Repges: Du sprichst schon einen wichtigen Punkt an – Forschung ist oft Freizeit. Das ist ja nur eine von vielen Herausforderungen, zumindest hier in Deutschland. Was waren denn für dich bisher die größten Herausforderungen, denen du in deiner Forschungsarbeit begegnet bist, und wie hast du diese überwunden?
Schulz: Ich glaube, die Bereitschaft, seine Freizeit dafür zu „opfern“, ist mit eine der größten Herausforderungen. Auch wenn die Arbeit oft Freude bereitet, gibt es viele Dinge, die man in seiner freien Zeit genauso gern tun würde. Aktuell gibt es im klinisch-wissenschaftlichen Alltag nur begrenzte Lösungen dafür, sodass dieser innere Konflikt mit sich selbst, den Freunden und der Familie ein täglicher Begleiter ist. Abgesehen davon braucht man eine gewisse Resilienz, da man wieder und wieder Aufgaben wiederholt, in der Überzeugung, dass daraus wichtige Ergebnisse entstehen, obwohl man das auf dem Weg dorthin nie absehen kann. Und dann kommt die Frustration, wenn die eigene Begeisterung für Ergebnisse nicht von der Wissenschaftsgemeinde geteilt wird (unabhängig von der Berechtigung). Hier hilft Austausch und Beistand von anderen Fellows, da man merkt, dass man nicht allein ist und dass andere ähnliche Szenarien bereits erlebt haben. Neben den Ratschlägen ist die Kommunikation über die Herausforderungen für mich oft wertvoll gewesen. Zuletzt ist es, gerade als Physician Scientist, oft das hohe Maß an Selbstständigkeit, welches gefordert wird und einen zu Beginn hin und wieder auch überfordern kann, da einem das methodische und wissenschaftliche Grundlagen-Know-how fehlt. Die Lösung ist oft einfacher als erwartet – durch simples „Einfordern“ von Unterstützung und Erklärungen von Senior Scientists. Dennoch mangelt es in Deutschland trotz wachsender Angebote noch an strukturierten Programmen, die diese Kompetenzen gezielt vermitteln.
Repges: Was ist deiner Meinung nach der beste Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt?
Schulz: Die Frage ist, denke ich, nicht pauschal zu beantworten, da der Lebensplan von jedem sehr individuell ist. Jeder von uns hat während und nach dem Studium andere Herausforderungen und Vorstellungen, was die ersten Berufsjahre angeht, auch bezüglich der Familien- oder Lebensplanung.
Ich denke, es ist wichtig, dass jeder für sich entscheidet, ob überhaupt und falls ja, wann er oder sie sich einen Forschungsaufenthalt im Ausland vorstellen kann. Denn wenn man den Aufenthalt von Anfang an in einen bestimmten Zeitpunkt „hereinzwingt“, ist er wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Man ist nie zu jung oder zu alt, um einen solchen Schritt zu gehen, man muss nur die entsprechende Stelle wählen, welche zu dem aktuellen Punkt der eigenen Karriere passt. So ist zum Beispiel eine Post-Doc-Stelle insbesondere in der frühen Post-Doc-Zeit hilfreich, um danach zurück in der Heimat auch erfolgreich weiterarbeiten zu können. Hierbei sollte man auch die Facharzt-Zeit von der Forschungs-Zeit abgrenzen, da sich das ganz individuell und unabhängig bei jedem von uns entwickeln kann. Eine pauschale „Vor dem oder nach dem Facharzt“-Empfehlung kann man somit nicht aussprechen. Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die haben das auch mit ihren Partnern und Kindern gemacht. Selbstverständlich gehören dann dort mehr Menschen dazu, die diese Entscheidung dann gemeinsam treffen, aber das zeigt, dass es nie „zu spät“ ist.
Ich glaube jedoch, es lohnt sich bereits im frühen Studium zu erkunden, ob das Arbeiten entfernt von Heimat/Freunde/Familie in einem anderen Umfeld allgemein etwas für einen ist. Sei es in einem Praktikum, einer Famulatur, PJ-Tertial oder ähnlichem. Und falls man merkt, dass es einen anspricht, kann man sich gleichzeitig auch früh überlegen, wie, ob und wann man es in sein Arbeitsleben integrieren möchte. Bis auf die Organisation steht oft weniger im Weg, als man glaubt.
Repges: Du klingst insgesamt ja sehr begeistert, aber würdest du sagen, man soll um jeden Preis ins Ausland gehen? Egal ob es an eine Prestige-Universität ist, oder doch an ein kleineres Labor? Was hältst du für besonders wichtig, um erfolgreich in der Forschung zu sein?
Schulz: Die Frage nach dem Labor ist schwierig. Klar mögen größere Universitäten andere Möglichkeiten bieten und sie lesen sich „schöner“ im Lebenslauf. Andererseits ist die Betreuung in kleinen Laboren häufig individueller und persönlicher. Als ich mich nicht entscheiden konnte, hat ein guter Freund zu mir gesagt: „Wenn der wirklich allerschlimmste Fall eintritt und die Forschung gar nicht voran geht und die Arbeit keinen Spaß macht, dann hast du am Ende halt doch nur für dein Geld gearbeitet, etwas (für das Leben) gelernt und ganz sicher eine gute Zeit in einer lebenswerten Stadt in einem anderen Land gehabt.“
Für den Erfolg in der Forschung halte ich drei Punkte für besonders wichtig: Begeisterung und Motivation zur intensiven Auseinandersetzung mit Fragestellungen, Mentoring durch eine erfahrene Person, die wertvolle Unterstützung und Orientierung bietet, und Durchhaltevermögen helfen, Rückschläge zu überwinden und langfristige Ziele zu verfolgen.