Koronare Herzkrankheit

Warum die KHK Depressionen und Ängste auslösen kann – und wie man gegensteuert

Patientinnen und Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK) leiden häufiger unter Depressionen und Ängsten als gesunde Menschen. Diese psychischen Belastungen können den Verlauf einer KHK negativ beeinflussen – in manchen Fällen kann dies das Risiko für einen Herzinfarkt erhöhen. Ein Teufelskreis für Körper und Seele. Welche Strategien helfen, diesem Kreislauf entgegenzuwirken? Wie können Betroffene Unterstützung finden und sich selbst helfen? Antworten darauf gibt Professor Dr. Malte Meesmann, Past-Sprecher der Arbeitsgruppe Psychosoziale Kardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. 

 

Von Sandra Ahrens

 

22.04.2025


Bildquelle (Bild oben): ©Adobe Stock/peopleimages.com

Warum ist die Koronare Herzkrankheit ein Risikofaktor für die Entwicklung von Depressionen und Ängsten?

Die Diagnose einer Koronaren Herzkrankheit  ist oft ein einschneidendes Lebensereignis. Viele Betroffene haben zuvor bereits KHK-Symptome bemerkt – etwa eine unerklärliche Brustenge bei Belastung, Atembeschwerden, starkes Schwitzen oder einen allgemeinen Leistungsabfall. In anderen Fällen verläuft die KHK so schleichend, dass sie lange Zeit unbemerkt bleibt – und dann überraschend in einem Herzinfarkt gipfelt. Das kann zu einer enormen psychischen Belastung führen. Betroffene fühlen sich in ihrem Leben bedroht, viele erleben ein regelrechtes Vernichtungsgefühl. Das erschüttert das Vertrauen in den eigenen Körper, kann das Selbstbild verändern und Lebenspläne zunichtemachen. Hinzukommt die Information der Ärztinnen und Ärzte, dass eine Veränderung des Lebensstils – insbesondere der Ernährung und der körperlichen Aktivität – notwendig ist, um ihren Zustand zu stabilisieren. Dies kann für viele überfordernd wirken und wie ein unüberwindbarer Berg erscheinen. Auf diese Weise können sich Ängste und Depressionen entwickeln – insbesondere bei Personen, die auch vorher schon eine Neigung dazu hatten. 

 

Dr. Malte Meesmann

Dr. Malte Meesmann, Past-Sprecher der Arbeitsgruppe Psychosoziale Kardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.

 

 

Wie wirken sich diese Depressionen und Ängste auf das körperliche Krankheitsbild der KHK aus?

Sie können eine KHK verschlechtern, denn Depressionen und Ängste erhöhen das Stress-Level, was wiederum das Herz belastet. Der Blutdruck und die Herzfrequenz steigen an, der Blutzuckerspiegel erhöht sich und  Entzündungsprozesse an den Gefäßen sind gesteigert. All das sind Risikofaktoren für einen Herzinfarkt. Zudem können Depressionen und Ängste dazu führen, dass sich Betroffene außerstande sehen, ihre Medikamente regelmäßig zu nehmen, ihre Ernährung gesünder zu gestalten und sich vermehrt zu bewegen. Doch genau diese Faktoren sind immens wichtig, um einer Verschlechterung der KHK entgegenzuwirken. Zudem können seelische Belastungen den Schlaf stören – ein Risiko für Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und weitere kardiovaskuläre Probleme. Es kann also tatsächlich ein Teufelskreis aus seelischen und körperlichen Beschwerden entstehen. 

 

Wie lässt sich gegensteuern?

Es gibt viele Ansätze, und der erste Schritt beginnt bereits im Diagnose-Gespräch. Im Idealfall wird es von Ärztinnen und Ärzten besonders einfühlsam geführt. Schon kleine, unbedachte Bemerkungen während der Diagnostik können Betroffene verunsichern – etwa ein beiläufiger Satz wie „Ihr Herz pumpt aber schlecht“, der ohne weitere Erklärung fällt. Auch eine unzureichende Aufklärung darüber, wie das Leben mit einer KHK künftig aussehen wird – und dass sich auch mit dieser Diagnose ein erfülltes, angstfreies Leben führen lässt – kann das Vertrauen der Patientinnen und Patienten erschüttern. In der psychosomatischen beziehungsweise psychokardiologischen Grundversorgung werden Ärztinnen und Ärzte geschult, mit diesen Problemen einfühlsam umzugehen. In solchen Fällen würde ich mir auch wünschen, dass Ärztinnen und Ärzte vermehrt das Konzept des „Motivational Interviewing“ anwenden.

 

Was bedeutet Motivational Interviewing?

Hierbei handelt es sich um eine besondere Form des Arzt-Patienten-Gesprächs. Ärztinnen und Ärzte versuchen dabei, auf Augenhöhe zu kommunizieren und genügend Raum für Fragen und Ängste der Patientinnen und Patienten zu lassen. Das gelingt durch viel Empathie und die Bereitschaft, die Sicht der Betroffenen verstehen zu wollen. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten selbst reflektieren zu lassen, anstatt ihnen Ratschläge, beispielsweise beim Thema Ernährung, oder andere Lebensstil-Änderungen „von oben herab“ zu verordnen. Im Idealfall gelingt es Betroffenen auf diese Weise, eine Selbstwirksamkeit zu entwickeln und die Motivation für eine Lebensveränderung in sich selbst zu finden. Ein solches Gespräch kann die Basis für einen gesunden seelischen Umgang mit der Koronaren Herzkrankheit sein. 

 

Welche Hilfsangebote können Menschen wahrnehmen, die sich dennoch über die Maßen von ihrer Krankheit bedroht fühlen und sogar Depressionen entwickeln?

Zunächst ist es wichtig, sich diesen Umstand einzugestehen. Leider sind psychische Erkrankungen auch heute noch oft ein Tabuthema. Ich ermutige die Betroffenen ausdrücklich, sich von dem Gedanken zu lösen, dass seelische Nöte nicht existieren dürften oder man allein damit zurechtkommen müsste. Wenn KHK-Patientinnen und -Patienten spüren, dass sie im Alltag mit ihrer Diagnose überfordert sind, sollten und dürfen sie sich selbstverständlich an ihren Hausarzt oder ihre Hausärztin oder auch an ihre kardiologische Praxis wenden. Neben der psychokardiologischen Grundversorgung gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten, multimodale Behandlungskonzepte mit  Einbeziehung einer Psychotherapie (etwa Verhaltenstherapie) oder  eine medikamentöse Behandlung. Nach einem Herzinfarkt sollte ein Aufenthalt in einer Reha mit, wenn erforderlich, einem psychokardiologischem Schwerpunkt angestrebt werden. In diesen Programmen lernen die Betroffenen auch, wie sie im Alltag selbst für ihre psychische Gesundheit sorgen können.

 

Wie könnte so eine Selbsthilfe aussehen?

Viele Menschen finden es hilfreich, Entspannungstechniken zu erlernen, um sich aus ihrem Gedankenkarussell rund um die koronare Herzkrankheit und die damit verbundenen Ängste zu befreien. Beispiele hierfür sind Atemübungen, die Progressive Muskelentspannung oder auch autogenes Training. Auch Selbsthilfegruppen können unterstützend wirken, indem sie den Betroffenen zeigen, dass sie mit ihren Ängsten und Sorgen nicht allein sind.

 

Weitere informative Artikel dazu finden Sie auf unserer Übersichtsseite koronare Herzkrankheit.

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