„Die GOÄ-Novelle ist fast schon wieder Geschichte“

 

Der Berufspolitiker und Kardiologe, Dr. Norbert Smetak, berichtet regelmäßig im Interview mit Herzmedizin.de über aktuelle Entwicklungen in der Gesundheitspolitik aus der Sicht der Niedergelassenen. Dieses Mal geht es um die Novellierung der Gebührenordnung, die Einführung der ePA im nächsten Jahr und Gewalt in Arztpraxen. Außerdem erläutert er den Stand zu den bevorstehenden Reformgesetzen und zum Gesundes-Herz-Gesetz.

Von:

Martin Nölke

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

01.11.2024

 

Bildquelle (Bild oben): K-i-T / Shutterstock.com

 

 

HERZMEDIZIN: Die Bundesärztekammer (BÄK) und der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) haben sich kürzlich auf einen Entwurf zur Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte und Ärztinnen (GOÄ) geeinigt. Wie stehen die Niedergelassenen zum aktuellen Entwurf und was sind die nächsten Schritte?


Smetak:
Die GOÄ-Novelle ist fast schon wieder Geschichte. Die sogenannte „geeinte GOÄ“ von BÄK und PKV wurde ohne weitere Einbeziehung der ärztlichen Fachvertretungen erstellt und lässt die arzteigene Version, die seit 2019 erarbeitet und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) Anfang 2023 übergeben wurde, nicht wiedererkennen. Aufgrund der massiven Verschiebungen in der jetzigen Version, die die Gesundheitsversorgung gefährden, zeigen wir vom Bundesverband niedergelassener Kardiologen (BNK) gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte (ALKK) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) klare Kante und fordern eine Nachbesserung – wie im Übrigen auch viele andere Fachverbände. Ein Gespräch mit der BÄK ist für Mitte Dezember geplant. Wir rechnen nicht mehr mit einer Umsetzung in dieser Legislaturperiode und gehen davon aus, dass eine GOÄ-Novelle frühestens 2028 greifen würde.

GOÄ: „Keine Sparpolitik auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen“

 

HERZMEDIZIN: Was sind die Hauptkritikpunkte am GOÄ-Entwurf?


Smetak: Gegenüber der letzten Teilnovellierung im Jahr 1996 sieht der Entwurf partiell eine massive Abwertung vor. Das ist nicht erklärbar nach fast 30 Jahren mit Inflation etc. Vor allem bildgebende Verfahren sind von der Abwertung betroffen, darunter auch Herzkatheter-Untersuchungen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um eine ärztliche Tätigkeit, die Handarbeit mit entsprechender Feinfühligkeit erfordert und nicht delegiert werden kann, wie es vielleicht in der Radiologie möglich ist. Ein weiteres Beispiel für den niedergelassenen Bereich ist die Stress-Echokardiographie, die ebenfalls deutlich abgewertet wurde.


Diese Abwertungen um teils 50 % sind weder für Niedergelassene noch für Kliniken tragbar. Problematisch ist auch, dass in der Vergütungsstruktur Steigerungen als Ausgleich für Erschwernisse z. B. im Rahmen technischer Untersuchungen nicht mehr möglich sind, sondern nur noch Abdingungen, also abweichende Honorarvereinbarungen zwischen Leistungserbringenden und Privatversicherten als Einzelvertragsstruktur, was potenziell Konflikte birgt.


Es kann nicht sein, dass hier Sparpolitik auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen betrieben wird.

ePA: Vernetztes Wissen oder Datenfriedhof?

 

HERZMEDIZIN: Wie steht es um die Digitalisierung? Im Januar startet die Testphase der elektronischen Patientenakte (ePA) …


Smetak: Genau, vor dem bundesweiten Roll-out wird zunächst vom 15. Januar bis 15. Februar in zwei Modellregionen, Hamburg und Franken, getestet. Die Geschäftsführung der Gematik zeigt sich optimistisch. Aus Sicht der Niederlassung machen wir uns aber auch Sorgen, weil die Testphase sehr kurz ist. Außerdem könnte die Belastung für die Praxen doch erheblich sein. Aber nicht nur die Praktikabilität wird wichtig sein, sondern auch ein ausreichender Datenschutz, da die Datenspeicherung Cloud-basiert ist und für Forschungszwecke zudem Daten europaweit zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein weiterer Punkt ist die Barrierefreiheit der ePA: Wirklich gut nutzen lässt sie sich nur per Smartphone-App, ansonsten geht es über eine Ombudsstelle, was mit einem entsprechenden Aufwand verbunden ist. Praktikable Lösungen sind gefordert, um weniger technikaffine Patientinnen und Patienten mitzunehmen.

 

Ich bin ein großer Freund der Digitalisierung. Eine Vernetzung der Daten ist absolut zu begrüßen, beispielsweise für die Nachverfolgung von Medikamentenplänen und Diagnosen. Was wir nicht möchten, ist ein Datenfriedhof mit PDFs, Abstürze, langsame Systeme und lange Diskussionen am Tresen. Es bleibt abzuwarten, wie es anläuft. Sollte es nicht gut laufen, wurde auch eine mögliche Verlängerung der Testphase in Aussicht gestellt.

