Politik-Update: Apothekenreform, Primärarztsystem, Notfallreform und mehr

 

Der Berufspolitiker und Kardiologe Dr. Norbert Smetak berichtet regelmäßig im Interview mit Herzmedizin.de über aktuelle Entwicklungen in der Gesundheitspolitik aus der Sicht der Niedergelassenen. Dieses Mal geht es um die verpflichtende Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA), die Anpassung der Krankenhausreform, die Vergütung der kommenden Hybrid-DRGs, die Steuerung der Patientinnen und Patienten sowie Notfall- und Apothekenreform.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

31.10.2025

 

Bildquelle (Bild oben): K-i-T / Shutterstock.com

 

 

HERZMEDIZIN: Seit dem 1. Oktober ist die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) verpflichtend in den Praxen. Wie erleben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen diese nächste Phase der Einführung?

 

Smetak: Erst mal erleben wir, dass die Nachfrage seitens Patientinnen und Patienten sehr gering ist. Sie sind häufig wenig informiert und nicht mit der Nutzung vertraut. Das Thema ist bei vielen noch nicht wirklich angekommen. Wir sehen zudem weiterhin in großem Umfang das Fehlen strukturierter Daten. Solange das der Fall ist, bleibt die Praktikabilität bei uns als Behandelnde umstritten. Darüber hinaus sehen wir hinsichtlich Schweigepflicht zum Beispiel das dreitägige Zugriffsrecht von Apotheken als problematisch an.


Wir wollen, dass die ePA fliegt. Denn wir glauben, dass sie mittelfristig zwingend notwendig ist, um eine sinnvolle, patientenorientierte Therapie zu ermöglichen. Aber offen gesagt: Uns wäre eine „Arztakte“ lieber, in der wir definieren, was sinnvollerweise enthalten ist. Bei allem Selbstbestimmungsrecht haben die Patientinnen und Patienten nicht immer den Überblick darüber, was für uns als Ärztinnen und Ärzte wichtig ist. Die Patientinnen und Patienten können sehr viel in die ePA packen – oder Informationen herausnehmen, ohne uns das zu sagen.


Das bedeutet, wenn der Sinn darin liegt, Doppeluntersuchungen zu vermeiden, lässt sich das leicht durch Entfernen von Befunden umgehen. Auf der Seite gibt es also immer noch Haken und Ösen. Wenn man propagiert, dass wir jetzt endlich ein digitales Tool mit vielen Möglichkeiten und eine digitale Vernetzung haben, dann sollte es auch konsequent umgesetzt sein. Ich sehe große Erwartungen auch hinsichtlich der Versorgungsforschung. Dafür braucht es strukturierte Daten. Die jetzigen Daten sind Textwüsten und helfen uns nicht. Also: Viele Chancen, im Moment noch wenig Erfolg.


Zudem halten wir die Sanktionierung nicht für sinnvoll, denn es gibt viele Praxisverwaltungssysteme (PVS), die die technischen Anforderungen für die ePA noch nicht erfüllen. Dafür Kolleginnen und Kollegen zu bestrafen, ist fragwürdig. Sanktionen waren nie eine Motivation, Dinge zu tun. Man sollte eine gute Digitalisierung liefern, dann braucht es keine Sanktionen. Wenn die Systeme es nicht hergeben oder strukturell schlecht sind, bringt Bestrafung auch nichts. Das erzeugt nur Widerstand.

FAQ Elektronische Patientenakte (ePA)

Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten begann am 15. Januar 2025. In den Modellregionen Hamburg und Umland, Franken sowie Teilen Nordrhein-Westfalens starteten Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Leistungserbringer mit der Nutzung der ePA.

Der bundesweite Rollout folgte am 29. April 2025 mit einer Hochlaufphase. Seitdem können Praxen, Krankenhäuser und Apotheken die ePA regulär verwenden.

Seit dem 1. Oktober 2025 sind diese Einrichtungen verpflichtet, die ePA zu nutzen.

