Turbo für den geistigen Abbau: Herzinfarkt hat auch negative Effekte aufs Gehirn

Ein Herzinfarkt kann den Herzmuskel schädigen und zu einer chronischen Herzschwäche führen. Die organischen Langzeitfolgen von Herzinfarkten sind gut erforscht. Inzwischen weiß man aber auch: Herz und Hirn sind enger miteinander verbunden, als man lange angenommen hat. Durch einen Herzinfarkt können auch kognitive Schäden entstehen. Welche sind das und wie kann man ihnen vorbeugen? 

Von Inga Wolter

 

30.09.2024


Bildquelle (Bild oben): Shutterstock/Gorodenkoff

Wie kann ein Herzinfarkt das Gehirn beeinträchtigen?

Lange hat die Medizin vor allem die Schädigung des Herzens als Folge eines Herzinfarkts untersucht und behandelt. „Die potentiellen Langzeitfolgen für die Kognition spielen in der Behandlung des Herzinfarkts bisher keine Rolle, auch, weil das noch nicht gut erforscht und verstanden ist“, sagt Prof. Dr. Rolf Wachter, stellvertretender Direktor der Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig und Experte für Herzinsuffienz.

 

Neuere Forschungen zeigen jedoch, dass Herz und Gehirn nicht getrennt betrachtet werden dürfen und dass ein Herzinfarkt auch Auswirkungen auf die kognitiven Funktionen haben kann – unmittelbar danach, aber auch in den späteren Lebensjahren. 

 

Eine unmittelbare Folge kann ein hypoxischer Hirnschaden sein. Wie bei einem Schlaganfall oder einer Reanimation kann es auch bei einem Herzinfarkt dazu kommen, dass das Gehirn für eine gewisse Zeit nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt ist. Dadurch sterben innerhalb weniger Minuten Gehirnzellen ab. Die Folgen reichen von vorübergehender Bewusstlosigkeit und leichten kognitiven Beeinträchtigen über schwerere Behinderungen bis zum Wachkoma.

 

Was passiert bei einem Herzinfarkt?

Bei einem Herzinfarkt wird die Blutversorgung des Herzens eingeschränkt oder unterbrochen. Wird die Durchblutung nicht innerhalb weniger Stunden wiederhergestellt, stirbt das Gewebe des Herzmuskels ab – Komplikationen wie Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und Herzrhythmusstörungen können die Folge sein.

 

Hinzu kommt, dass Herz- und Gehirnerkrankungen häufig in einer Wechselwirkung stehen. „Beispielsweise können Blutgerinnsel, die sich bei einem Herzinfarkt in der linken Herzkammer bilden, zu Schlaganfällen führen“, erklärt Prof. Dr. Rolf Wachter. „Oder in Folge des Herzinfarktes kann sich eine Herzschwäche entwickeln, die langfristig eine Verschlechterung der Hirnfunktion bewirken kann.“

 

Zum Experten

Prof. Dr. Rolf Wachter

Prof. Dr. Rolf Wachter, stellvertretender Direktor der Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig und Experte für Herzinsuffienz. Bildquelle: Universitätsklinikum Leipzig.

Welche langfristigen kognitiven Schäden können nach einem Herzinfarkt entstehen?

Ein gewisser Rückgang unserer kognitiven Fähigkeiten ist mit zunehmendem Alter normal. Ein Herzinfarkt kann den geistigen Abbau aber beschleunigen. Unmittelbar danach sind in der Regel zunächst keine Unterschiede zu Menschen ohne Herzinfarkt messbar. Doch in den folgenden Jahren steigt das Risiko für Betroffene, dass ihre Wahrnehmung und Gedächtnisleistung nachlassen – selbst wenn sie sich gut von dem Herzinfarkt erholt haben. Dieser Rückgang kann einer kognitiven Alterung von etwa sechs bis 13 Jahren entsprechen.

 

Auf diese drei Bereiche kann sich ein Herzinfarkt negativ auswirken:

 

  1. Gedächtnisleistung: Der Mensch kann sich Dinge nicht mehr so gut merken und sich schlechter an etwas erinnern. Die Fähigkeit, etwas auswendig zu lernen, lässt nach.
  2. Exekutive Funktionen: Die Konzentrationsfähigkeit des Menschen lässt nach. Er kann nicht mehr so gut planen, organisieren oder komplexere Entscheidungen treffen.
  3. Globale Kognition: Damit wird die Gesamtleistung des Gehirns beschrieben. Sie umfasst das Gedächtnis und die exekutiven Funktionen und kann durch kognitive Tests kontrolliert werden.

 

Auch besteht ein Zusammenhang zwischen Herzinfarkten und vaskulärer Demenz. Sie entsteht, wenn das Gehirn nicht ausreichend mit Blut versorgt wird. Das kann zu Schäden an den Gehirnzellen und zu einem allmählichen Abbau der kognitiven Fähigkeiten führen. Als gesichert gilt auch, dass Herzinfarkt-Betroffene häufiger an Alzheimer erkranken.

 

Am geistigen Abbau nach einem Herzinfarkt sind häufig weitere Faktoren beteiligt: Stille Schlaganfälle können das Gehirn dauerhaft schädigen. Sie sind nicht groß genug, um erkannt zu werden, beeinträchtigen aber die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns. Das gleiche kann passieren, wenn sich nach einem Herzinfarkt die Struktur des Herzens verändert. Dadurch können kleine Blutgerinnsel ins Gehirn gelangen und die Sauerstoffversorgung verringern. Auch die gemeinsamen Risikofaktoren von Herzinfarkt und Demenz – Bluthochdruck und Rauchen – können die kognitive Leistung weiter negativ beeinflussen.

 

Mit Blick auf die Risikofaktoren wird deutlich: Wer einem Herzinfarkt vorbeugt, kann darauf hinwirken, im Alter geistig fit zu bleiben und den kognitiven Abbau zu verlangsamen.

 

Herzinfarkt vorbeugen – Blutdruck messen!

Ab dem 40. Lebensjahr sollten Sie Ihren Blutdruck jedes halbe Jahr einmal messen lassen. Besonders zu empfehlen ist das, wenn Sie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, also zum Beispiel bei Übergewicht, Rauchen oder erhöhten Cholesterinwerten. Kommt in Ihrer Familie Bluthochdruck häufiger vor, sollten Sie bereits ab dem 35. Lebensjahr zweimal im Jahr Ihren Blutdruck messen lassen. Wenn Sie eine Herzerkrankung haben, sollten sie ihn einmal im Monat überprüfen lassen.

 

 

Diagnose: Wie können neurologische Schäden nach einem Herzinfarkt erkannt werden?

Typische Symptome von neurologischen Schäden sind Gedächtnisprobleme, Verwirrung, Orientierungslosigkeit, motorische Probleme und Sprachstörungen. Durch kognitive Tests kann man überprüfen, ob es zu einer Schädigung des Gehirns gekommen ist. Auch können verschiedene bildgebende Verfahren wie zum Beispiel ein CT oder MRT Aufschluss über kognitive Schäden geben. Aber: „Konkete Therapieempfehlungen für die Behandlung von Langzeitfolgen fehlen“, sagt Prof. Dr. Rolf Wachter. „Wir hoffen, dass diese Aspekte bei zukünftigen Forschungsprojekten mehr Berücksichtigung finden werden.“

Wichtig ist, dass nach einem Herzinfarkt die Faktoren, die ihn begünstigen – wie Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes – behandelt werden. Oft ist eine dauerhafte Umstellung des Lebensstils nötig: mit dem Rauchen aufhören, sich mehr bewegen, besser ernähren und Stress reduzieren.

 

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