ACC 2024: Der Studienüberblick

 

ACC-Kongress 2024 | Vom 6. bis zum 8. April 2024 findet der 73. jährliche Kongress der ACC (American College of Cardiology) in Atlanta statt. Die aktuellen Studien-Highlights der Kardiologie werden in 5 Late-Breaking Clinical Trial und 3 Featured Clinical Research Sessions präsentiert. Hier verpassen Sie nichts, auch wenn Sie nicht live dabei sind. Auf Herzmedizin.de berichten wir zeitnah, ausführlich und verlässlich über Late-Breakers und andere Hot Topics. Freuen Sie sich auf fundierte Beiträge und Kommentare von hochkarätigen Expertinnen und Experten! Hier ist ein Überblick zu den wichtigsten Studien.

Von:

Dr. Heidi Schörken

HERZMEDIZIN-Redaktion

 

PD Dr. Stefan Perings

Senior Editor

 

28.03.2024

 

Bildquelle (Bild oben): Joseph Sohm / Shutterstock

 

Inclisiran als First-Implementierungsstrategie

 

Inclisiran ist als erster Vertreter der neuen siRNA-Wirkstoffklasse bereits seit 2020 zugelassen für Erwachsene mit primärer Hypercholesterinämie oder gemischter Dyslipidämie und unzureichender LDL-C-Senkung. In den bisherigen Phase-3-Studien konnte Inclisiran, das alle 6 Monate subkutan verabreicht wird, den LDL-C-Spiegel um rund 50 % senken. Weiterhin bestätigte eine kürzlich publizierte Analyse gepoolter Daten aus 7 Studien eine gute Langzeitverträglichkeit von Inclisiran über bis zu 6 Jahre.1

Auf dem ACC-Kongress werden jetzt die Ergebnisse der randomisierten offenen Phase-3-Studie, VICTORION-INITIATE, vorgestellt zur Wirksamkeit einer Inclisiran-First-Strategie zusätzlich zur Standardbehandlung bei atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung (ASCVD) und erhöhtem LDL-C (≥ 70 mg/dl) trotz Statintherapie. In die offene randomisierte Phase-3-Studie wurden 450 Personen mit ASCVD (koronare Herzkrankheit, ischämische zerebrovaskuläre Erkrankung oder periphere arterielle Verschlusskrankheit) eingeschlossen, und als primärer Endpunkt wurde die prozentuale LDL-C-Senkung bestimmt.

Eine weitere wichtige derzeit laufende Studie zu Inclisiran ist ORION-4, deren Ergebnisse Ende des Jahres erwartet werden. ORION-4 mit etwa 15.000  Personen mit ASCVD untersucht die Frage, ob Inclisiran die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität langfristig senken kann. Es bleibt also spannend.

Semaglutid bei Herzinsuffizienz, Adipositas und Diabetes

 

Nach den vielversprechenden Daten von STEP-HFpEF erhofft sich das Pharmaunternehmen NovoNordisk nun ebenfalls positive Ergebnisse von STEP-HFpEF DM. In der Phase-3-Studie erhielten 610 Personen mit Herzinsuffizienz, Adipositas und Typ-2-Diabetes randomisiert entweder Semaglutid oder Placebo (1 x wöchentlich) über 59 Wochen. Als primärer Endpunkt wurde die Lebensqualität (KCCQ-Score) erfasst. Ob Semaglutid erneut überzeugen kann, wird Studienleiter Prof. Kosiborod (University of Missouri-Kansas City) auf dem diesjährigen ACC-Kongress berichten.

 

Die Studien VICTORION-INITIATE und STEP-HFpEF DM werden in der Session „Featured Clinical Research I“ am Samstag, den 06.04.2024 vorgestellt.

Shunt-Device bei Herzinsuffizienz

 

Kann RELIEVE-HF endlich positive Ergebnisse für interatriale Shunts zur Therapie der Herzinsuffizienz (HI) liefern? In der Sham-kontrollierten RELIEVE-HF-Studie wurde das Ventura®-Shunt-Device zur linksatrialen Dekompression bei 605 Personen mit HI (mind. NYHA III) aufgrund von HFpEF, HFmrEF oder HFrEF untersucht. Nachdem die REDUCE LAP-HF-Studie im vorletzten Jahr keinen Unterschied zwischen iASD und Sham-Eingriff für den kombinierten Endpunkt zeigen konnte2, werden jetzt die Daten von RELIEVE-HF für den hierachischen primären Endpunktes (Tod, Herztransplantation, HI-Hospitalisierung und Änderung im 6-Minuten-Gehtest) mit besonders großer Aufmerksamkeit verfolgt.

