In der prospektiven NOAH-AFNET-6-Studie (Non vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High-Rate episode) wurde die Effektivität und Sicherheit einer oralen Antikoagulation geprüft.3 Hierzu wurden 2.534 Patientinnen und Patienten mit Device-detektiertem Vorhofflimmern (DDAF) (Episoden detektiert im Schrittmacher, Defibrillator oder implantierbarem Looprecorder ≥ 6 Minuten) randomisiert mit dem oralen Antikoagulans Edoxaban oder mit Placebo behandelt. Die Patientinnen und Patienten wiesen zuvor kein klinisch im EKG diagnostiziertes Vorhofflimmern auf. Primärer Endpunkt waren Schlaganfälle, systemische Embolien oder kardiovaskuläre Todesfälle. Der Sicherheitsendpunkt war Tod oder schwere Blutung nach der ISTH-Definition. In einem doppelblinden, doppel-dummy Design erhielten Patientinnen und Patienten mit bestehender ASS-Indikation in der Placebo-Gruppe ASS statt Placebo; dies betraf 55 % der Patientinnen und Patienten; 45 % erhielten Placebo ohne Wirkstoff. NOAH-AFNET 6 wurde nach der Randomisierung aller Patientinnen und Patienten und nach Beobachtung von 81 % der primären Endpunkte wegen erwarteter Sicherheitssignale und einem Trend zur Unwirksamkeit abgebrochen..
In der nun vorgestellten Win-Ratio-Analyse wurden 2.534 Patientinnen und Patienten analysiert (Durchschnittsalter 77 ± 7 Jahre, 947 (37 % Frauen, medianer CHA₂DS₂ VA-Score 3 (IQR 3–4), mediane Nachbeobachtungsdauer 21 Monate (IQR 10–38).2
Für die Win-Ratio-Analyse wurden die Endpunkte hierarchisch geordnet. Am schwersten wog Tod ((1) Gesamtmortalität), gefolgt von (2) Schlaganfall, (3) systemische Embolie, Myokardinfarkt oder Lungenembolie sowie (4) schwere Blutungen. Als zusätzliche Analyse wurde (5) Lebensqualität verglichen. In weiteren Analysen wurden alternative Hierarchien untersucht, beispielsweise die Substitution der Gesamtmortalität durch kardiovaskulären Tod, sowie die Einbeziehung zusätzlicher Endpunkte wie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Ferner wurden zusätzlich die Win-Odds berechnet, um die Anzahl unentschiedener Vergleiche zwischen Edoxaban und Placebo zu berücksichtigen.
70 % der eingeschlossenen Patientinnen und Patienten hatten einen CHA2DS2VASc-Score von 1 oder 2, alle Patientinnen und Patienten bekamen im Jahr vor dem Einschluss in die Studie ein mindestens zweimaliges Herzrhythmusmonitoring über 1-3 Tage. Das Follow-up lag bei 2 Jahren, die Entscheidung zum Absetzen der Antikoagulation ist aber eine sehr langfristige Entscheidung. Mit größerem zeitlichen Abstand ist zu erwarten, dass es häufiger zu (asymptomatischen) Vorhofflimmerrezidiven kommt, dann könnte sich ein Verzicht auf eine Antikoagulation als schädlich erweisen.
Zwei wesentliche Ergebnisse lassen sich ableiten: Erstens erlitten die meisten Patientinnen und Patienten mit DDAF während der gesamten Nachbeobachtungszeit keine Ereignisse. Zweitens zeigte diese Hypothesen-generierte Analyse – unabhängig davon, ob die Lebensqualität als zusätzlicher Endpunkt berücksichtigt wurde oder nicht – nach Einbeziehung von Todesfällen, thrombotischen Ereignissen und schweren Blutungen keinen Vorteil einer Antikoagulation mit Edoxaban gegenüber keiner Antikoagulation bei Patientinnen und Patienten mit DDAF. Somit ist es bei vielen Patientinnen und Patienten mit DDAF gerechtfertigt, auf eine Antikoagulation zu verzichten. Basierend auf gemeinsamen Analysen der Daten von NOAH-AFNET 6 und ARTESIA ist eine Antikoagulation bei Vorliegen einer vaskulären Erkrankung, also vorhergehendem Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit erwägenswert.4,5
Die Ergebnisse der Win-ratio-Analyse aus der NOAH-AFNET-6-Studie bestätigen die Ergebnisse der Primäranalyse. Eine Antikoagulation mit Edoxaban brachte den Patientinnen und Patienten bei Device-detektiertem Vorhofflimmern keinen Vorteil gegenüber Acetylsalicylsäure/Placebo. Die klinischen Implikationen der NOAH-AFNET-6- und der ARTESIA-Studie bleiben dadurch unverändert: Bei Patientinnen und Patienten mit Device-detektiertem Vorhofflimmern mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte oder einer manifesten KHK oder pAVK kann man eine Antikoagulation erwägen, bei allen anderen Patientinnen und Patienten sollte man bei Device-detektiertem Vorhofflimmern eher darauf verzichten.
Zur Übersichtsseite ESC Congress 2025