Auch private Krankenversicherungen können ihren Versicherten eine ePA anbieten. Viele Anbieter befinden sich derzeit in der Vorbereitungs- oder Umsetzungsphase.

Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten umfassend über die elektronische Patientenakte (ePA) zu informieren.

Auch Ärztinnen und Ärzte haben Informationspflichten: Sie müssen ihre Patientinnen und Patienten darüber aufklären, welche Daten sie im Rahmen ihrer Befüllungspflichten in der ePA speichern. Die Versicherten können der Übermittlung und Speicherung dieser Daten widersprechen.

Vor der Speicherung von potenziell diskriminierenden oder stigmatisierenden Informationen – etwa zu sexuell übertragbaren Infektionen, psychischen Erkrankungen oder Schwangerschaftsabbrüchen – besteht eine besondere Hinweispflicht auf das Widerspruchsrecht.

Darüber hinaus sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, ihre Patientinnen und Patienten auf den Anspruch auf die Befüllung der ePA mit weitergehenden Daten hinzuweisen.

Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) steht zunächst die elektronische Medikationsliste zur Verfügung. Diese befüllt sich automatisch auf Basis der Informationen aus dem E-Rezept und bietet einen Überblick über die verordneten und abgegebenen Arzneimittel.

Auf Wunsch können Versicherte ihre Krankenkasse beauftragen, vorliegende Papierdokumente zu digitalisieren und in die ePA zu übertragen.

Seit dem 1. Oktober 2025 sind Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Leistungserbringende verpflichtet, wesentliche medizinische Dokumente aus der Behandlung (z. B. Arztbriefe, Befundberichte) in die ePA einzustellen.

Freiwillig bzw. auf Wunsch der Versicherten können zusätzlich weitere Daten eingetragen werden, darunter:

 

  • Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU)
  • Daten im Rahmen von Disease-Management-Programmen (DMP)
  • Daten aus der Pflege und pflegerischen Versorgung
  • Hinweise zur Organspende oder zur Patientenverfügung

 

Auch bereits erhobene Befunde oder Diagnosen aus Vorbehandlungen können – sofern medizinisch sinnvoll – in die ePA übernommen werden.

In medizinischen Einrichtungen werden die Daten der aktuellen Behandlung in die elektronische Patientenakte (ePA) eingetragen. Dies kann durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte selbst oder ärztlich delegiert durch medizinische Fachangestellte bzw. pflegerisches Personal erfolgen.

Auch Patientinnen und Patienten können eigene Dokumente in ihre ePA hochladen; diese werden im System entsprechend gekennzeichnet.

Ein automatisches Hochladen von Behandlungsdokumenten findet nicht statt. Das medizinische Personal entscheidet, welche Unterlagen (z. B. Arztbriefe, Befundberichte) in die ePA eingestellt werden. Lediglich E-Rezept-Daten für die Medikationsliste sowie Abrechnungsdaten der Krankenkassen werden automatisch in die ePA übernommen.

Vor dem Einstellen von Dokumenten sind die Patientinnen und Patienten zu informieren; sie können der Speicherung widersprechen.

Ja, Daten in der elektronischen Patientenakte (ePA) können gelöscht werden; die Löschung ist jedoch endgültig – einmal entfernte Informationen können nicht wiederhergestellt werden.

Die Versicherten können Daten eigenständig über ihre ePA-App löschen. Alternativ können sie zugriffsberechtigtes medizinisches Personal – etwa Ärztinnen und Ärzte – mit der Löschung beauftragen.

Auf Verlangen der Versicherten dürfen entsprechend berechtigte Leistungserbringende Daten aus der ePA entfernen. Jeder Löschvorgang wird automatisch protokolliert und ist für die Versicherten nachvollziehbar einsehbar.

Der Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePA) ist grundsätzlich an einen Behandlungskontext gebunden.