Der 24/7-Erwartungshaltung begegnen

 

HERZMEDIZIN: Zu einem ganz anderen Thema, das medial immer wieder Beachtung findet: Gewalt in Arztpraxen. Sind Sie gesundheitspolitisch mit dem Thema befasst?


Smetak: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat der Initiative des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) seine Unterstützung ausgesprochen bei der Verschärfung des Strafrechts gegen Gewalt in medizinischen Einrichtungen. Wichtig ist meines Erachtens jedoch auch eine öffentliche Kommunikation, dass wir einen Mangel im System haben, und die 24/7-Erwartungshaltung vieler Patientinnen und Patienten dahingehend anpassen, dass nicht jede medizinische Leistung sofort zur Verfügung steht, um den Frust und das Konfliktpotenzial zu senken. Eine klare Steuerung verbindlicher Versorgungswege für die Patientinnen und Patienten könnte zudem Entlastung schaffen. Auch beispielsweise über eine digital unterstützte Ersteinschätzung am Telefon ließe sich die Terminnot, die ich als eine Ursache für das Gewaltpotenzial sehe, senken.

Hot Topics: Krankhausreform, Entbudgetierung und Hybrid-DRGs

 

HERZMEDIZIN: Was sind aus Ihrer Sicht weitere gesundheitspolitische Themen im niedergelassenen Bereich, die aktuell brennen?


Smetak: Es beschäftigen uns weiterhin diverse Reformen, die anstehen: das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), die Entbudgetierung und die Hybrid-DRGs. Am Rande auch die Notfallreform.


Beim KHVVG ist ein kontroverser Punkt die Öffnung der Krankenhausambulanzen. Wir wissen alle, dass die Krankenhäuser dies vielfach nicht wollen und es personell auch nicht abdecken können. Da wird unnötig eine Front gegen die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen aufgemacht. Andererseits entstehen für Niedergelassene, wenn sie kooperativ in Krankenhäusern arbeiten, Probleme hinsichtlich Sozialversicherungspflicht und Scheinselbstständigkeit. Hier könnte man tatsächlich eine Verzahnung schaffen.


Weiterhin möchten wir die Entbudgetierung für Fachärztinnen und Fachärzte vorantreiben. Sie ist für Hausärztinnen und -ärzte im Koalitionsvertrag geplant, aber bislang noch nicht umgesetzt.


Bei den Hybrid-DRGs, die auch laut Koalitionsvertrag vorgesehen sind, fehlen uns noch sinnvolle Rahmenbedingungen für die Kliniken und Niedergelassenen. Die Kalkulationen für die kardiologischen Leistungen durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) sind nicht zielführend. Teils sind Kosten unter dem Niveau des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) angesetzt. Die Kliniken sind dann gezwungen, doch wieder stationäre Leistungen zu erbringen, und die Niedergelassenen erbringen die Leistung dann einfach nicht, wenn sie sich nicht tragen.


HERZMEDIZIN: Abschließend zum Gesundes-Herz-Gesetz: Dazu wird der Bundestag am 6. November beraten. Was denken Sie, wie es da weitergeht?


Smetak: Es wird mit Abstrichen kommen, hoffe ich. Es war ursprünglich viel Unmut entstanden, dass hier der Gesetzgeber mehr oder weniger Therapien empfiehlt bzw. vorschreibt. Das war handwerklich vom BMG nicht optimal gemacht. Durch die Nachbesserungen ist nun der normale Weg über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) berücksichtigt. Fachlich sind zudem Unterschiede in den Leitlinien zu Tage getreten zwischen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sowie denen der European Society of Cardiology (ESC), die wir als Kardiologinnen und Kardiologen unterstützen. Die Diskussion, wonach überspitzt gesagt durch das GHG jeder Mensch Statine erhalten solle, hat der Sache erst mal nicht gutgetan. Dabei geht es im GHG – neben vielen anderen Maßnahmen – darum, Hochrisikopatienten und -patientinnen stärker zu berücksichtigen und präventiv bzw. sekundär präventiv tätig zu werden, bevor ein kardiovaskuläres Ereignis eintritt. Ich hoffe nicht, dass durch die anfänglichen handwerklichen Fehler und die überspitzte Kritik eine Blockadehaltung entsteht.

 

„Das Gesetz hat gute Ansätze, die wir in der Prävention wirklich brauchen.“

Dr. Norbert Smetak zum Gesundes-Herz-Gesetz

Zur Person

Dr. Norbert Smetak

Dr. Norbert Smetak ist niedergelassener Kardiologe in Kirchheim unter Teck. Der 66-Jährige ist seit vielen Jahren auf berufspolitischer Ebene in führenden Positionen bei unterschiedlichen Ärzteverbänden aktiv: Vorsitzender bei MEDI, Vorstandsmitglied beim Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V. (SPIFA), Bundesvorsitzender des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen e. V. (BNK) sowie Vizepräsident beim Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. (BDI).

Dr. Norbert Smetak, niedergelassener Kardiologe aus Kirchheim und Berufspolitiker
Bildquelle: Ronny Kretschmer / HKM

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