Keine Antikoagulation bei Device-detektiertem Vorhofflimmern?

 

ESC Congress 2025 | NOAH-AFNET 6: Die randomisierte Studie hatte zuvor keinen Vorteil einer Antikoagulation mit Edoxaban vs. Placebo bei Patientinnen und Patienten mit Device-detektiertem Vorhofflimmern gezeigt. Dr. Nina Becher (UKE Hamburg) präsentierte jetzt die Ergebnisse einer Win-Ratio-Analyse von NOAH-AFNET 6, die zeitgleich publiziert wurden.1,2


Die Referentin und Erstautorin, Dr. Nina Becher (UKE Hamburg), berichtet und Prof. Rolf Wachter (Universitätsklinikum Leipzig) kommentiert.

Von:

Dr. Nina Becher

UKE Hamburg

 

Kommentiert von:

Prof. Rolf Wachter

Rubrikleiter Herz & Hirn

 

16.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Songquan Deng / Shutterstock.com

Studiendesign und Methodik

 

In der prospektiven NOAH-AFNET-6-Studie (Non vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High-Rate episode) wurde die Effektivität und Sicherheit einer oralen Antikoagulation geprüft.3 Hierzu wurden 2.534 Patientinnen und Patienten mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF) (Episoden detektiert im Schrittmacher, Defibrillator oder implantierbarem Looprecorder ≥ 6 Minuten) randomisiert mit dem oralen Antikoagulans Edoxaban oder mit Placebo behandelt. Die Patientinnen und Patienten wiesen zuvor kein klinisch im EKG diagnostiziertes Vorhofflimmern auf. Primärer Endpunkt waren Schlaganfälle, systemische Embolien oder kardiovaskuläre Todesfälle. Der Sicherheitsendpunkt war Tod oder schwere Blutung nach der ISTH-Definition. In einem doppelblinden, doppel-dummy Design erhielten Patientinnen und Patienten mit bestehender ASS-Indikation in der Placebo-Gruppe ASS statt Placebo; dies betraf 55 % der Patientinnen und Patienten; 45 % erhielten Placebo ohne Wirkstoff. NOAH-AFNET 6 wurde nach der Randomisierung aller Patientinnen und Patienten und nach Beobachtung von 81 % der primären Endpunkte wegen erwarteter Sicherheitssignale und einem Trend zur Unwirksamkeit abgebrochen..

Ergebnisse

 

In der nun vorgestellten Win-Ratio-Analyse wurden 2.534 Patientinnen und Patienten analysiert (Durchschnittsalter 77 ± 7 Jahre, 947 (37 % Frauen, medianer CHA₂DS₂ VA-Score  3 (IQR 3–4), mediane Nachbeobachtungsdauer 21 Monate (IQR 10–38).2
Für die Win-Ratio-Analyse wurden die Endpunkte hierarchisch geordnet. Am schwersten wog Tod ((1) Gesamtmortalität), gefolgt von (2) Schlaganfall, (3) systemische Embolie, Myokardinfarkt oder Lungenembolie sowie (4) schwere Blutungen. Als zusätzliche Analyse wurde (5) Lebensqualität verglichen. In weiteren Analysen wurden alternative Hierarchien untersucht, beispielsweise die Substitution der Gesamtmortalität durch kardiovaskulären Tod, sowie die Einbeziehung zusätzlicher Endpunkte wie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Ferner wurden zusätzlich die Win-Odds berechnet, um die Anzahl unentschiedener Vergleiche zwischen Edoxaban und Placebo zu berücksichtigen.

Limitationen

 

70 % der eingeschlossenen Patientinnen und Patienten hatten einen CHA2DS2VASc-Score von 1 oder 2, alle Patientinnen und Patienten bekamen im Jahr vor dem Einschluss in die Studie ein mindestens zweimaliges Herzrhythmusmonitoring über 1-3 Tage. Das Follow-up lag bei 2 Jahren, die Entscheidung zum Absetzen der Antikoagulation ist aber eine sehr langfristige Entscheidung. Mit größerem zeitlichen Abstand ist zu erwarten, dass es häufiger zu (asymptomatischen) Vorhofflimmerrezidiven kommt, dann könnte sich ein Verzicht auf eine Antikoagulation als schädlich erweisen.

