Sommer und Hitze: Worauf Herzkranke bei der Einnahme ihrer Medikamente achten sollten

Endlich Sommer, endlich Sonne – die meisten Menschen sehnen sich nach der warmen Jahreszeit. Herzkranke eher nicht. Für sie kann Sommerhitze zur gesundheitlichen Herausforderung werden. Immerhin gibt es bei der Dosierung, Einnahme und Lagerung von Herzmedikamenten einiges zu beachten. Was Betroffene jetzt wissen und auf welche hitzebedingten Symptome sie achten sollten, erfahren Sie hier.

Von Benjamin Müller

 

24.06.2024


Bildquelle (Bild oben): Adobe Stock/milanmarkovic78

Wie wirkt sich Sommerhitze auf Menschen mit Herzerkrankungen aus?

Sommerhitze hat verschiedene Effekte auf den Körper, unter anderem auch auf das Herz-Kreislauf-System. So wird überflüssige Wärme beispielsweise über den Blutkreislauf zu den Hautgefäßen transportiert, um dort an die Umgebung abgegeben zu werden. Je höher die Temperaturen, desto schneller wird das Blut vom Herzen aus durch die Gefäße gepumpt, um den Körper abzukühlen. Eine große Belastung für das Herz.

 

Wer beispielsweise an einer koronaren Herzkrankheit (KHK) leidet, bei dem kann diese erhöhte Pumpleistung unter anderem zu Schwindel, Kopfschmerzen, plötzliches Absinken des Blutdrucks, Herzrhythmusstörungen und sogar Bewusstlosigkeit führen.

 

Darüber hinaus sorgen höhere Temperaturen – ob das Herz gesund ist oder nicht – für verstärktes Schwitzen. So verliert der Körper deutlich mehr Flüssigkeit. Dementsprechend wichtig ist es, in der heißen Jahreszeit mehr zu trinken, um den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen, was sich wiederum auf die Wirkung von regelmäßig einzunehmenden Medikamenten auswirken kann.

 

Wer aufgrund eines Herzleidens Medikamente einnimmt, sollte die Dosierung bei Hitze vom behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin überprüfen lassen. „Da bei Hitze eine vermehrte Durchblutung der Haut verbunden mit einer Steigerung der Schweißneigung auftritt, sind vor allem Entwässerungstabletten und blutdrucksenkende Medikamente – je nach Blutdruck – den Gegebenheiten anzupassen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Matthias Pauschinger, Klinikdirektor der Universitätsklinik Medizinische Klinik 8 – Kardiologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität am Klinikum Nürnberg.

Arzneimittel im Sommer: Wie verändert sich die Wirkung?

Bei hohen Temperaturen scheinen manche Patientinnen und Patienten ihre Medikamente nicht mehr ganz so gut zu vertragen. Plötzlich reagiert der Körper nach der Einnahme anders als gewohnt. Die Hitze kann die Wirksamkeit der Arzneimittel beeinflussen und so zu Problemen führen.

Blutdrucksenkende Medikamente sollen bei KHK-Patientinnen und -Patienten einem durch verengte Gefäße erhöhten Blutdruck entgegenwirken. Zu ihnen zählen etwa ACE-Hemmer, Sartane und Kalziumantagonisten. Bei heißen Temperaturen kann es allerdings dazu kommen, dass diese Medikamente den Blutdruck schneller und stärker absenken, als beabsichtigt. Die Folge können Schwindel, Augenflimmern, Übelkeit und Ohnmacht sein. Letzteres birgt außerdem das zusätzliche Risiko von Sturzverletzungen.

 

Doch warum diese ungewollte Wirkung? Der Grund: Bei heißen Temperaturen erweitern sich die Blutgefäße, um möglichst viel warmes Blut in die Haut strömen zu lassen und den Körper abzukühlen. Das senkt auch den Blutdruck. Werden unter diesen Umständen Blutdrucksenker eingenommen, kann eine sonst harmlose Dosierung den Effekt gefährlich verstärken.

Auch bei der Einnahme von entwässernden Medikamenten wie Diuretika ist im Sommer Vorsicht geboten. Da der Körper an heißen Tagen mehr schwitzt, verliert er von vornherein deutlich mehr Flüssigkeit als sonst. Werden entwässernde Medikamente dann in der gewohnten Dosis eingenommen, kann es zu einem gefährlichen Flüssigkeitsmangel kommen.

Besteht dieser Mangel zu lange, können sich Giftstoffe in den Nieren ansammeln und eine akute Nierenschwäche verursachen. Übliche Anzeichen für einen gesundheitsschädlichen Flüssigkeitsverlust sind eine plötzliche, starke Gewichtsabnahme und auffällig faltige Haut.

