Modell des menschlichen Herzens in einer Arztpraxis, Bildquelle: iStock / Ivan-balvan
Modell des menschlichen Herzens in einer Arztpraxis, Bildquelle: iStock / Ivan-balvan

Nicht-stenosierende Koronarsklerose: die unsichtbare Gefahr

Eine nicht-stenosierende Koronarsklerose bleibt oft unerkannt, da es zwar bereits Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen gibt, diese aber noch keine signifikanten Verengungen der Gefäße und damit zunächst keine Durchblutungsstörungen oder Symptome verursachen. Da die Arteriosklerose aber nach und nach fortschreiten kann, ist frühes Handeln gerade für Hochrisikopatientinnen und -patienten wichtig. Worauf es dabei ankommt.

Von Nicole Benke
 

02.07.2025


Bildquelle (Bild oben): ©iStock / Ivan-balvan

Was für eine Herzkrankheit ist die nicht-stenosierende Koronarsklerose?

Die nicht-stenosierende Koronarsklerose (auch nicht-stenosierende KHK genannt) ist eine frühe Form der koronaren Herzkrankheit (KHK) ausgelöst durch eine Atherosklerose. Bei der nicht-stenosierenden Koronarsklerose gibt es bereits erste Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, diese führen aber noch nicht zu relevanten Gefäßverengungen und damit auch noch nicht zu einem gestörten Blutfluss in den Koronararterien und einer Minderdurchblutung des Herzmuskels (Ischämie). Die Krankheit kann aber fortschreiten und sich zur stenosierenden Koronarsklerose (auch stenosierende KHK genannt) entwickeln. Bei dieser Form ist der Blutfluss in den Koronararterien durch Ablagerungen und Verengungen dann so weit eingeschränkt, dass das Herz nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt wird. 

Diese dynamische Verlaufsform der KHK wird auch als „Chronisches Koronarsyndrom“ (CCS) bezeichnet. Zudem kann jederzeit auch bei einer nicht-stenosierenden KHK eine Plaqueruptur einen vollständigen Koronargefäßverschluss und damit einen akuten Herzinfarkt verursachen.

 

Risikofaktoren: Was verursacht eine nicht-stenosierende KHK?

Verschiedene Risikofaktoren begünstigen die Entwicklung von Atherosklerose und damit einer nicht-stenosierenden Koronarsklerose. Dazu gehören: 

 

  • eine genetische Veranlagung

  • Rauchen

  • Übergewicht 

  • mangelnde körperliche Aktivität

Warum bleibt eine nicht-stenosierende Koronarsklerose oft unerkannt?

Häufig wird eine nicht-stenosierende Koronarsklerose zunächst nicht erkannt, weil sie keine Symptome verursacht. „Da die Diagnose der KHK in dieser frühen Form schwierig ist, kann dies gerade für Risikopatienten gefährlich werden“, sagt Kardiologe Professor Dr. Thomas Klingenheben aus Bonn. „Denn bei manchen Hochrisikopatienten können sich schon im Alter von 20 oder 30 Jahren erste Ablagerungen in den Gefäßen bilden. Weil die Erkrankung in diesem Stadium aber noch asymptomatisch verläuft, kann die Arteriosklerose über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg unbemerkt bleiben und weiter fortschreiten.“ Diagnostiziert wird eine KHK daher meistens erst als stenosierende Koronarsklerose. „Dann haben sich in den Herzkranzgefäßen Verengungen gebildet, die zu Durchblutungsstörungen und damit zu Symptomen wie Angina Pectoris führen, einem Engegefühl oder auch Brennen in der Brust, das Betroffene veranlasst, zum Arzt zu gehen“, so Klingenheben. 

 

Zum Experten

Professor Dr. med. Thomas Klingenheben

Professor Dr. med. Thomas Klingenheben, FESC, ist Kardiologe in der Praxis für Kardiologie Bonn sowie Gründer und Mitbetreiber der ambulanten Herzkatheter-Kooperation Bonn.

Poträt von Prof. Thomas Klingenheben, Bildquelle: ©Lars Bergengruen
Bildquelle: ©Lars Bergengruen

 

 

Wie gefährlich ist eine nicht-stenosierende Koronarsklerose?