Ärztinnen und Ärzte erhalten standardmäßig für 90 Tage Zugriff auf die ePA ihrer Patientinnen und Patienten. Damit können auch längerfristige Behandlungen abgedeckt werden. Über die ePA-App können Versicherte diesen Zugriff verkürzen oder verlängern. Es ist auch möglich einen bestimmten Zeitraum festzulegen, der über 90 Tage hinausgeht. Das bietet sich beispielsweise bei der eigenen Hausarztpraxis an.

Apothekerinnen und Apotheker haben nach dem Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) standardmäßig für drei Tage Zugriff auf die ePA. Auch hier können Versicherte den Zeitraum anpassen oder den Zugriff vollständig ausschließen.

Versicherte können die Zugriffsrechte zusätzlich inhaltlich begrenzen: Über die ePA-App lässt sich einzelnen Ärztinnen oder Ärzten der Zugriff auf die gesamte Akte verwehren. Einzelne Dokumente (z. B. Arztbriefe, Befunde) können „verborgen“ werden, sodass sie nur von den Versicherten selbst eingesehen werden können. Dokumente können zudem vollständig gelöscht werden.

Alle Zugriffe auf die ePA werden automatisch protokolliert. Das Zugriffsprotokoll enthält Datum, Uhrzeit, Einrichtung und Art des Zugriffs (z. B. Ansicht oder Hochladen von Dokumenten). Versicherte können dieses Protokoll über die ePA-App einsehen oder herunterladen. Alternativ kann es auch über die Ombudsstellen der Krankenkassen angefordert werden.

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit. Die elektronische Patientenakte (ePA) für alle. URL: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/digitalisierung/elektronische-patientenakte/epa-fuer-alle.html, letzter Zugriff 31.10.2025.

Krankenhausreform: „Nicht optimal, dass alles verzögert wird“

 

HERZMEDIZIN: Anderes Thema, Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG): Am 8. Oktober wurde der Kabinettbeschluss vorgenommen. Inwieweit sehen Sie hier Konsequenzen für die Kardiologie und für die Niedergelassenen?


Smetak: Zunächst einmal bedeutet das KHAG für die Kliniken eine gewisse Schonfrist in manchen Bereichen, die über mögliche Sonderregelungen in den Ländern durch eine dreijährige Übergangsfrist definiert wurde. Für die Niedergelassenen kann es bedeuten, dass die Ambulantisierung schleichender vorangeht – wobei wir die Ambulantisierung präferieren. Das geht dann auch über in das Thema Hybrid-DRGs – inwieweit sich das KHAG darauf auswirkt, ist aus meiner Sicht noch nicht abschließend abzuschätzen.


Bei der Inneren Medizin besteht nach wie vor das Problem, dass die Angiologie nicht richtig abgebildet ist. Das betrifft indirekt auch die Kardiologie, weil viele Kolleginnen und Kollegen kardiologisch und angiologisch in Kliniken tätig sind. Es bleibt abzuwarten, wie die Ausarbeitung der Rahmenbedingungen erfolgt. Da sind noch viele Punkte offen: Wie viele Ärztinnen und Ärzte werden benötigt? Man hat sich bereits darauf geeinigt, dass eine Arzt-Vollzeitstelle 38,5 Stunden umfasst, aber es stehen noch viele Detaillösungen aus.


Für die Niedergelassenen sehe ich aktuell keine riesigen Auswirkungen. Für die Gesamtkonstellation halte ich es allerdings für nicht optimal, dass alles verzögert wird. Wir brauchen diese Reform aus finanziellen und strukturellen Gründen. Fachlich sind Themen wie Leistungsgruppen, die Vorhaltevergütung und die Eingriffe in die Strukturen ein komplexes Thema. Aber wir müssen schneller vorankommen – nicht nur im Gesundheitswesen, sondern in der Politik insgesamt hakt es sehr.

Zur Person

Dr. Norbert Smetak

Dr. Norbert Smetak ist niedergelassener Kardiologe in Kirchheim unter Teck. Der 66-Jährige ist seit vielen Jahren auf berufspolitischer Ebene in führenden Positionen bei unterschiedlichen Ärzteverbänden aktiv: Vorsitzender bei MEDI, Vorstandsmitglied beim Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands e. V. (SpiFa), Bundesvorsitzender des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen e. V. (BNK) sowie Vizepräsident beim Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. (BDI).

