Sport wirkt positiv auf Herz und Kreislauf und senkt den Blutdruck. Das ist bekannt. Eine umfangreiche Studie zeigt nun, dass sogenannte isometrische Übungen, bei denen Muskeln ohne Bewegung angespannt werden, besonders effektiv sind.
Sport wirkt positiv auf Herz und Kreislauf und senkt den Blutdruck. Das ist bekannt. Eine umfangreiche Studie zeigt nun, dass sogenannte isometrische Übungen, bei denen Muskeln ohne Bewegung angespannt werden, besonders effektiv sind.
Von Silja Klassen
28.09.2023
Bildquelle (Bild oben): iStock / stockfour
Laufen, Radfahren, Schwimmen oder zügige Waldspaziergänge tun der Herzgesundheit gut, darin sind sich Experten einig. Zahlreiche Studien bestätigen die positiven Effekte von Ausdauersport. Eine neue Untersuchung lenkt den Blick jedoch auf eine überraschende Sportform, die – wenn sie regelmäßig ausgeführt wird – den Blutdruck eines Menschen drastisch senken kann: sogenannte isometrische Übungen wie die Wandkniebeuge, auch Wandsitz genannt, oder der Unterarmstütz (Plank).
Ein britisches Forscherteam der Universität Canterbury analysierte 270 wissenschaftliche Untersuchungen mit insgesamt rund 18.000 Patientinnen und Patienten, die sich mit dem Zusammenhang von Bewegung und Blutdruck beschäftigten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass – wie erwartet – Übungen wie Laufen, Gehen, Radfahren, Krafttraining und hochintensive Intervalltrainings zur Senkung des Blutdrucks beitragen. Auch die Kombination von Ausdauer- und Krafttraining ist hilfreich. Aber die effektivste Trainingsart, also der beste Blutdrucksenker, insbesondere für diejenigen, die bereits an einer Form von Bluthochdruck litten, war das isometrische Training.
Bei isometrischen Übungen verharrt der Körper mit angespannten Muskeln in einer statischen Position: Die Muskulatur zieht sich zusammen und wird unter Dauerspannung bewegungslos gehalten – wie beispielsweise bei Wandkniebeugen und Unterarmstützen. Die britischen Forscher untersuchten insbesondere drei Arten isometrischer Trainingseinheiten: das Drücken eines Handtrainers, das Festhalten einer Beinstreckermaschine und das Hocken mit dem Rücken gegen eine Wand. „Der Wandsitz ist vermutlich die einfachste Übung für die meisten Menschen, da dafür keine Ausrüstung erforderlich ist“, sagt Prof. Martin Halle von der Technischen Universität München. „Sie können sie morgens zum Beispiel unkompliziert beim Zähneputzen ausführen, beim Telefonieren zuhause oder auch im Büro.“ So funktioniert es:
Stellen Sie sich etwa einen Schritt entfernt mit dem Rücken zur Wand. Die Füße hüftbreit aufstellen und etwas nach außen drehen. Lehnen Sie sich nun mit geradem Rücken zurück an die Wand und rutschen langsam nach unten, bis die Beine im Knie einen rechten Winkel bilden (Oberschenkel parallel zum Boden). Die Füße bleiben während der gesamten Übung fest am Boden. Arme entweder neben dem Körper nach unten hängen lassen oder vor dem Oberkörper ausstrecken.
Nehmen Sie eine Haltung ein wie beim Liegestütz, legen das Gewicht aber auf die Unterarme statt auf die Hände. Diese starre Position halten Sie, je nach Trainingsgrad, für 20 Sekunden oder ein paar Minuten.
Stellen Sie sich mit dem Rücken vor eine Wand, das linke Bein etwas beugen und den rechten Fuß kräftig gegen die Wand drücken, der Unterschenkel ist waagerecht zum Boden. Kreuzen Sie dazu die Arme vor der Brust, sodass die Hände auf der vorderen Schulter liegen. Halten Sie den Oberkörper aufrecht. Halten Sie so lange wie möglich, danach üben Sie mit dem linken Bein.