Auch wenn die Gefäße noch nicht verkalkt sind, können Plaques mit Entzündungszellen, die sich bei einer nicht-stenosierenden KHK an den Gefäßzellen ablagern, bereits eine potentielle Gefahr für Betroffene darstellen. „Das Tückische an der nicht-stenosierenden Koronarsklerose ist, dass sie insbesondere bei jüngeren Menschen, ausgelöst durch Trigger wie eine Entzündung oder Stress, früh und völlig unerwartet zu einem Herzinfarkt führen kann“, sagt Klingenheben. Ein weiteres Risiko ist das Fortschreiten der nicht-stenosierenden zur stenosierenden Koronarsklerose. Damit steigt das Risiko für Ereignisse wie einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herztod. 

 

ANOCA, INOCA und MINOCA: Was bedeuten die Fachbegriffe?

Bei der KHK ohne signifikante Engstellen (Stenosen) – also einer KHK mit Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, die aber noch keine signifikanten Verengungen der Gefäße und damit zunächst keine Durchblutungsstörungen oder Symptome verursachen – unterscheiden die Fachleute verschiedenen Formen. Bei einer ANOCA (Angina with Non-Obstructive Coronary Artery Disease) haben Betroffene Beschwerden einer Angina-pectoris, ohne dass es nachweisbare signifikante Verengung der Koronararterien gibt. Bei einer INOCA (Ischemia with Non-Obstructive Coronary Artery Disease) kann, z.B. im Belastung-EKG, eine Ischämie, also eine Minderdurchblutung des Herzmuskels, nachgewiesen werden, obwohl keine signifikanten Verengungen der Herzkranzgefäße vorliegen. Bei einer MINOCA (Myocardial Infarction with Non-Obstructive Coronary Artery Disease) tritt ein akuter Herzinfarkt mit typischen Symptomen ohne signifikante Stenosen auf. 

 

 

 

Wie wird die nicht-stenosierenden KHK behandelt?

„Eine gezielte Therapie für die nicht-stenosierende Koronarsklerose gibt es, sofern diese bereits diagnostiziert ist“, erklärt Klingenheben. Diese besteht vor allem aus einer (medikamentösen) Lipidsenkung und der Senkung eines evtl. erhöhten Blutdrucks. 

„Eine Herzkatheteruntersuchung ist hingegen nicht notwendig, da bei geringgradigen Wandveränderungen eine interventionelle Therapie nicht von Nöten ist.“ Betroffene können selbst viel tun, um das Fortschreiten der nicht-stenosierenden Koronarsklerose zu verhindern. „Das Zauberwort heißt Prävention“, sagt der Experte. „Gerade, wenn man weiß, dass man eine familiäre Vorbelastung für Herzkrankheiten hat, sollte man frühzeitig präventiv aktiv werden. Dazu gehört insbesondere der Check der Cholesterinwerte in der Hausarztpraxis. Denn viele Patienten mit Frühformen der Arteriosklerose haben auch zu hohe Cholesterinwerte. Diese können also ein Indikator für eine nicht-stenosierende Koronarsklerose sein.“ 

 

Gegebenenfalls gehören dann Cholesterinsenker mit zum Präventionskonzept. Auch ein erster Check-Up beim Kardiologen kann für Menschen mit Vorbelastung sinnvoll sein. „Bei Hochrisikopatienten mit beginnender Arteriosklerose kann etwa ein CT der Herzkranzadern Klarheit bringen, da dabei früheste Läsionen in den Gefäßen sichtbar sind“, sagt Klingenheben. Für alle ohne familiäre Vorbelastung lohnt sich ebenfalls schon in jungen Jahren der Cholesterin-Check beim Hausarzt. „Das ist ein wichtiger Schritt für die Früherkennung einer KHK. Ebenso die Überwachung des Blutdrucks“, so Klingenheben.  

 

Wie stark kann der Lebensstil die Herzgesundheit beeinflussen?