Fazit

 

Zwei wesentliche Ergebnisse lassen sich ableiten: Erstens erlitten die meisten Patientinnen und Patienten mit DDAF während der gesamten Nachbeobachtungszeit keine Ereignisse. Zweitens zeigte diese Hypothesen-generierte Analyse – unabhängig davon, ob die Lebensqualität als zusätzlicher Endpunkt berücksichtigt wurde oder nicht – nach Einbeziehung von Todesfällen, thrombotischen Ereignissen und schweren Blutungen keinen Vorteil einer Antikoagulation mit Edoxaban gegenüber keiner Antikoagulation bei Patientinnen und Patienten mit DDAF. Somit ist es bei vielen Patientinnen und Patienten mit DDAF gerechtfertigt, auf eine Antikoagulation zu verzichten. Basierend auf gemeinsamen Analysen der Daten von NOAH-AFNET 6 und ARTESIA ist eine Antikoagulation bei Vorliegen einer vaskulären Erkrankung, also vorhergehendem Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit erwägenswert.4,5

Kommentar von Prof. Rolf Wachter

 

Die Ergebnisse der Win-ratio-Analyse aus der NOAH-AFNET-6-Studie bestätigen die Ergebnisse der Primäranalyse. Eine Antikoagulation mit Edoxaban brachte den Patientinnen und Patienten bei Device-detektiertem Vorhofflimmern keinen Vorteil gegenüber Acetylsalicylsäure/Placebo. Die klinischen Implikationen der NOAH-AFNET-6- und der ARTESIA-Studie bleiben dadurch unverändert: Bei Patientinnen und Patienten mit Device-detektiertem Vorhofflimmern mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte oder einer manifesten KHK oder pAVK kann man eine Antikoagulation erwägen, bei allen anderen Patientinnen und Patienten sollte man bei Device-detektiertem Vorhofflimmern eher darauf verzichten.

Zur Person

Dr. Nina Becher

Dr. Nina Becher ist Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie und als Oberärztin im Herz- und Gefäßzentrum am UKE Hamburg tätig, wo Sie schwerpunktmäßig im Device-Bereich tätig ist. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen Devices, device-detektiertem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz.

Zur Person

Prof. Rolf Wachter

Prof. Rolf Wachter ist stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Seine klinische Tätigkeit umfasst die gesamte Kardiologie mit Schwerpunkten in der interventionellen Kardiologie und der Herzinsuffizienz. Zusätzlich nimmt er diverse Funktionen in wissenschaftlichen Fachgesellschaften wahr. (Bildquelle: Universitätsklinikum Leipzig)

Mehr zum Thema

Referenzen

 

  1. Becher N. NOAH-AFNET 6 - Effects of anticoagulation or placebo in patients with device-detected atrial fibrillation and multiple stroke risk factors: A win ratio and win odds analysis of the NOAH-AFNET 6 trial. Late-Breaking Clinical Science: stroke prevention, 01.09.2025, Madrid, ESC 2025
  2. Becher N et al. Effects of anticoagulation in patients with device-detected atrial fibrillation and multiple stroke risk factors: a win ratio analysis of the NOAH-AFNET 6 trial. Eur Heart J Qual Care Clin Outcomes 2025. doi: 10.1093/ehjqcco/qcaf087
  3. Kirchhof P et al. Anticoagulation with Edoxaban in Patients with Atrial High-Rate Episodes. N Engl J Med 2023;389:1167-1179. doi: 10.1056/NEJMoa2303062
  4. Schnabel RB et al. Anticoagulation in device-detected atrial fibrillation with or without vascular disease: a combined analysis of the NOAH-AFNET 6 and ARTESiA trials. Eur Heart J 2024;45:4902-4916. doi: 10.1093/eurheartj/ehae596
  5. Tönnis T et al. DGK-Positionspapier zum Umgang mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF). Die Kardiologie 2025;19:270–284. doi: 10.1007/s12181-025-00750-y

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