„Offensichtlich scheint es so zu sein, dass allein die muskuläre Anspannung große Effekte hat“, erklärt Prof. Halle. „Sie trägt stark zur Erweiterung der Gefäße bei und senkt den diastolischen und vor allen Dingen den systolischen Blutdruck. Aktuell wird angenommen, dass der Mechanismus hinter den positiven Effekten die Anspannung der Muskulatur ist, die zur Ausschüttung von Muskelhormonen und -botenstoffen, den sogenannten Myokinen, führt.“ Die Myokine wirken vorbeugend gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und senken den Blutdruck, indem sie die Gefäße elastischer machen. „Die Muskulatur wird angespannt und durch diesen physikalischen Reiz kommt es zur Ausschüttung von Myokinen, die positive Umbauprozesse in den Gefäßen aktivieren“, sagt Prof. Halle. „Zudem wird aus den Endothelzellen, der Innenschicht der Blutgefäße, Stickstoffmonoxid freigesetzt, wenn der Blutfluss gesteigert ist.“ Stickstoffmonoxid wirkt entspannend auf die Blutgefäße, so dass sie sich erweitern. Wenn sich die Muskeln nach der Übung wieder entspannen, wird ein erhöhter Blutfluss möglich. Aufgrund dieser Erkenntnis diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun darüber, die aktuellen Trainingsrichtlinien zur Kontrolle des Blutdrucks zu überprüfen.
Auch wenn isometrische Übungen zunächst ganz einfach erscheinen, „sind sie oft ziemlich intensiv“, sagt Prof. Halle. Wie auch die Studienautoren empfiehlt der Kardiologe dreimal die Woche vier Einheiten Unterarmstütz oder Wandsitz – jeweils für zwei Minuten, ergänzend zu Ausdauer- und Krafttraining. „Ich bin persönlich ein großer Fan von Planks, dem Unterarmstütz. Nicht nur für den Blutdruck, auch koordinativ, sie stärken die ganze Körpermitte.“ Anfänger sollten zunächst einige Pausen einlegen und sich dann langsam steigern.
Bluthochdruck ist einer der größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und die wiederum sind für die meisten Todesfälle verantwortlich. „Wir dürfen die Problematik nicht unterschätzen“, bestätigt Prof. Halle. „In der deutschen Bevölkerung sehen wir bei 30 Prozent der über 40-Jährigen und sogar bei 40 Prozent der Altersgruppe über 50 erhöhte Blutdruckwerte. Insgesamt hat etwa ein Viertel der Weltbevölkerung einen zu hohen Blutdruck. Das ist wirklich wie eine Pandemie. Und sehr viele Betroffene wissen gar nichts von ihrer Erkrankung.“
Ein gesunder Ruheblutdruck wird als Wert unter 130/85 mmHg definiert, Prä-Bluthochdruck bei 130–139/85–89 mmHg und hoher Blutdruck bei 140/90 mmHg oder mehr. Der systolische Blutdruck, die erste Zahl einer Messung, misst den Druck in den Arterien, wenn das Herz schlägt. Der diastolische Blutdruck, die zweite Zahl, misst den arteriellen Druck zwischen den Schlägen, wenn sich der Herzmuskel entspannt.
Isometrische Übungen wie der Wandsitz helfen nicht nur dabei, den Blutdruck zu senken, sondern haben weitere Vorteile:
Die Studie zeigt, dass Ausdauersport wie Laufen oder Schwimmen, Krafttraining mit Gewichten und hochintensives Intervalltraining ebenfalls den Blutdruck senken können, jedoch nur halb so effektiv wie bei den isometrischen Übungen. „Dennoch gehören zum wöchentlichen Trainingsprogramm auch Ausdauersportarten wie Nordic Walking, Wandern, Radfahren und Schwimmen für einen positiven Trainingseffekt auf das Herz-Kreislauf-System“, sagt Prof. Halle. „Wie intensiv und in welcher Taktung, kann jeder genau an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Das Training kann sehr gut mit leichtem Krafttraining kombiniert werden.“
Sportliche Betätigung ist nicht die einzige Empfehlung von Kardiologinnen und Kardiologen für Patienten mit hohem Blutdruck. Sie raten außerdem unbedingt dazu, das Rauchen aufzugeben, so salzarm wie möglich und nach mediterraner Küche zu essen und Übergewicht sowie Stress zu vermeiden. Wer diese Ratschläge befolgt, kann in enger Absprache mit seinem Arzt oder seiner Ärztin höchstwahrscheinlich die Dosis seiner blutdrucksenkenden Medikamente reduzieren oder sogar ganz auf sie verzichten.