Empagliflozin nach Myokardinfarkt

 

Nach der enttäuschend geringen Aussagekraft von DAPA-MI zur Wirksamkeit von Dapagliflozin nach Myokardinfarkt im letzten Jahr, werden nun die Ergebnisse von EMPACT-MI zur Wirksamkeit von Empagliflozin mit Spannung erwartet. In die Placebo-kontrollierte, randomisierte Studie wurden 6.522 Personen mit akutem Myokardinfarkt eingeschlossen. Durch den primären Composit-Endpunkt aus Gesamtmortalität und Zeit bis zur ersten Herzinsuffizienz-Hospitalisierung hat diese Studie voraussichtlich eine deutlich höhere Aussagekraft als DAPA-MI, in der Dapagliflozin zwar kardiometabolische Outcomes verbessert hatte, aber dies vor allem getrieben durch das geringere Neuauftreten von Typ-2-Diabetes und die Reduktion des Körpergewichts.3

CSL112 zur Senkung des Myokardinfarktrisikos

 

Mehr als 850 Zentren aus 49 Ländern weltweit, darunter auch Deutschland, nahmen an der großen randomisierten Phase-3-Studie, AEGIS-II, teil. Eingeschlossen wurden 18.200 Erwachsene mit akutem Myokardinfarkt. Bei dem Wirkstoff CSL112 handelt es sich um Apolipoprotein A-I, das aus humanem Plasma gewonnen wird. Der Wirkstoff soll als funktioneller Bestandteil von HDL den Cholesterin-Efflux steigern und das Herzinfarktrisiko senken. Doch so viel kann schon verraten werden: CSL112 erfüllte die Hoffnungen nicht. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt, die Verringerung der Mortalität nach 90 Tagen, wurde in AEGIS-II nicht erreicht – das teilte das Pharma-Unternehmen CSL-Behring mit.4

 

RELIEVE-HF, EMPACT-MI und AEGIS-II werden in der Session "Late-Breaking Clinical Trials“ am 06.04. vorgestellt.

Zilebesiran als Add-on gegen Hypertonie

 

Der neuartige siRNA-Wirkstoff Zilebesiran hemmt die Angiotensinogen-Produktion in der Leber und wird zur Blutdrucksenkung alle 6 Monate subkutan verabreicht. In der Phase-2-Studie, KARDIA-1, wurde eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 10 % bei guter Verträglichkeit beobachtet. In KARDIA-2 wurde Zilebesiran als Add-on zusätzlich zu Olmesartan, Amlodipin oder Indapamid bei 672 Erwachsenen mit leichter bis mittelschwerer Hypertonie untersucht. Vorab wurde schon das positive Ergebenis mitgeteilt: Zilebesiran erreichte den primären Endpunkt (signifikante zusätzliche Senkung des Blutdrucks nach 3 Monaten) bei einem ermutigenden Sicherheitsprofil.5

Olezarsen und Plozasiran gegen Hypertriglyzeridämie

 

Die beiden RNA-basierten Wirkstoffe Olezarsen, ein Antisense-Oligonukleotid, und Plozasiran, eine siRNA, inhibieren gezielt die mRNA von apoC-III in Leberzellen und wurden zur Behandlung der Hypertriglyzeridämie entwickelt. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Olezarsen wurde in der randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-3-Studie, BRIDGE-TIMI 73a, mit 152 Personen mit Hypertriglyzeridämie und atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen über 53 Wochen untersucht.

In der randomisierten Phase-2b-Studie, SHASTA-2, erhielten 229 Personen mit schwerer Hypertriglyzeridämie entweder Plozasiran (3 Dosierungsgruppen) oder Placebo. Für beide Wirkstoffe, Olezarsen und Plozasiran, wurde zuvor bereits ein günstiges Sicherheitsprofil beschrieben.6

Eine neue Option für die Lidipsenkung?

