Das geht auf die Nieren: Wie Herzinsuffizienz die Nierenfunktion beeinflusst

Eine Herzinsuffizienz erhöht das Risiko einer chronischen Nierenkrankheit erheblich. Wenn das Herz schwächelt, leiden oft auch die Nieren – und umgekehrt. Es kommt zu einer gegenseitigen Belastung, kardiorenales Syndrom genannt. In der Folge kann sich die Herzschwäche noch verschlimmern. Wie lassen sich die Erkrankungen behandeln und weitere Schäden begrenzen?

Von Inga Wolter

 

15.11.2024

 

Bildnachweis (Bild oben): Adobe Stock / Prostock-Studio

Darum kann eine Herzinsuffizienz die Niere schädigen

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischer Herzinsuffizienz. Sie ist der häufigste Grund, warum Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus eingewiesen werden. Häufig haben die Betroffenen weitere Erkrankungen, die sich gegenseitig verstärken und die Herzinsuffizienz verschlechtern können – eine davon ist Niereninsuffizienz: Fast jeder zweite Mensch mit Herzinsuffizienz leidet gleichzeitig an einer chronischen Nierenerkrankheit.

 

Bei einer chronischen Herzinsuffizienz – auch Herz(muskel)schwäche genannt – ist das Herz nicht mehr in der Lage, genügend Blut durch den Körper und die Organe zu pumpen. „Auch die Nieren werden dann nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt“, erklärt Prof. Jan Galle, Direktor der Klinik für Nephrologie und Dialyseverfahren am Klinikum Lüdenscheid. „Das kann dazu führen, dass ein eigentlich gesundes Organ in seiner Funktion beeinträchtigt wird." Die Folge kann ein akutes Nierenversagen oder eine chronische Nierenkrankheit (CKD) sein. Führt eine chronische Herzschwäche zu einer Nierenkrankheit, spricht man von einem kardiorenalen Syndrom.

Frühe Symptome für eine Nierenerkrankung

Symptome können vermehrte Urinausscheidung, erhöhter Blutdruck, Wassereinlagerungen oder roter Urin sein. Zu Beginn gibt es jedoch meistens aber nur geringe oder gar keine Anzeichen für eine Nierenerkrankung. Deutliche Symptome wie Übelkeit, Atemnot und ein unregelmäßiger Herzschlag treten oft erst im Endstadium (Nierenversagen) auf.

So wird eine chronische Niereninsuffizienz behandelt

Ein akutes Nierenversagen, das innerhalb weniger Tage in Folge einer Herzinsuffizienz auftritt, kann vollständig behoben werden, wenn die Herzschwäche rechtzeitig behandelt wird. „Die Niere kann sich dann schnell wieder erholen“, sagt Prof. Jan Galle. Eine chronische Nierenkrankheit entwickelt sich jedoch über Monate hinweg und ist in den meisten Fällen nicht vollständig heilbar. Die erkrankten Nieren können ihre überlebenswichtige Aufgabe, Giftstoffe aus dem Blut zu filtern, nicht mehr erfüllen.

Dann reicht es nicht mehr aus, die Erkrankung nur kardiologisch zu behandeln. In der Regel, so Prof. Jan Galle, werden unter anderem Diuretika verschrieben – das sind entwässernde Medikamente, die die Harnproduktion anregen. „Durch eine medikamentöse Behandlung besteht die Chance auf Besserung.“ Zusätzlich kann die Umstellung auf eine salzarme Ernährung die Therapie der chronischen Nierenkrankheit unterstützen.


Aber: Die Behandlung kann aufgrund des Zusammenspiels von Herz- und Nierenkrankheit und einem Risiko für eine Anämie (zu wenig rote Blutkörperchen) und Hyperkaliämie (erhöhter Kaliumwert) komplex sein. Oft ist eine Dialyse, eine Nierenersatztherapie, nötig, um den Körper von Giftstoffen zu befreien und das Leben des Menschen zu retten. „Zehn bis 15 Prozent der Dialyse-Betroffenen leiden am kardiorenalen Syndrom“, sagt Prof. Jan Galle. Im schlimmsten Fall des Nierenversagens kann eine Nierentransplantation erforderlich sein.

 

Prof. Jan Galle macht aber auch Hoffnung: „Die Forschung hat in den letzten Jahren eine Menge Ergebnisse für die Behandlung von Menschen mit Nierenerkrankungen geliefert.“ Dazu gehören zum Beispiel SGLT2-Hemmer, die den Blutzuckerspiegel senken. Auch der Wirkstoff Semaglutid, bekannt durch die „Abnehmspritze“ für Menschen mit Diabetes und Adipositas, kann bei Nierenerkrankungen helfen. Seit 2022 ist zur Behandlung von chronischen Nierenerkrankungen auch das Medikament Finerenon zugelassen.

 

Umgekehrter Fall: Wenn die Nieren das Herz krank machen

Eine chronische Nierenkrankheit kann zu Komplikationen wie Bluthochdruck führen, aber auch wiederum eine Verschlechterung der Herzfunktion nach sich ziehen. So entsteht im schlimmsten Fall eine Negativspirale, in der sich Herz und Niere immer weiter schädigen.

 

Unter einem kardiorenalen Syndrom versteht man also nicht nur die Schädigung der Nieren durch eine chronische Herzinsuffizienz. Auch der umgekehrte Fall, eine Nierenschwäche, die sich negativ auf das Herz auswirkt, gehört dazu. Die Nieren regulieren den Blutdruck, steuern den Flüssigkeitshaushalt des Körpers und schützen so das Herz vor einer Überlastung.

 

Können die Nieren diese Aufgaben nicht mehr hinreichend erfüllen, kann dies eine Herzerkrankung auslösen oder verstärken. Knapp 9 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer chronischen Nierenerkrankung. Studien zeigen, dass mindestens 15 Prozent der nierenkranken Patientinnen und Patienten auch eine chronische Herzinsuffizienz haben.

 

Frühe Diagnose, Symptome und Prävention

Während bei einer Herzinsuffizienz schneller Symptome auftreten wie zum Beispiel Atemnot oder geschwollene Beine, bleibt eine chronische Nierenkrankheit häufig länger ohne Symptome. Umso wichtiger ist es daher, bei einem erhöhten Risiko regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen zu gehen, um die Nierenkrankheit so früh wie möglich zu diagnostizieren. Festgestellt werden kann sie anhand von Blut- und Urintests.

 

zum Experten

Prof. Dr. med. Jan Galle

Prof. Dr. med. Jan Galle ist der Direktor der Klinik für Nephrologie und Dialyseverfahren im Klinikum Lüdenscheid und  seit Mitte April 2024 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.

Bildquelle: Maerkische Kliniken Lüdenscheid

 

Ein erhöhtes Risiko für Nierenkrankheit besteht bei Diabetes, starkem Übergewicht, koronarer Herzkrankheit und Bluthochdruck. Auch Menschen, die rauchen oder Verwandte mit Nierenerkrankungen haben, entwickeln ebenfalls häufiger eine Nierenkrankheit.

 

Die Risikogruppen für eine Nierenkrankheit decken sich mit denen für Herzinsuffizienz, was wiederum den engen Zusammenhang zwischen Herz- und Nierenfunktion verdeutlicht. Bei einer Herzschwäche ist es daher immer wichtig, auch die Nierenfunktion zu beobachten. Langfristig vorbeugen können Sie durch eine gesunde Lebensweise: Wer sich bewusst ernährt, nicht raucht und kein Übergewicht hat, kann das Risiko für beide Erkrankungen senken.

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