 

Umso wichtiger ist es für betroffene Patientinnen und -patienten, in der heißen Jahreszeit genug Wasser, Saft oder ungesüßten Tee zu trinken. Alkoholische Getränke sind aufgrund ihrer herzschädlichen Wirkung besser zu vermeiden.

Haben heiße Temperaturen im Sommer einen Einfluss auf das Herzinfarktrisiko?

„Es ist wichtig zu wissen, dass Herzinfarkte und weitere relevante kardiale Erkrankungen wie zum Beispiel die Entgleisung einer vorbestehenden Herzschwäche bei Hitze vermehrt auftreten können. Daher ist es auch gerade bei großer Hitze dringend angeraten, bei akuten Beschwerden entweder den Notarzt oder die -ärztin zu rufen oder sich frühzeitig in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu begeben. Je nach Verfügbarkeit kann auch der Hausarzt oder die -ärztin weiterhelfen. Ein zu langes Warten bei akuten Schmerzen im Brustbereich sollte, wie auch in jeder anderen Situation, absolut vermieden werden“, warnt Prof. Dr. Pauschinger.

 

Bestimmte Herzmedikamente können das Risiko nicht-tödlicher Herzinfarkte bei besonders hohen Temperaturen steigern. Darauf deutet eine aktuelle Studie der Deutschen Stiftung für Herzforschung, der Universität Augsburg und des Universitätsklinikums Augsburg hin. Herzpatientinnen und -patienten, die Beta-Blocker, Statine oder Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) einnehmen, sollten bei Sommerhitze also besonders vorsichtig sein.

 

Wie die Studie anhand der untersuchten Patientinnen und Patienten zeigte, haben Herzkranke zwischen 25 und 59 Jahren, die Statine einnehmen, ein dreimal höheres Infarktrisiko an heißen Tagen. Die für die Studie relevanten Medikamente werden üblicherweise zum Schutz vor lebensgefährlichen Herzattacken (Beta-Blocker, TAH) und zur Senkung des Cholesterinspiegels (Statine) verschrieben. Warum genau sie bei hohen Temperaturen diese Nebenwirkung entwickeln, soll in zukünftigen Studien erforscht werden.

 

Zum jetzigen Zeitpunkt vermuten die Forschenden, dass die untersuchten Herzmedikamente es dem Körper bei großer Hitze erschweren, die Körpertemperatur korrekt zu regulieren. Patientinnen und Patienten, die diese Medikamente einnehmen, sollten laut den Forschenden im Sommer darauf achten, sich rechtzeitig und regelmäßig abzukühlen. Dafür kommt unter anderem eine Klimaanlage in Frage. Prof. Dr. Pauschinger empfiehlt: „Da in den meisten Wohnungen keine Klimaanlagen vorhanden sind, sollten bereits am frühen Vormittag – wenn möglich – die Rollläden heruntergelassen und die Fenster nach ausgiebigem Lüften geschlossen werden, damit die Hitze erst gar nicht in die Wohnung kommt.“

 

 

Zum Experten

Univ.-Prof. Dr. med. Matthias Pauschinger

Klinikdirektor der Universitätsklinik Medizinische Klinik 8 – Kardiologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität am Klinikum Nürnberg

Bildquelle: Rudi Ott, Klinikum Nürnberg

Wie vermeiden Herzkranke Nebenwirkungen durch Medikamente im Sommer?

Im Sommer leiden manche Herzpatientinnen und Patienten unerwartet unter Nebenwirkungen – obwohl sich an Medikament und Dosis nichts geändert hat. Prof. Dr. Pauschinger gibt zu bedenken: „Wichtig ist, sich im Vorfeld mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt abzustimmen, welche Herzmedikamente bei Hitze reduziert oder pausiert werden können.“ So können Menschen mit Herzerkrankungen ungewollten Effekten wie Nierenschwäche oder starkem Blutdruckabfall vorgebeugen.

 

Je nach ärztlicher Empfehlung kann es notwendig werden, die tägliche Trinkmenge im Verhältnis zur Ausscheidung durch Schweiß, Urin und Medikamente zu erhöhen und/oder die Dosis der einzunehmenden Herzmedikamente anzupassen.

 

Keinesfalls sollten diese Anpassungen jedoch eigenmächtig vorgenommen werden. Gerade bei Menschen mit einer Herz- oder Niereninsuffizienz kann nur die behandelnde Ärztin oder der Arzt richtig abschätzen, wie sehr Trinkmenge und Medikamentendosierung angepasst werden können, ohne die Organe potenziell lebensgefährlich zu überlasten.