Dr. Norbert Smetak, niedergelassener Kardiologe aus Kirchheim und Berufspolitiker
Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

Nachbesserung bei Hybrid-DRG-Vergütung gefordert

 

HERZMEDIZIN: Sie haben bereits die Hybrid-DRGs angesprochen. Gibt es dazu etwas Neues? Das Institut des Bewertungsausschusses (InBA) und das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) waren mit der Kalkulation der Vergütung der Fallpauschalen beauftragt worden.


Smetak: Die entsprechenden Vorschläge sind inzwischen eingegangen und wurden an die Fachgruppen weitergegeben. Wir haben sie auch aus Sicht des BNK bearbeitet. Es ist sehr intransparent, wie die Zahlen zustande gekommen sind. Es gab eine große Tabelle, mit der man sich auseinandersetzen durfte, und es wurden nur 14 Tage oder weniger für eine Stellungnahme eingeräumt. Das allein schon ist ein Unding.


Die Hybrid-DRGs machen aus unserer Sicht Sinn. Aber die Ausgestaltung erfordert noch einiges an Nachbesserung. Es fehlen in verschiedenen Bereichen wichtige Leistungen, zum Beispiel war die einfache Herzschrittmacher-Implantation gar nicht abgebildet. Da muss dringend nachgearbeitet werden.


Es wurden erstmals Zahlen geliefert, mit denen man arbeiten kann. Das heißt aber nicht, dass wir damit zufrieden sind. Es hängt noch von der Berücksichtigung von Zuschlägen ab, besonders in Bezug auf Sachkosten. Es ist unklar, was genau in den angelieferten Zahlen enthalten ist und was nicht. Wie verhält es sich zudem mit Ausnahmen, beispielsweise bei Interventionen mit unterschiedlichen Stents oder mehreren Stents? Das ist derzeit nicht klar.

 

Wir brauchen Transparenz in Bezug auf a) die Berechnungsgrundlagen, b) die Auswirkungen bei Sachkosten sowie c) Klarheit zur geplanten Degression der Vergütung, was kontraproduktiv für die Ambulantisierung wäre. Kurz: Es gibt Zahlen ja, aber eine solide Datengrundlage fehlt. Es bleibt ein erheblicher Nachbesserungsbedarf.


HERZMEDIZIN: Wie wird es bei den Hybrid-DRGs weitergehen?


Smetak: Der sogenannte ergänzte erweiterte Bewertungsausschuss (bestehend aus jeweils zwei Vertretenden der KBV, des GKV-Spitzenverbands und der DKG sowie zwei Unparteiische) wird erneut dazu diskutieren. Es werden sicherlich einige Punkte an das InEK zurückgehen. Dabei gibt es Zeitdruck, weil das Inkrafttreten für den 1. Januar vorgesehen ist.


Wenn es nicht rechtzeitig zu einem tragfähigen Ergebnis kommt, droht eine Ersatzvornahme, also eine Festlegung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Diese Möglichkeit besteht immer. So hatte das BMG auch bei der Einführung der Hybrid-DRGs per Ersatzvornahme den Katalog festgelegt, weil sich die Beteiligten nicht einigen konnten. Da das InEK von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) getragen wird, welche die Hybrid-DRGs kritisch sieht, entsteht zumindest der Eindruck, dass die Verzögerung und die wenig transparente Datengrundlage nicht völlig zufällig sind.

Primärarztsystem: Auch Kliniken und Facharztgruppen zur Patientensteuerung

 

HERZMEDIZIN: Primärarztsystem und Patientensteuerung zeichnen sich als ein wichtiges Thema für das kommende Jahr ab. Im Koalitionsvertrag ist ein solches System festgeschrieben. Wo sehen Sie die Rolle der niedergelassenen Kardiologinnen und Kardiologen und gibt es aktuell Beratungen in den kardiologischen Fachverbänden?