Auch der Lebensstil hat einen großen Einfluss darauf, wie sich die nicht-stenosierende Koronarsklerose entwickelt. „Wer seinen Lebensstil anpasst, kann dafür sorgen, dass die Ablagerungen nicht schlimmer werden oder sich vielleicht sogar reduzieren“, sagt Klingenheben. Die wichtigsten Stellschrauben sind: 

 

  • Übergewicht reduzieren

  • einen Diabetes gut einstellen 

  • Bluthochdruck behandeln

 

„Den Lebensstil zu ändern, lohnt sich immer“, sagt Klingenheben. „Konsequentes Ausdauertraining etwa kann nachweislich Plaques reduzieren. Studien haben zudem gezeigt, dass sich das 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt um bis zu 30 Prozent und das Risiko für einen Schlaganfall um bis zu 50 Prozent reduzieren, wenn bei bestehender Arteriosklerose der Blutdruck normalisiert wird. Wer aufhört zu rauchen, reduziert sogar beide Risiken, für Herzinfarkt und Schlaganfall, um 50 Prozent. Das schafft keine Pille.“ Wichtig findet der Herzspezialist, dass mit der Sensibilisierung für einen gesunden Lebensstil so früh wie möglich begonnen wird. „Am besten schon im Schulalter. Wenn wir schon Kindern zeigen, was sie für ihre Herzgesundheit tun können, etwa über gutes Schulessen, dann könnten wir viele Herzerkrankungen vermeiden.“ 

 

Nicht-stenosierende Koronarsklerose: die wichtigsten Fragen im Überblick

Eine nicht-stenosierende Koronarsklerose (nicht-stenosierende KHK) ist eine frühe Form der koronaren Herzkrankheit, bei der es bereits zu Veränderungen der Herzkranzgefäße gekommen ist, diese jedoch noch keine bedeutsame Verengung und damit keine Durchblutungsstörung des Herzmuskels verursachen – quasi eine KHK ohne Symptome. Sie verläuft meist ohne Beschwerden, kann aber im weiteren Verlauf fortschreiten. 

Eine KHK wird durch die Arteriosklerose verursacht. Hierbei kommt es durch Ablagerungen (sogenannten Plaques) zur zunehmenden Einengung des betroffenen Gefäßes. Die größten Risikofaktoren sind eine genetische Veranlagung, Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes, zu hohe Cholesterinwerte, Übergewicht, eine mangelnde körperliche Aktivität und Stress.

Eine nicht-stenosierende KHK verursacht keine Symptome und bleibt daher oft  unerkannt. Wenn sie fortschreitet und sich zur stenosierenden KHK entwickelt, kann es zu Symptomen wie einem Engegefühl oder einem Brennen in der Brust kommen, insbesondere bei körperlicher Bewegung. In diesem Fall ist eine allgemein-internistische und kardiologische Diagnostik notwendig, dabei kommen zunächst Untersuchungen wie das Abhören des Herzens, das Bestimmen des Body-Mass-Index oder das Messen des Blutdrucks zum Einsatz. Mittels funktioneller Tests kann die Durchblutung des Herzmuskels während einer Belastung untersucht werden. Diese können ggf. zur besseren Differenzierung mit einer Bildgebung des Herzens (Ultraschall oder MRT) kombiniert werden. Auch ist eine bildgebende anatomische Diagnostik der Herzdurchblutung mittels CT möglich.

Bei sehr ausgeprägtem genetischen Risikoprofil, z.B. bei Kombination von schwerer familiärer Fettstoffwechselstörung sowie Herz-Gefäß-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall in der erstgradigen Verwandtschaft, kann es sinnvoll sein, zur Risikoabschätzung eine nicht-invasive Bildgebung der Koronararterien durchzuführen.

Ist eine nicht-stenosierende KHK bereits diagnostiziert, ist, wie bei Patienten mit bekannter stenosierender KHK, eine medikamentöse Therapie der Risikofaktoren möglich und notwendig. Der Nachweis von arteriosklerotischen Plaques erfordert in der Regel die Absenkung des LDL-Cholesterin-Spiegels auf Werte um 70 mg/dl. Ein eventuell erhöhter Blutdruck wird medikamentös behandelt, vorzugsweise mit Substanzen, die auch günstig auf die Gefäßbiologie wirken – wie ACE-Hemmer oder AT-1 Blocker. Bei nicht bekannten oder diagnostizierten Gefäßveränderungen, aber deutlich erhöhtem Risikoprofil, stellt die wichtigste Maßnahme die Prävention dar. Dazu gehören der Check der Cholesterinwerte beim Hausarzt und die Anpassung des Lebensstils mit ausreichend Bewegung, einer gesunden Ernährung und ggf. einem Rauchstopp. 

Weitere informative Artikel dazu finden Sie auf unserer Übersichtsseite koronare Herzkrankheit.

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