 

Wie lagert man Herzmedikamente im Sommer richtig?

Auch bei der Lagerung von Medikamenten gibt es in der heißen Jahreszeit mehr zu beachten als sonst: So warnt das Bundesministerium für Gesundheit, dass sich die Wirksamkeit zahlreicher Medikamente verringern kann, wenn diese bei zu hohen Temperaturen gelagert werden. Zwar ist eine kurzzeitige und geringe Überschreitung der vorgeschriebenen Lagerungstemperatur bei den meisten Medikamenten unproblematisch. Um Abbaureaktionen der enthaltenen Wirkstoffe zu vermeiden, sollten einige Vorsichtsmaßnahmen jedoch unbedingt befolgt werden:

 

  • Medikamente möglichst in Originalverpackung mit Beipackzettel aufbewahren
  • große Hitze und direktes Sonnenlicht vermeiden
  • keine Lagerung in Bad oder Küche, um Feuchtigkeit zu vermeiden
  • nur ausdrücklich kühl zu lagernde Medikamente gehören in den Kühlschrank
  • Medikamente nur gekühlt transportieren

 

Abgelaufene oder durch Umwelteinflüsse und falsche Lagerung unbrauchbar gewordene Medikamente dürfen nicht eingenommen werden. Entsorgen Sie diese auf sicherem Wege.

 

Worauf sollten Herzkranke bei der Medikamenteneinnahme im Sommer noch achten?

Besonders wenn entwässernde Medikamente wie Diuretika eingenommen werden, ist ein möglichst ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt wichtig. Wer im Sommer mehr schwitzt, verliert über den Schweiß neben lebenswichtiger Flüssigkeit auch Salze, deren Mangel zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelkrämpfen und Herzrhythmusstörungen führen kann. Besonders ältere Menschen und Herzkranke sollten daher in der heißen Jahreszeit mehr trinken und zusätzliche Mineralstoffe einnehmen.

 

Wer Probleme hat, ausreichend viel zu trinken – etwa aufgrund fehlendem Durstgefühl – der sollte die ärztlich empfohlene Trinkmenge morgens in saubere Trinkflaschen abfüllen. So fällt es leichter, im Auge zu behalten, wie viel noch getrunken werden muss.

 

Auch eine gezielte Vorbereitung auf die in Hitzeperioden notwendige Steigerung der Herzleistung kann im Vorfeld des Sommers sinnvoll sein, wie Prof. Dr. Pauschinger erklärt: „Ganz prinzipiell ist eine regelmäßige, körperliche Aktivität – mindestens drei Mal pro Woche für 30 Minuten zum Beispiel zügiges Spazierengehen – im Sinne eines Ausdauertrainings für alle Herzpatientinnen und -patienten im Vorfeld wichtig.“

 

Darüber hinaus sollten Herzleidende im Sommer den eigenen Puls und Blutdruck möglichst engmaschig überprüfen. Das ist umso wichtiger, wenn die Dosierung der Medikamente bereits angepasst wurde. So kann bei zu niedrigem Blutdruck schnell reagiert und durch mehr Flüssigkeit oder kurzes Hinlegen entgegengesteuert werden.

 

Sommer in Zeiten des Klimawandels: Worauf Herzkranke sich vorbereiten sollten

Forschenden zufolge werden die Sommer der nächsten Jahrzehnte immer mehr und heißere Hitzetage mit sich bringen. Grund dafür ist der Klimawandel. Mit seinen Folgen umzugehen, werden auch Herzpatientinnen und -patienten lernen müssen. „Es ist essenziell, durch eine entsprechende Vorsorge das Auftreten von Herzerkrankungen bereits im Vorfeld zu verhindern. So sollten Vorsorgemaßnahmen wie regelmäßige körperliche Bewegung, mediterrane Kost und die Optimierung des Lipidprofils – um nur ein paar wenige Faktoren zu benennen – umgesetzt werden“, so Prof. Dr. Pauschinger.

 

Wenn Hitzewellen mit mehreren Tagen über 30 Grad Celsius in Zukunft häufiger auftreten, sollten gefährdete Gruppen wie Herzkranke Schutzvorkehrungen treffen. Dazu gehört unter anderem, den Tagesablauf an die Temperaturen anzupassen und anstrengende körperliche Aktivitäten in die kühleren Morgen- und Abendstunden zu verlegen. Außerdem sollte die eigene Wohnung möglichst kühl gehalten und außerhalb der eigenen vier Wände auf Sonnenschutz geachtet werden.

 

 

 

Diese Seite teilen