Herzinsuffizienz – deshalb ist eine kardiologische Reha so wichtig

Verschlechtert sich eine Herzschwäche plötzlich, spricht man von einer Dekompensation – ein lebensbedrohlicher Notfall, der im Krankenhaus behandelt werden muss. Eine kardiologische Reha hilft, die Lebensqualität nach einem solchen Vorfall wieder zu erhöhen und die Heilung positiv zu beeinflussen. Doch nur wenige Betroffene nehmen das Angebot wahr.

Von Sandra Arens 

 

15.10.2024

 

Bildnachweis (Bild oben): AdobeStock / contrastwerkstatt

Dekompensierte Herzinsuffizienz – was ist das?

Die Dekompensation einer Herzschwäche – medizinisch Herzinsuffizienz genannt – ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der meist blitzartig mit schweren Symptomen wie Atemnot, Husten, kaltem Schweiß oder Herzrasen einsetzt. Für die meisten Betroffenen ist dies ein Schock. Sie werden von jetzt auf gleich von der massiven Verschlechterung ihrer Erkrankung überrollt. Viele wussten vielleicht sogar noch nicht einmal etwas von ihrem schwachen Herzen. Denn: Eine Herzinsuffizienz entwickelt sich oft schleichend – und der Körper schafft es meist lange, diese Schwäche selbst aufzufangen und auszugleichen. Ist der Punkt erreicht, an dem dies nicht mehr gelingt, spricht man von Dekompensation. Was folgt, ist die Notaufnahme, sofortiges Handeln von Kardiologinnen und Kardiologen und die stationäre Aufnahme, bis sich der Zustand der Patientinnen und Patienten bessert – aber wie geht es danach weiter?

 

Kardiologische Reha: Sich aufgefangen fühlen nach dem Notfall

Menschen mit Herzinsuffizienz stehen nach einer Dekompensation vor großen Herausforderungen. Häufig ist die Psyche durch den lebensbedrohlichen Zustand angeschlagen, der Körper hat gelitten und der Alltag zu Hause scheint nicht schaffbar. „Hier setzt die kardiologische Reha an“, erklärt Prof. Dr. med. Rainer Hambrecht, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin II – Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am Klinikum Links der Weser in Bremen. „Sie hilft den Betroffenen dabei, besser zu verarbeiten, was geschehen ist und zu begreifen, was sich in ihrem Leben ändern muss, um erneute Dekompensationen zu verhindern.“ Deshalb erhielten alle Betroffenen standardmäßig das Angebot einer solchen Anschluss-Reha. Doch angenommen wird es viel zu selten: Weniger als zehn Prozent der Patientinnen und Patienten entscheiden sich in Deutschland dafür. Eine vertane Chance, sagt der Kardiologe. „Eine zeitnahe kardiologische Reha kann weitere Krankenhausaufenthalte verhindern, die körperliche Belastbarkeit und die Lebensqualität stärken sowie die Prognose der Betroffenen verbessern.“

Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Kardiologische Reha“?

Streng genommen spricht man von einer sogenannten Anschlussheilbehandlung (AHB), die Patientinnen und Patienten nach einer Dekompensation ihrer Herzschwäche wahrnehmen können. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme, die so bald wie möglich nach der Entlassung aus der Klinik beginnen sollte – spätestens aber drei Monate danach. Was viele nicht wissen: Die drei- bis vierwöchige Behandlung muss nicht unbedingt in einer Rehaklinik  stattfinden, Betroffene können sie auch teilstationär oder ambulant durchführen.

Das passiert in einer kardiologischen Reha-Klinik

Die kardiologische Reha besteht vor allem aus drei Bausteinen, die auch in den entsprechenden Leitlinien zur kardiologischen Rehabilitation festgehalten sind: Angeleitete Bewegungstherapie, psychokardiologische Betreuung und medikamentöse Therapie. „Über all dem steht das Ziel, Menschen wieder in ihren Beruf und das Alltagsleben zu integrieren und damit ihre Lebensqualität zu verbessern“, erklärt Prof. Dr. med. Rainer Hambrecht. Neben den drei oben genannten Schwerpunkten geht es in der kardiologischen Reha auch um Ernährungstherapie, Entspannungstraining, um Wissensvermittlung zur Erkrankung und, bei Bedarf, um Hilfestellung zur Rauch-Entwöhnung.

