Wer hat Anspruch auf eine kardiologische Reha?

Eine kardiologische Reha-Maßnahme hilft herzkranken Patientinnen und Patienten dabei, ihre Krankheit zu verstehen, ihren Alltag zu bewältigen und den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben zu schaffen. Doch wer hat Anspruch auf eine kardiologische Reha?

Von Kerstin Kropac

 

08.08.2023


Bildquelle (Bild oben): iStock / Halfpoint

Bezeichnet man das Herz als den Motor des Körpers, kann man sich eine Akutklinik wie eine Werkstatt vorstellen: Hier werden Herzen repariert und wieder einsatzfähig gemacht. Danach geht es zurück auf die Straße. Wie man sein Herz aber pflegt und langfristig gesund hält – das lernt man dort nicht. Diese Aufgabe übernehmen Reha-Kliniken. Studien zeigen, dass eine kardiologische Reha das Leben Herzkranker deutlich verlängern kann.

Nach welchen Herzereignissen sollte eine Reha-Maßnahme stattfinden?

Es ist sinnvoll, eine kardiologische Rehabilitationsmaßnahme als sogenannte Anschlussheilbehandlung unmittelbar nach einem Krankenhausaufenthalt, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach einer stationären Behandlung anzutreten – nach einem Herzinfarkt, einer Lungenembolie, einer Herzklappenoperation oder anderen kardio- oder gefäßchirurgischen Eingriffen. Die Antragstellung und die Formalitäten für einen nahtlosen Übergang in die Rehabilitation erledigen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte mit den Betroffenen bereits im Akutkrankenhaus. „Eine kardiologische Rehabilitation kann aber auch zu jedem anderen Zeitpunkt als medizinisches Heilverfahren beantragt werden“, erklärt die Kardiologin Dr. Ronja Westphal, Chefärztin kardiovaskuläre Rehabilitation der Segeberger Kliniken in Bad Segeberg. Die Rentenversicherung stellt im Internet einen Indikationskatalog bereit, der unter anderem auflistet, bei welchen Erkrankungen eine Anschlussrehabilitation in Betracht kommt.

Wer kann eine kardiologische Reha als sogenanntes Heilverfahren beantragen?

„Beim medizinischen Heilverfahren geht es vor allem darum, schweren kardiologischen Ereignissen oder der Verschlechterung chronischer Krankheiten vorzubeugen“, sagt Frau Dr. Westphal. So eine Maßnahme eignet sich zum Beispiel für Patientinnen oder Patienten mit einer Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen oder einer koronaren Herzkrankheit. Häufig leiden diese Menschen zudem unter weiteren Erkrankungen: Bluthochdruck, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder psychischen Problemen wie Ängstlichkeit oder Depression. „Die Rehabilitation soll den Betroffenen helfen, ihre Krankheit und ihre damit im Zusammenhang stehenden Befindlichkeiten besser zu verstehen und deren Verlauf günstig beeinflussen zu können“, sagt die Kardiologin.

Wie stellt man den Antrag für eine Reha-Maßnahme?

In der akutmedizinischen Einrichtung wird der Antrag zusammen mit der potenziellen Rehabilitandin oder dem Rehabilitanden gestellt – so kann die Reha-Maßnahme auch direkt im Anschluss an den Klinikaufenthalt stattfinden. „Beim Heilverfahren müssen die Haus- oder Fachärztin oder der Haus- oder Facharzt die Antragstellung unterstützen“, sagt Frau Dr. Westphal.

Wie lang dauert eine kardiologische Reha?

Eine kardiologische Reha dauert normalerweise drei Wochen – mit der Option, die Reha-Maßnahme bei Bedarf zu verlängern. „Das ist bei der Rentenversicherung, die vor allem für die Berufstätigen zuständig ist, allerdings immer ein bisschen einfacher als bei den gesetzlichen Krankenkassen“, erklärt Frau Dr. Westphal. „Bei den Krankenkassen, die hauptsächlich die Kosten für Rentnerinnen und Rentner übernehmen, muss eine Verlängerung erst durch den medizinischen Dienst geprüft werden.“

Wie hilft eine Reha-Maßnahme bei den ersten Schritten zurück ins Leben?

