Förderung in der Weiterbildung – Auslandsfellowship Teil 2

 

Wie findet man das passende Auslandsfellowship und welche Voraussetzungen muss man erfüllen? Im zweiten Teil des Interviews zum Thema Förderung in der Weiterbildung – Auslandsfellowship, spricht Elena Repges (Bonn) mit Dr. Alexander Schulz (Göttingen) über seine Erfahrungen im Arbeitsalltag und welche Faktoren wichtig sind, um sich für ein Auslandsfellowship zu entscheiden. 

Von:

Elena Repges und Dr. Alexander Schulz

 

09.10.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Dr. Alexander Schulz

Repges: Kannst du uns mehr über deine aktuelle Forschungsarbeit im Bereich Herz-MRT erzählen?

 

Schulz: Während meiner Zeit in London habe ich mich insbesondere mit der MRT bei angeborenen Herzfehlern bei Feten beschäftigt. Später dann in Göttingen, in der Arbeitsgruppe von Prof. Andreas Schuster, war mein Forschungsschwerpunkt die Darstellung von Pathomechanismen bei Herzinsuffizienz-Patienten und -Patientinnen, wobei die Fahrradbelastungs-MRT eine große Rolle spielte. Klinisch fasziniert mich jedoch auch die einzigartige Fähigkeit der MRT zur Gewebecharakterisierung, insbesondere im Bereich der Kardiomyopathien. Meine Arbeit hier in Boston dreht sich nun sowohl um die Fahrradbelastungs-MRT, als auch um die Darstellung spezieller Kardiomyopathien – und verbindet meine Vorerfahrungen mit ganz neuen Möglichkeiten.

 

Repges: Wie sieht dein typischer Alltag als Forschungsarzt an der Harvard University aus und welche Unterstützung erfährst du von Seiten der Gastgeberinstitution?

 

Schulz: Einen „typischen Alltag“, vergleichbar mit einem durchstrukturierten klinischen Alltag, gibt es hier nicht. Selbstverständlich arbeitet man täglich an seinen Projekten, aber die Tagesgestaltung bleibt flexibel. Und auch wenn die Arbeitszeit theoretisch auf täglich 8 Stunden im Office festgesetzt ist, kann man die konkrete Start- und Endzeit wie in einem Gleitzeitmodell recht flexibel legen. Das ist für mich eine neue und auch angenehme Erfahrung, weil es eine ungewohnte Flexibilität und Freiheit für Hobbys und alltägliche Pflichttermine ermöglicht. Natürlich gibt es auch Fixtermine, wie die MRT-Scans, bei denen man anwesend ist, um gemeinsam das Protokoll zu planen, zu optimieren und anschließend den Scan auszuwerten. Ich werde von einem festen Mentor supervidiert und habe zudem erfahrene Kolleginnen und Kollegen aus Medizin, Physik und Ingenieurwesen, die mir jederzeit unterstützend zur Seite stehen. In der Arbeitsgruppe haben wir 2x/Woche Progress-Meetings, in denen die Ziele für die Woche festgesetzt und Ergebnisse präsentiert werden bzw. Fragen geklärt und Ideen besprochen werden können. Ich habe aber auch zu schätzen gelernt, dass einem während der Arbeitszeit viel Raum gegeben wird, selbständig Ideen zu entwickeln und sich innovative Ansätze zu überlegen. Es wird sogar aktiv gefordert, sich dafür die Zeit zu nehmen und seine Ideen dann in der Gruppe vorzustellen und zu diskutieren. Zudem werden wir unterstützt, aktiv an Fortbildungen teilzunehmen. Dies betrifft sowohl fachliche Fortbildungen vor Ort aber auch Fortbildungen von Harvard zur persönlichen Entwicklung in Form von Mentoring-Programmen. Das Dasein als Post-Doc hat hier einen ganz eigenen Stellenwert und die „Post-Doc-Stelle für Medizinerinnen und Mediziner“ ist in Deutschland in dieser Form auch nicht so populär und üblich. Hier wird man in dieser Karrierephase konkret gefördert um das entsprechende wissenschaftliche und persönliche „know-how“ zu erlangen, welches dir in zukünftigen akademischen Schritten nützlich sein kann.