 

Smetak: Ja, es ist angedacht und im Koalitionsvertrag verankert, dass sowohl kollektiv als auch selektivvertraglich ein Primärarztmodell umgesetzt werden soll. Zudem steht bereits im Vertrag, dass internistische Krankheitsbilder durchaus von den Facharztgruppen selbst als Primär- oder koordinierende Ärztinnen und Ärzte begleitet werden können.


Wir standen über den fachärztlichen Spitzenverband (SpiFa) im Austausch mit dem BMG und werden weiter eingebunden, sobald es weitergeht. Dann wird man sich auch innerhalb der DGK und gemeinsam mit der ALKK positionieren, was für ein Modell aus kardiologischer Sicht sinnvoll ist. Zum Beispiel ergibt es aus fachlicher Sicht keinen Sinn, Device-Patientinnen und -patienten zur Routinekontrolle jedes Mal zuerst zu den Hausärztinnen und -ärzten zu schicken. Auch bei Personen mit schwerer Herzinsuffizienz sehe ich das so. Bei Krankenhausentlassungen sollte eine direkte Weiterleitung an die niedergelassenen Kardiologinnen und Kardiologen möglich sein, beispielsweise bei der bereits erwähnten schweren Herzinsuffizienz – auch zur Vermeidung von verzögerten Aufdosierungen in der hausärztlichen Versorgung, die wir leider immer wieder beobachten. Für solche und ähnliche Fälle ließe sich gemeinsam ein Katalog definieren.


Es wird ein großes Thema werden. Dabei könnte auch die Steuerung über eine Eigenbeteiligung ein Ansatz sein. Am Ende ist der Geldbeutel doch ein wichtiges steuerndes Instrument und wir haben leider partiell eine „Flat-Rate-Mentalität“ entwickelt. Wenn man das Kostenbewusstsein etwas schärft, dann schadet das mit Sicherheit nicht.


HERZMEDIZIN: In der Vergangenheit gab es bereits eine 10-Euro-Praxisgebühr, die wieder abgeschafft wurde. Wie könnte eine solche Patientensteuerung durch Eigenbeteiligung zukünftig aussehen, auch oder besonders unter Berücksichtigung von vulnerablen und benachteiligten Gruppen?


Smetak: Es gibt Modelle in anderen Ländern wie Frankreich, wo pro Arztbesuch beispielsweise 25 Euro anfallen. Oder Krankenkassen differenzieren über unterschiedliche Tarife und Eigenanteile, je nachdem wie sich die Patientinnen und Patienten an die Steuerungsstrukturen halten. Besonders im Notfallbereich könnten Fehlanreize reduziert werden. In Israel wird zum Beispiel bei ungerechtfertigter Nutzung der Notfallversorgung nachträglich ein Betrag erhoben.


Natürlich müssen sozial schwache Gruppen berücksichtigt werden. Das war auch bei der früheren Praxisgebühr so. Allerdings war auch eine zunehmende Zahl an Ausnahmeregeln ein Grund, warum die Steuerungswirkung nachließ. Zudem stand der Verwaltungsaufwand irgendwann in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen. Grundsätzlich sind verschiedene Modelle vorstellbar. Das wird man gemeinsam durchdeklinieren müssen.

„Wenn sich die GOÄneu verschiebt, wäre die Kardiologie darüber nicht unglücklich“

 

HERZMEDIZIN: Im Spätsommer sollten Nachverhandlungen zur neuen Gebührenordnung für Ärzte und Ärztinnen (GOÄneu) stattfinden. Haben die Clearing-Gespräche stattgefunden? Wie geht es weiter?


Smetak: Die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat verlauten lassen, dass sie die GOÄneu jetzt angehen möchte, um Mitte nächsten Jahres einen Vorschlag vorzulegen. Wir sind weiter an Nachverhandlungen beteiligt. Die Politik hat allerdings auch deutlich gemacht, dass sie kaum direkten Einfluss auf einzelne Vergütungspositionen nehmen wird, die Entwicklung aber begleiten will, um massive Verschiebungen zu vermeiden.