 

Lerodalcibep ist als Fusionsprotein aus Adnektin und humanem Serumalbumin ein PCSK9-Inhibitor der 3. Generation. In der randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-3-Studie wurde die Wirksamkeit von Lerodalcibep (1 x wöchentlich subkutan) bei 900 Personen mit einem hohen kardiovaskulären Risiko unter stabiler lipidsenkender Therapie über 52 Wochen untersucht. Als primärer Endpunkt wurde die LDL-Senkung gegenüber Placebo erfasst. Falls die Wirksamkeit und Sicherheit von Lerodalcibep bestätigt wird, könnte dies neue Möglichkeiten in der Lipid-Therapie eröffnen.

 

KARDIA-2, BRIDGE-TIMI 73a, SHASTA-2 und die Studie zu Lerodalcibep werden in der Session "Late-Breaking Clinical Trials II" am Sonntag, den 07.06. präsentiert.

Besseres Überleben nach kardiogenem Schock?

 

Nach der Frustration durch ECLS-SHOCK im letzten Jahr ruhen jetzt die Hoffnungen der Intensivmediziner auf den Daten von DanGer-Shock. In der deutsch-dänischen DanGer-Shock-Studie erhielten 360 Patientinnen und Patienten mit STEMI und kardiogenem Schock randomisiert entweder eine Unterstützung mit der Impella-Mikroaxialpumpe oder eine Standardversorgung. Als primärer Endpunkt wurde die Mortalität jeglicher Ursache nach 180 Tagen der Intention-To-Treat-Population erfasst. Es bleibt abzuwarten, ob die Impella-Pumpe im Gegensatz zur VA-ECMO das Outcome beim kardiogenen Schock signifikant verbessern kann.

Nutzen von Betablockern nach akutem Myokardinfarkt

 

Kann eine Langzeittherapie mit Betablockern nach akutem Myokardinfarkt die Gesamtmortalität und Reinfarkte reduzieren? Dieser Frage ging die multizentrische Register-Studie REDUCE-AMI nach, die in Schweden, Estland und Neuseeland durchgeführt wurde. Rund 5.000 Patientinnen und Patienten mit akutem Herzinfarkt und EF ≥ 50 % erhielten randomisiert eine Langzeitbehandlung mit Betablockern oder keine Behandlung. Der primäre Endpunkt war zusammengesetzt aus: Tod jeglicher Ursache oder neue nicht-tödliche Myokardinfarkte. Die REDUCE-AMI-Studie könnte endlich Evidenz zum Nutzen einer Langzeittherapie mit Betablockern bei Patientinnen und Patienten mit Myokardinfarkt und erhaltener Ejektionsfraktion liefern.


Weitere interessante Studien in dieser Session sind: ULTIMATE-DAPT (einmonatige Ticagrelor-Monotherapie nach PCI bei akutem Koronarsyndrom), TACT-2 (Chelat-Therapie nach Myokardinfarkt bei Typ-2-Diabetes) und SMART ( randomisierte kontrollierte Studie zum Vergleich von Evolut- und SAPIEN-3-TAVI bei Patientinnen und Patienten mit kleinem Aortenanulus).

 

DanGer-Shock, REDUCE-AMI, ULTIMATE-DAPT, TACT-2 und SMART werden in der Session "Late-Breaking Clinical Trials III" am Sonntag, den 07.04. präsentiert.

ARISE-HF und PROACT

 

In der randomisierten Placebo-kontrollierten Phase-3-Studie, ARISE-HF, wurde die Wirksamkeit des selektiven Aldose-Reduktase-Inhibitors (AT-001) als Zusatztherapie zur Typ-2-Diabetes-Standardtherapie bei diabetischer Kardiomyopathie (DbCM) untersucht. Eingeschlossen wurden 675 Personen mit Typ-2-Diabetes und DbCM. Die Studie bestand aus 2 Teilen: Zunächst wurde untersucht, ob AT-001 die Abnahme der funktionellen Kapazität verbessert oder verhindert (gemessen anhand der maximalen Sauerstoff-Aufnahme als primärer Endpunkt über 15 Monate). Im zweiten Teil mit einer Verlängerung von mindestens 12 Monaten wurde die Sicherheit von AT-001 evaluiert. Wie das Pharma-Unternehmen, Applied Therapeutics, bereits bekannt gab, sind die Ergebnisse ermutigend.7