 

Repges: Wenn du von 8 Arbeitsstunden täglich sprichst – wie sieht denn die Realität aus? Ich selbst habe oft das Gefühl, in der Forschung noch mehr zu arbeiten, da es mich persönlich ja weiterbringt. Da lässt sich ein guter Abschluss nur schwer finden.

 

Schulz: Das ist ein wichtiger Punkt, den du anbringst. Wir alle, die die Forschung gerne machen, ziehen – glaube ich – die Motivation häufig aus dem persönlichen Erfolg und auch dem persönlichen Spaßfaktor. Das ist ein Grund, weshalb ich vorhin betont habe, dass die Auswahl des Themas eine so hohe Priorität haben sollte. Klar, am Ende ist es wie sonst auch und ich arbeite oft nicht nur 8 Stunden pro Tag. Aber nicht, weil man es von mir erwartet, ganz im Gegenteil, mir wurde von Seite des Labors sogar deutlich gemacht, dass es Ziele und Progress-Vereinbarungen gäbe, wie ich dort hinkomme, ist jedoch auch zum Teil meine Verantwortung und abhängig von meiner eigenen Motivation und Zeiteinteilung. Somit arbeite ich an manchen Tagen länger, da ich kein gutes Ende finde und es mir, so wie du es sagst, großen Spaß macht, was ich gerade tue. Das muss aber nicht jeden Tag so sein und an schlechten Tagen bin ich auch froh, pünktlich nach Hause gehen zu können.

 

Ich denke jedoch, wenn man sich für einen Forschungsaufenthalt im Ausland entscheidet, dann macht man das auch nicht nur, um einfach „Geld zu verdienen“, sondern auch zum Teil für sich selbst. Selbstverständlich fehlt mir oft die spannende Abwechslung der klinischen Arbeit, aber es ist großartig, sich für eine klar umschriebene Zeit mal ausschließlich der Forschung und persönlichen Weiterbildung während seiner Hauptarbeitszeit und nicht nur in seiner Freizeit zu widmen. Und das alles damit zu verbinden, ein neues Land, eine andere Kultur, andere Möglichkeiten und Leute kennen zu lernen, finde ich wundervoll. 

Dr. Alexander Schulz

Dr. Alexander Schulz ist Assistenzarzt am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen und aktuell als PostDoc an der Harvard Medical School im Beth Israel Deaconess Medical Center tätig. Sein Forschungsgebiet ist die nicht-invasive kardiovaskuläre Bildgebung mit einem Schwerpunkt im Bereich der kardialen MRT.

Bildquelle: Herzzentrum Göttingen

Elena Repges

Elena Repges ist Assistenzärztin an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin der Uniklinik Bonn. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der vaskulären Inflammation und Atherosklerose.

Bildquelle: Privat

Repges: Du sprichst schon einen wichtigen Punkt an – Forschung ist oft Freizeit. Das ist ja nur eine von vielen Herausforderungen, zumindest hier in Deutschland. Was waren denn für dich bisher die größten Herausforderungen, denen du in deiner Forschungsarbeit begegnet bist, und wie hast du diese überwunden?

 

Schulz: Ich glaube, die Bereitschaft, seine Freizeit dafür zu „opfern“, ist mit eine der größten Herausforderungen. Auch wenn die Arbeit oft Freude bereitet, gibt es viele Dinge, die man in seiner freien Zeit genauso gern tun würde. Aktuell gibt es im klinisch-wissenschaftlichen Alltag nur begrenzte Lösungen dafür, sodass dieser innere Konflikt mit sich selbst, den Freunden und der Familie ein täglicher Begleiter ist. Abgesehen davon braucht man eine gewisse Resilienz, da man wieder und wieder Aufgaben wiederholt, in der Überzeugung, dass daraus wichtige Ergebnisse entstehen, obwohl man das auf dem Weg dorthin nie absehen kann. Und dann kommt die Frustration, wenn die eigene Begeisterung für Ergebnisse nicht von der Wissenschaftsgemeinde geteilt wird (unabhängig von der Berechtigung). Hier hilft Austausch und Beistand von anderen Fellows, da man merkt, dass man nicht allein ist und dass andere ähnliche Szenarien bereits erlebt haben. Neben den Ratschlägen ist die Kommunikation über die Herausforderungen für mich oft wertvoll gewesen. Zuletzt ist es, gerade als Physician Scientist, oft das hohe Maß an Selbstständigkeit, welches gefordert wird und einen zu Beginn hin und wieder auch überfordern kann, da einem das methodische und wissenschaftliche Grundlagen-Know-how fehlt. Die Lösung ist oft einfacher als erwartet – durch simples „Einfordern“ von Unterstützung und Erklärungen von Senior Scientists. Dennoch mangelt es in Deutschland trotz wachsender Angebote noch an strukturierten Programmen, die diese Kompetenzen gezielt vermitteln.