Wir haben klar kommuniziert, dass es auch für den Industriestandort Deutschland problematisch wäre, wenn zentrale Untersuchungen nicht mehr finanziell darstellbar sind. Insgesamt gibt es aber noch keine relevanten Neuigkeiten. Ein Inkrafttreten der GOÄneu wäre frühestens 2027 vorgesehen. Wenn der Entwurf erst Mitte 2026 kommt, wäre nach meiner Einschätzung frühestens Mitte 2027, eher Ende 2027 vorstellbar. Wer weiß jedoch, ob diese Regierungskoalition so lange hält, um es umsetzen zu können, da gibt es auch schon Zweifel. Wenn sich die GOÄneu weiter verschiebt, wäre die Kardiologie darüber im Moment nicht unglücklich.

Notfallreform: Verbindliche digitale Ersteinschätzung wichtig

 

HERZMEDIZIN: Wie steht es um die Notfallreform?


Smetak: Auch die Notfallreform soll jetzt angegangen werden. Dabei ist Verbindlichkeit ein zentraler Punkt. Wenn bestimmte Krankenhäuser für die Notfallversorgung vorgesehen sind, darf es nicht passieren, dass andere Einrichtungen, die nicht im Plan stehen, trotzdem „die Türen aufmachen“. Sonst wird der gewünschte Steuerungseffekt zunichte gemacht.


Ganz wichtig ist, dass eine digitale Ersteinschätzung kommt. Dabei ist meines Erachtens wesentlich, dass solche Ersteinschätzungssysteme auch KI-basiert lernen können – was aktuell gesetzgeberisch verboten ist. Daran muss gearbeitet werden. Denn da sehe ich großes Potenzial an Entlastung in der Notfallversorgung.


Noch mal zur Verbindlichkeit: Wenn die Ersteinschätzung sagt, die betreffende Person kann eine Schmerztablette nehmen oder einen Termin beim Hausarzt vereinbaren und muss nicht in die Notaufnahme, dann muss das auch umgesetzt werden – und bei Nichteinhaltung braucht es Sanktionen. Sonst verpufft die Steuerungswirkung.

Apothekenreform: „Wir haben Bedenken“

 

HERZMEDIZIN: Abschließend: Aktuell steht eine weitere Reform in der Diskussion – die Apothekenreform.


Smetak: Ich werde wahrscheinlich im Gesundheitsausschuss zu dem Thema Apothekenreform gehört, vom BDI aus. Wir haben Bedenken: Wenn verschreibungspflichtige Medikamente künftig in Apotheken verordnet werden könnten, konterkariert das die medizinische Ausbildung. Zu einer Verschreibung bzw. Behandlung gehört mehr als ein Rezept und die Medikamentenausgabe: Anamnese, aktuelle Laborwerte, Therapieplanung etc. Solange solche Informationen nicht zuverlässig in der ePA vorliegen, halte ich das für sehr problematisch.


Zum Impfen in Apotheken: Wir sind für mehr Impfungen in Praxen, auch kardiologischen Praxen, sowie in Kliniken – wozu wir seitens DGK und Nationaler Herz-Allianz bereits einen Aufschlag gemacht haben. Es ergibt aus unserer Sicht keinen Sinn, Aufgaben in die Apotheken zu verlagern, die bereits genug zu tun haben.


Besonders kritisch sehe ich Blutwertbestimmungen wie Cholesterin oder NT-proBNP in Apotheken. Das erzeugt nur Folgekosten, wenn das nicht evidenzbasiert gemacht wird. Wir müssen aufpassen, dass hier nicht eine Fehlentwicklung stattfindet, die am Ende nichts bringt. Ich habe vorgeschlagen, dass den Notdienstbereichen ein Dispensierrecht eingeräumt wird, damit sie die Medikamente direkt ausgeben können. Das entlastet Apotheken und hilft Patientinnen und Patienten. Die Apothekerschaft sieht das wenig überraschend kritisch.


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