„Wenn die Herzkranken aus der Akutbehandlung entlassen werden, sind sie erst einmal froh, alles gut überstanden zu haben“, sagt Frau Dr. Westphal. „Zu dem Zeitpunkt stellen sich ihnen noch nicht die Fragen, die dann im Alltag auftreten.“ Deshalb ist es gerade in der ersten Zeit hilfreich, einen Ansprechpartner an der Seite zu haben. Zudem verlieren sehr viele Betroffene nach einem Herzereignis das Vertrauen in den eigenen Körper. „Wer sich beispielsweise nach einem Herzinfarkt zu Hause wieder belastet und ein Ziehen im Brustbereich spürt, denkt sofort: ‚Oh Gott, es ist wieder was mit meinem Herz!‘ Dann landen sie in der Notaufnahme, wo sie möglicherweise kurz durchgecheckt und wieder nach Hause entlassen werden. Bei vielen entsteht das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Bei der nächsten Unpässlichkeit landen sie wieder in der Notaufnahme. Wir sprechen dann vom sogenannten Drehtüreffekt.“

 

Durch das sportliche Training in der Reha kommt es regelmäßig vor, dass es im Brustbereich der Betroffenen mal zieht oder schmerzt – dann haben die Therapeutinnen und Therapeuten aber sofort die Möglichkeit, es einzuordnen und den Herzkranken unnötige Ängste zu nehmen. „Patientinnen und Patienten können sich in der Rehabilitation nach einem Ereignis wie einem Herzinfarkt unter bewegungstherapeutischer Aufsicht ausprobieren, werden an ihre Grenzen geführt und sogar darüber hinaus“, sagt die Kardiologin. „Dadurch bekommen sie wieder ein Gefühl von Kontrolle über ihren Körper. Das ist der erste Schritt zur Krankheitsbewältigung.“

Wie wichtig ist eine psychologische Betreuung in der Reha?

Die psychokardiologische Betreuung spielt in der Reha eine große Rolle. „Bei uns wird bei jedem Neuankömmling geschaut, ob womöglich auch verdeckte, bisher nicht im Vordergrund stehende Probleme vorliegen“, sagt Dr. Westphal. Diese können dann zum Beispiel in einer Krankheits-Bewältigungsgruppe aufgearbeitet werden. „In diesen Gruppen trennen wir Männer und Frauen, weil beide Geschlechter unterschiedliche Probleme haben und diese schamfrei thematisieren können sollen.“ Von solchen Gruppensitzungen profitieren die Teilnehmenden, weil sie merken, dass sie mit ihren Ängsten und Sorgen nicht allein dastehen, ihre Gefühle also ganz normal sind. Außerdem stützen sich die Patientinnen und Patienten gegenseitig, was bei der Krankheitsbewältigung noch zusätzlich helfen kann. „Und stellen die Betroffenen fest, dass sie einzelne Aspekte nochmal intensiver bearbeiten sollten, gibt es auch die Möglichkeit, Einzelgespräche zu führen“, sagt Frau Dr. Westphal.

Dr. Ronja Westphal Dr. Ronja Westphal, Chefärztin kardiovaskuläre Rehabilitation der Segeberger Kliniken in Bad Segeberg (Schleswig-Holstein). Bildquelle: Markus Heimbach

Warum ist die psychische Gesundheit bei Herzkranken besonders wichtig?

Viele Studien haben gezeigt: Psychische Probleme können Herzkrankheiten verschlimmern. „Eine Depression geht zum Beispiel mit einem um zehn Prozent erhöhten kardiovaskulären Risiko einher“, sagt Herzexpertin Dr. Westphal. „Und auch chronischer Stress führt nachhaltig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Frauen gilt akuter emotionaler Stress zu den häufigsten Auslösern für einen Herzinfarkt, bei Männern ist es der zweithäufigste.“ Deshalb ist neben der Veränderung des Lebensstils auch Stressabbau ein wichtiges Thema in einer kardiologischen Reha.

Wie lernen Herzkranke in der Reha, herzgesünder zu leben?

