Kein Benefit durch Ivabradin

 

ESC Congress 2025 | PREVENT-MINS: In der randomisierten Phase-3-Studie wurde untersucht, ob Ivabradin vor Myokardschäden (MINS) nach einer nicht-kardialen OP bei Personen mit hohem Risiko schützt. Prof. Wojciech Szczeklik (Krakau, Polen) stellte die Studiendaten in der Session Hot Line 5 vor, die zeitgleich publiziert wurden.1,2

 

Prof. Julinda Mehilli (LAKUMED Klinik Landshut) kommentiert.

Von:

Prof. Julinda Mehilli

LAKUMED Klinik Landshut

 

04.09.2025

 

Bildquelle (Bild oben): Songquan Deng / Shutterstock.com

 

Eine Myokardschädigung tritt bei nahezu 14 % der Patientinnen und Patienten auf, die sich einem nicht-kardialen Hochrisiko-Eingriff unterziehen.3,4 Zu den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren gehören eine perioperative Tachykardie sowie Blutdruckabfälle, die zu erhöhtem myokardialem Sauerstoffverbrauch und Schädigung führen. Zwar kann die perioperative Gabe von Betablockern die Herzfrequenz wirksam senken, jedoch gehen symptomatische Bradykardie und Hypotension mit einer erhöhten perioperativen Mortalität einher. Aus diesem Grund wird eine routinemäßige Betablockertherapie vor nicht-kardialen chirurgischen Eingriffen in den ESC-Leitlinien nicht empfohlen (Klasse I, LOE A).3 Ivabradin, wird bei Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) und Herzinsuffizienz zur Frequenzkontrolle eingesetzt. Sein Vorteil liegt in der Reduktion der Herzfrequenz ohne gleichzeitige Blutdrucksenkung.

Studiendesign und Methodik

 

Die PREVENT-MINS-Studie untersuchte den Effekt einer perioperativen Ivabradin-Gabe auf die Inzidenz perioperativer Myokardschädigungen (MINS). Eingeschlossen wurden 2.101 Patientinnen und Patienten mit atherosklerotischen Erkrankungen (z. B. KHK, pAVK oder vorausgegangenem Schlaganfall) oder einem hohen kardiovaskulären Risikoprofil (z. B. Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Alter ≥70 Jahre). Die Patientinnen und Patienten wurden in 26 polnischen Kliniken 1:1 randomisiert und erhielten entweder Ivabradin (5 mg oral 2 x täglich, beginnend 1 Stunde vor bis maximal 7 Tage nach dem Eingriff) oder Placebo. Primärer Endpunkt war die 30-Tage-Inzidenz von MINS.

 

Die Studie wurde im März 2025 auf Empfehlung des unabhängigen Data Monitoring Committee aufgrund von Futility nach einer geplanten Interimsanalyse vorzeitig beendet.

Ergebnisse

 

Das mittlere Alter der Patientinnen und Patienten betrug 70 Jahre, 50 % waren Frauen und rund 80 % unterzogen sich einem Hochrisiko-Eingriff. Bei allen Patientinnen und Patienten erfolgte leitliniengerecht eine Bestimmung des hochsensitiven Troponins vor sowie an den 3 Tagen nach dem Eingriff.
Die 30-Tage-Inzidenz von MINS betrug 17,0 % in der Ivabradin-Gruppe und 15,1 % in der Placebo-Gruppe (RR 1,12; 95%KI [0,92; 1,37]; p=0,25). In einer Subgruppenanalyse zeigte sich unter Ivabradin ein erhöhtes MINS-Risiko bei Patientinnen und Patienten mit KHK (RR 1,49; 95%KI [1,03; 2,16]; pInteraktion=0,056). Die intraoperative Herzfrequenz war in der Ivabradin-Gruppe niedriger als in der Placebo-Gruppe, während kein Unterschied im Blutdruck bestand. Klinisch relevante Bradykardien traten häufiger unter Ivabradin auf (RR 1,18; 95%KI [1,00;1,40]). 

Fazit

 

Die Autoren und Autorinnen schlussfolgerten, dass die Behandlung mit Ivabradin (5 mg oral, 2 x täglich, über 30 Tage) das Risiko einer perioperativen Myokardschädigung nicht reduzierte. 