 

Repges: Was ist deiner Meinung nach der beste Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt?

 

Schulz: Die Frage ist, denke ich, nicht pauschal zu beantworten, da der Lebensplan von jedem sehr individuell ist. Jeder von uns hat während und nach dem Studium andere Herausforderungen und Vorstellungen, was die ersten Berufsjahre angeht, auch bezüglich der Familien- oder Lebensplanung.

 

Ich denke, es ist wichtig, dass jeder für sich entscheidet, ob überhaupt und falls ja, wann er oder sie sich einen Forschungsaufenthalt im Ausland vorstellen kann. Denn wenn man den Aufenthalt von Anfang an in einen bestimmten Zeitpunkt „hereinzwingt“, ist er wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Man ist nie zu jung oder zu alt, um einen solchen Schritt zu gehen, man muss nur die entsprechende Stelle wählen, welche zu dem aktuellen Punkt der eigenen Karriere passt. So ist zum Beispiel eine Post-Doc-Stelle insbesondere in der frühen Post-Doc-Zeit hilfreich, um danach zurück in der Heimat auch erfolgreich weiterarbeiten zu können. Hierbei sollte man auch die Facharzt-Zeit von der Forschungs-Zeit abgrenzen, da sich das ganz individuell und unabhängig bei jedem von uns entwickeln kann. Eine pauschale „Vor dem oder nach dem Facharzt“-Empfehlung kann man somit nicht aussprechen. Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die haben das auch mit ihren Partnern und Kindern gemacht. Selbstverständlich gehören dann dort mehr Menschen dazu, die diese Entscheidung dann gemeinsam treffen, aber das zeigt, dass es nie „zu spät“ ist.

 

Ich glaube jedoch, es lohnt sich bereits im frühen Studium zu erkunden, ob das Arbeiten entfernt von Heimat/Freunde/Familie in einem anderen Umfeld allgemein etwas für einen ist. Sei es in einem Praktikum, einer Famulatur, PJ-Tertial oder ähnlichem. Und falls man merkt, dass es einen anspricht, kann man sich gleichzeitig auch früh überlegen, wie, ob und wann man es in sein Arbeitsleben integrieren möchte. Bis auf die Organisation steht oft weniger im Weg, als man glaubt.

 

Repges: Du klingst insgesamt ja sehr begeistert, aber würdest du sagen, man soll um jeden Preis ins Ausland gehen? Egal ob es an eine Prestige-Universität ist, oder doch an ein kleineres Labor? Was hältst du für besonders wichtig, um erfolgreich in der Forschung zu sein?

 

Schulz: Die Frage nach dem Labor ist schwierig. Klar mögen größere Universitäten andere Möglichkeiten bieten und sie lesen sich „schöner“ im Lebenslauf. Andererseits ist die Betreuung in kleinen Laboren häufig individueller und persönlicher. Als ich mich nicht entscheiden konnte, hat ein guter Freund zu mir gesagt: „Wenn der wirklich allerschlimmste Fall eintritt und die Forschung gar nicht voran geht und die Arbeit keinen Spaß macht, dann hast du am Ende halt doch nur für dein Geld gearbeitet, etwas (für das Leben) gelernt und ganz sicher eine gute Zeit in einer lebenswerten Stadt in einem anderen Land gehabt.“

 

Für den Erfolg in der Forschung halte ich drei Punkte für besonders wichtig: Begeisterung und Motivation zur intensiven Auseinandersetzung mit Fragestellungen, Mentoring durch eine erfahrene Person, die wertvolle Unterstützung und Orientierung bietet, und Durchhaltevermögen helfen, Rückschläge zu überwinden und langfristige Ziele zu verfolgen.


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