 

Sport als Schwerpunkt der kardiologischen Reha

Nun könnte man meinen: All das ließe sich auch zu Hause erlernen. Joggingschuhe an und raus in die Natur! Ab sofort selbst und frisch kochen! Auf die Medikamenteneinnahme achten! Doch so einfach ist es nicht. Viele Menschen sind durch die Maßnahmen überfordert und verunsichert. „Eine kardiologische Reha-Klinik hilft, den Anfang zu finden und zu erfahren, was guttut und was nicht“, sagt Prof.  Dr. med. Rainer Hambrecht. Besonders hebt er dabei die Bewegung hervor. „Sport ist wie ein Medikament. Er wirkt effektiv einer Herzschwäche entgegen.“ Doch nicht immer sei Bewegung bereits ein Teil des Alltags der Betroffenen. Viele von ihnen müssten neu lernen, wie wichtig Sport für ihre Gesundheit ist. In der kardiologischen Reha werden ihre drängendsten Fragen beantwortet: Wie fange ich an? Wie sehr darf ich mich überhaupt belasten? Welche Sportart ist geeignet? „In einer kardiologischen Reha führen Physiotherapeutinnen und -therapeuten die Menschen unter ärztlicher Kontrolle sanft an das Thema heran“, sagt der Mediziner.

 

zum Experten

Prof. Dr. med. Rainer Hambrecht

Prof. Dr. med. Rainer Hambrecht ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin II – Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, Sportmedizin, Zusatzqualifikation Sportkardiologie Stufe III am Klinikum Links der Weser in Bremen.

Bildquelle: Stiftung Bremer Herzen

Medikamentöse Therapie – Beratung schafft mehr Akzeptanz

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die medikamentöse Therapie und die dazugehörige Beratung in einer Reha, betont Prof.  Dr. med. Rainer Hambrecht: „Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus ist es, Betroffene nach dem Akutfall medikamentös richtig einzustellen.“ Dort fehle aber die Zeit, jedes Medikament mit den Patientinnen und Patienten durchzugehen und deren Bedeutung zu erklären – in der Reha sei sie da. „Und das ist sehr wichtig“, sagt der Kardiologe. „Viele Betroffene müssen mehrere Tabletten am Tag schlucken. Und wir wissen, dass die Bereitschaft dazu sinkt, je mehr es sind. Viele Patientinnen und Patienten lassen dann selbstständig von beispielsweise vier Tabletten zwei einfach weg.“ Das könne fatale Folgen haben – und kann verhindert werden, wenn den Menschen die Wichtigkeit der Einnahme nahegebracht werde.

 

Die Psyche nicht vergessen – mehr Zeit für die Seele in der Reha

Das Herz und die Psyche  sind eng miteinander verbunden. Fühlen wir uns gestresst oder traurig, kann sich das auf unser Herz niederschlagen, Herzprobleme entstehen lassen oder bestehende verschlimmern. Menschen, die eine Dekompensation ihrer Herzschwäche durchgemacht haben, sind meist noch einmal besonders sensibel. Viele haben Angst, dass sich der Vorfall wiederholt. Auch diesen Gefühlen nehmen sich Expertinnen und Experten in einer kardiologischen Reha an – beispielsweise durch Psychotherapie, Gruppentherapien oder auch Entspannungsangeboten.

 

Was passiert nach der kardiologischen Reha?

Apropos Psyche: Auch die Zeit in der Reha-Klinik endet nach einigen Wochen. Spätestens dann muss der Alltag wieder beginnen. Um auch hier für einen sanften Übergang zu sorgen und Patientinnen und Patienten nicht allein zu lassen, gibt es die Möglichkeit, ein Jahr lang einmal im Monat an speziellen Kursen teilzunehmen – dieses Konzept wird auch Intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA) genannt. In diesen Kursen werden beispielsweise Ergometer-, Crosstrainer- oder Laufbandtrainings angeboten, ebenso Entspannungstrainings.

 

Chronische Herzschwäche: Auch hier gibt es Reha-Angebote

Was viele nicht wissen: Es gibt auch Reha-Möglichkeiten für Menschen mit Herzschwäche, die (noch) keine Dekompensation erlebt haben. Um genau ein solche lebensbedrohliches Ereignis zu verhindern, können sie eine sogenannte „allgemeine Rehabilitation“ beantragen. Die Inhalte einer solchen allgemeinen Reha unterscheiden sich aber kaum von den Maßnahmen, die Menschen nach einer Dekompensation erwarten. Auch hier geht es vor allem darum, Menschen in die Bewegung zu bringen, Wissen über ihre Erkrankung zu vermitteln, die Psyche zu stärken und ein Bewusstsein für die Bedeutung der medikamentösen Therapie zu schaffen. Ein weiteres Angebot sind die sogenannten Herzgruppen, die es überall in Deutschland gibt. Hier treffen sich Betroffene zum gemeinsamen Bewegen – die Kurse werden von den Krankenkassen bezahlt. Hier können Sie die passende Herzgruppe für sich finden.

Diese Seite teilen