Expertenkommentar

 

Die Ergebnisse der PREVENT-MINS-Studie stehen im Einklang mit der bestehenden Evidenzlage. Bei Patientinnen und Patienten mit kardiogenem oder septischem Schock senkt Ivabradin zwar die Herzfrequenz, ohne den Herzindex zu beeinflussen.5 Bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz konnte kein Effekt auf die kardiovaskuläre Langzeitmortalität, die Lebensqualität oder die Rehospitalisationsrate nachgewiesen werden.6

 

Das in der Subgruppe der KHK-Patientinnen und -Patienten beobachtete erhöhte MINS-Risiko unter Ivabradin bleibt schwer erklärbar. Bei Patientinnen und Patienten mit KHK und/oder Herzinsuffizienz zeigten frühere Studien eine erhöhte Inzidenz von Vorhofflimmern unter Ivabradin, unabhängig von linksventrikulärer Funktion oder Dosierung.7 In der PREVENT-MINS-Studie war die Inzidenz neu aufgetretenen Vorhofflimmerns jedoch sehr niedrig und zwischen den Behandlungsgruppen identisch, sodass dies die Beobachtung nicht erklären kann.


Die PREVENT-MINS-Studie ist die bislang größte Untersuchung in diesem Bereich und wird voraussichtlich die kommenden Leitlinien zum Management kardialer Patientinnen und Patienten vor nicht-kardialen chirurgischen Eingriffen maßgeblich beeinflussen.

Zur Person

Prof. Julinda Mehilli

Prof. Julinda Mehilli ist Chefärztin der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin an der LAKUMED Klinik Landshut. Seit über 20 Jahren ist sie in der Patientenversorgungsforschung aktiv und hat als Mitglied verschiedenster Taskforces maßgeblich an der Gestaltung nationaler und europäischer Behandlungsleitlinien mitgewirkt.


Referenzen

 

  1. Szczeklik W. PREVENT-MINS trial: Ivabradine for prevention of myocardial injury after noncardiac surgery. Hot Line 4, 30.08.2025, Madrid, ESC 2025
  2. Szczeklik W et al. Ivabradine in Patients Undergoing Noncardiac Surgery: a Randomized Controlled Trial. Circulation. 2025 Aug 30. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.125.076704. Epub ahead of print. PMID: 40884771.
  3. Halvorsen S, Mehilli J, Cassese S, Hall TS, Abdelhamid M, Barbato E, De Hert S, de Laval I, Geisler T, Hinterbuchner L, Ibanez B, Lenarczyk R, Mansmann UR, McGreavy P, Mueller C, Muneretto C, Niessner A, Potpara TS, Ristić A, Sade LE, Schirmer H, Schüpke S, Sillesen H, Skulstad H, Torracca L, Tutarel O, Van Der Meer P, Wojakowski W, Zacharowski K; ESC Scientific Document Group. 2022 ESC Guidelines on cardiovascular assessment and management of patients undergoing non-cardiac surgery. Eur Heart J. 2022 Oct 14;43(39):3826-3924. doi: 10.1093/eurheartj/ehac270. Erratum in: Eur Heart J. 2023 Nov 7;44(42):4421. doi: 10.1093/eurheartj/ehad577. PMID: 36017553
  4. Vascular Events in Noncardiac Surgery Patients Cohort Evaluation (VISION) Study Investigators et al. Association between complications and death within 30 days after noncardiac surgery. CMAJ. 2019 Jul 29;191(30):E830-E837.
  5. Calabrò LA et al. Ivabradine use in critical care: a systematic review and metanalysis of cardiogenic and septic shock patients. BMC Anesthesiol. 2025 May 30;25(1):276. doi: 10.1186/s12871-025-03121-y.
  6. Benstoem C et al. Ivabradine as adjuvant treatment for chronic heart failure. Cochrane Database Syst Rev. 2020 Nov 4;11(11):CD013004. doi: 10.1002/14651858.CD013004.pub2. PMID: 33147368; PMCID: PMC8094176.
  7. Wang Z et al. Ivabradine and Atrial Fibrillation: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. J Cardiovasc Pharmacol. 2022 Apr 1;79(4):549-557. doi: 10.1097/FJC.0000000000001209. PMID: 34983905

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