Kann der ACE-Hemmer Enalapril die Kardiotoxizität einer Anthrazyklin-basierten Chemotherapie bei Tumor-Patientinnen und -Patienten verhindern? Zur Beantwortung dieser Frage wurden in die randomisierte Studie PROACT 106 Erwachsene mit Brustkrebs und Non-Hodgkin-Lymphom eingeschlossen. Die Patientinnen erhielten Enalapril (2 x täglich bis zu einer Höchstdosis von 10 mg). Als primärer Endpunkt wurde die kardiale Troponin-T-Freisetzung zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Anthrazyklin-Behandlung und einen Monat nach der letzten Anthrazyklin-Dosis erfasst.  

 

ARISE-HF und PROACT werden in der Session "Late-Breaking Clinical Trials IV" am Montag, den 08.04. präsentiert.

DEDICATE-DZHK6 und ORBITA-COSMIC

 

DEDICATE-DZHK6 ist eine prospektive, randomisierte, multizentrische Studie zum Vergleich der TAVI gegenüber einem chirurgischen Herzklappenersatz bei hochgradiger Aortenklappenstenose. In die Studie des deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) wurden mehr als 1.400 Personen mit mittlerem bis niedrigem Operationsrisiko eingeschlossen. Als primärer Endpunkt werden Schlaganfälle und Todesfälle über 5 Jahre nach Randomisierung erfasst. Auf dem ACC-Kongress werden die 1-Jahres-Ergebnisse präsentiert. Die finalen 5-Jahres-Ergebnisse der Studie werden 2027 erwartet.


In der gleichen Session wird auch die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte ORBITA-COSMIC vorgestellt. In dieser Studie wurde die Wirksamkeit der Intervention mit einem Koronarsinus-Reducer gegenüber einer Placebo-Prozedur bei refraktärer Angina Pectoris untersucht im Hinblick auf die Myokardperfusion im MRT, die Belastungszeit und die Symptome. Eingeschlossen wurden 50 Personen mit refraktärer Angina pectoris und Ischämie.

 

DEDICATE-DZHK6 und ORBITA-COSMIC werden in der Session "Late-Breaking Clinical Trials V" am Montag, den 08.04. präsentiert.

Weitere ACC-Highlights

 

In den Late-Breaking Sessions des ACC werden weitere aufschlussreiche Studien vorgestellt, wie unter anderem: Subgruppen-Analyse der MINT-Studie (restriktive versus liberale Bluttransfusion nach akutem Myokardinfarkt) und IVUS-ACS (intravaskulärer Ultraschall versus Angiographie-gesteuerte PCI).

 

Hier finden Sie weitere Informationen zu den Late-Breaking Sessions ACC.24.


Wir wünschen Ihnen spannende neue Eindrücke und ein umfassendes wissenschaftliches Update mit den ACC-Kongressberichten - demnächst auf HERZMEDIZIN.de!

Referenzen

 

  1. Wright RS et al. Safety and Tolerability of Inclisiran for Treatment of Hypercholesterolemia in 7 Clinical Trials. J Am Coll Cardiol. 2023;82(24):2251-2261.
  2. Shah SJ et al. Atrial shunt device for heart failure with preserved and mildly reduced ejection fraction (REDUCE LAP-HF II): a randomised, multicentre, blinded, sham-controlled trial. Lancet. 2022 Mar 19;399(10330):1130-1140.
  3. James S et al. Dapagliflozin in Myocardial Infarction without Diabetes or Heart Failure. N Engl J Med. 2023 Nov 11. doi: 10.1056/EVIDoa2300286.
  4. https://newsroom.csl.com/2024-02-11-CSL-Announces-Top-line-Results-from-the-Phase-3-AEGIS-II-Trial-Evaluating-the-Efficacy-and-Safety-of-CSL112-apolipoprotein-A-I-human
  5. https://investors.alnylam.com/press-release?id=28036
  6. Chebli J et al. APOC3 siRNA and ASO therapy for dyslipidemia. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2024;31(2):70-77.
  7. https://www.globenewswire.com/news-release/2024/01/04/2804317/0/en/Applied-Therapeutics-Announces-Topline-Results-from-the-ARISE-HF-Phase-3-Study-of-AT-001-in-Diabetic-Cardiomyopathy.html

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