kohorten mit jeweils mehr als 100.000 Personen untersucht.5 Der rekombinante Totimpfstoff senkte das Demenz-Risiko gegenüber der Lebendimpfung signifikant um 17 %, was durchschnittlich 164 zusätzlichen Tagen ohne Demenz entsprach. Dieser protektive Effekt war bei Frauen ebenfalls stärker ausgeprägt als bei Männern (222 vs. 122 zusätzliche Tage ohne Demenz).

Fazit

 

Der Nutzen der HZ-Impfung wurde in 4 Studien aus Wales, Australien und den USA nachgewiesen. Bei über 50-Jährigen mit Diabetes senkte die HZ-Impfung (Lebend- und Totimpfstoff) das kardiovaskuläre Risiko deutlich (um 24 %) sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

Darüber hinaus zeigten 3 Studien aus Wales, Australien und den USA übereinstimmend, dass HZ-Impfungen auch das Risiko für Demenz signifikant senkten (um rund 20 %), wobei der Totimpfstoff gegenüber dem Lebendimpfstoff besser abschnitt. Interessanterweise war der Schutz vor Demenz bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern.

Fazit für die Praxis

 

In Deutschland wird die HZ-Impfung mit dem rekombinanten Totimpfstoff seit 2018 für alle Personen ab 60 Jahren sowie für Risikopersonen ab 50 Jahren empfohlen. Laut Robert-Koch-Institut betrug die HZ-Impfquote im Jahr 2024 für die beiden genannten Gruppen jeweils 20,6 % und 17,5 %. Im Umkehrschluss sind also rund 80 % der vulnerablen Personen ungeschützt.6

 

Die neuen Studiendaten sollten daher Anlass geben, einerseits die Anstrengungen zur Erhöhung der Impfquoten zu intensivieren, und andererseits über eine Ausweitung der Impfempfehlungen für jüngere Altersgruppen (z.B. ab 50 Jahren) zu diskutieren.


Referenzen

 

  1. www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_Varizellen.html
  2. Kornelius E et al. Association of herpes zoster vaccination and cardiovascular risk in patients with diabetes: long-term insights from a retrospective cohort study. BMJ Open. 2025 Feb 18;15(2):e090428.
  3. Eyting M et al. A natural experiment on the effect of herpes zoster vaccination on dementia. Nature. 2025 Apr 2.
  4. Taquet M et al. The recombinant shingles vaccine is associated with lower risk of dementia. Nat Med. 2024 Oct;30(10):2777-2781. doi: 10.1038/s41591-024-03201-5. Epub 2024 Jul 25. PMID: 39053634; PMCID: PMC11485228.
  5. Pomirchy M et al. Herpes Zoster Vaccination and Dementia Occurrence. JAMA. 2025 Apr 23:e255013. doi: 10.1001/jama.2025.5013. Epub ahead of print. PMID: 40267506; PMCID: PMC12019675.
  6. www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Impfen/Impfquoten/KV-Impfsurveillance/Impfquoten_2024_Begleitfolien.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Mehr zum Thema

Zur Übersichtsseite Prävention

Das könnte Sie auch interessieren

Orale Therapieoption zur LDL-C-Senkung

EAS-Kongress 2025 | TANDEM: Kombi-Tablette mit Ezetimib und Obicetrapib halbiert LDL-Cholesterin. Von Prof. U. Laufs.

Obicetrapib als Add-On

EAS-Kongress 2025 | BROADWAY: Der neue orale Wirkstoff Obicetrapib senkte LDL-C um 30 % zusätzlich zur lipidsenkenden Therapie. Von Prof. U. Laufs.

Quick Dive: Erhöhter Blutdruck und Hypertonie

Publikationen prägnant vorgestellt – dieses Mal: Kommentar ESC-Leitlinien (2024) zu Management erhöhter Blutdruck und Hypertonie. Von Prof. U. Kintscher.

Laden, bitte warten.
Diese Seite teilen