„Wir besprechen mit unseren Herzkranken sämtliche Bereiche ihres Lebens: Wie ernähre ich mich? Wie bewege ich mich? Wie gestalte ich mein Leben grundsätzlich?“, erklärt Dr. Westphal. Auch spielt das Sozialverhalten eine Rolle: Auf welche Weise knüpfe ich meine Kontakte? Habe ich überhaupt ausreichend Kontakte? „Ein soziales Netz ist für uns Menschen wichtig – wir sind ja keine einsamen Wölfe, sondern Rudeltiere“, sagt die Kardiologin. Und für diejenigen, die im Berufsleben stehen, wird am Umgang mit Stress und Stressbelastung gearbeitet. „Studien zeigen: Wenn jemand regelmäßig zehn Überstunden pro Woche macht, dann geht das mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, da Stress unter anderem den Blutdruck und die Herzfrequenz beeinflusst“, erklärt Dr. Westphal. „Es gibt keine genauen Zahlen, aber mit einer Umstellung des Lebensstils kann man sehr viel für seine Gesundheit erreichen.“

Warum ist es wichtig, dass Herzkranke sich mit ihrer Krankheit gut auskennen?

In den kardiologischen Reha-Einrichtungen finden regelmäßig Seminare über die verschiedenen Krankheitsbilder statt, ebenso über die Einnahme von Medikamenten. „Es geht zum Beispiel darum: Wie und wann nimmt man die Medikamente richtig ein? Und welche Medikamente nehme ich da ein?“, erklärt Dr. Westphal. „Es hilft den Herzkranken, wenn sie verstehen, welche Medikamente sie einnehmen, und warum sie wichtig sind. Es ist nicht ausreichend, zu wissen: Ich nehme zwei weiße, eine grüne, eine gelbe Tablette. Denn die Farben ändern sich im Laufe der Zeit.“ Und Untersuchungen zeigen: Je besser die Patientinnen und Patienten wissen, warum ihre Medikamente wichtig sind, desto konsequenter werden sie auch eingenommen. Und je besser sie ihre Krankheit verstehen, desto eher werden sie ihren Lebensstil verändern.

Profitiert jeder Herzkranke von einer kardiologischen Reha?

„Ich bin der Überzeugung, dass eine gut geführte Rehabilitation sehr viele Menschen erreicht“, sagt Kardiologin Dr. Westphal. „Wenn man einem Mann zu Beginn vorschlägt: ‚Gehen Sie doch mal zum Herz-Yoga!‘ Dann fängt er meist an zu lachen. Am Ende bekomme ich von den Patienten, die das doch ausprobiert haben, aber sehr positive Rückmeldungen. Wir haben in der Reha eben mehr Zeit, solche Themen mit den Betroffenen zu besprechen. Und dann kann man die meisten auch motivieren, etwas zu tun.“ Die Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten, die an einer kardiologischen Reha-Maßnahme teilnehmen, etwa 40 bis 50 Prozent seltener einen weiteren Herzinfarkt erleiden als Betroffene ohne Rehabilitation. Und auch die Lebenserwartung kann durch eine Reha verbessert werden.

Ist eine Reha-Maßnahme so etwas wie ein bezahlter Urlaub für Herzkranke?

„Wir erleben es häufig, dass die Reha als anstrengend empfunden wird, weil die Betroffenen hier merken, was sie unter Umständen jahrelang falsch gemacht haben: Ihnen wird ihr Fehlverhalten bewusst, das dazu geführt hat, die Akutbehandlung überhaupt in Anspruch nehmen zu müssen“, sagt Dr. Westphal. So erklärt sie sich auch, warum einige Patientinnen und Patienten manchmal poltrig und ablehnend reagieren. „Man muss sie überzeugen und ihnen sagen: ‚Es geht nicht darum, auf alle liebgewonnenen Gewohnheiten zu verzichten. Man sollte nur wissen, welches Ihre Risikofaktoren sind.‘ Dann lassen sich die Betroffenen nach und nach auch auf ihre Reha ein. Am Ende der Rehabilitationsmaßnahme sind die meisten Patienten und Patientinnen dann tatsächlich zufrieden und dankbar, dass sie daran teilgenommen haben.“

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